March 09, 2011

mir ist schlecht

 
Und wie mir schlecht ist... Heute kam in der Rundschau ein Beitrag, der mir aus der Seele sprach. Schon seit einiger Zeit wundere ich mich über die Minder-Initiative, die sogenannte "Abzocker - Initiative", und was aus ihr geworden ist. Die Rundschau beschreibt klar welches Armuts-Zeugnis der Classe Politique zuzuschreiben ist. Und diese Parteien möchten unsere Stimmen, im Herbst!

Ich bin der Erste, der immer wieder Mühe mit Aussagen von Christoph Blocher hat, doch im Falle der Minder-Initiative muss man ihm eine fachlich tadellose Arbeit zugestehen. Ich kaufe es Blocher ab, die verschiedenen Mechanismen innerhalb der Firmen zu kennen, die Abläufe in Management und Verwaltungsrat, die zur Sicherung der absurden Boni dienen. Ich kaufe Blocher auch ab, mit Minder zusammen einen Text verfasst zu haben, das Wasserdicht ist. Das Blocher, als ehemaliger Besitzer einer Firma nicht Bonis benötigte, um sein Reichtum zu vermehren, ist eine andere Geschichte. Dass seine Familie, seine Tochter und seine Entourage weiterhin gute Gewinne machen würden, auch nach in Kraft treten dieses neues Gesetztes, ist eine andere Geschichte. Und, dass Blocher, als der geniale Stratege den er nun mal ist, die Idee hatte, mit Minder zusammen zu spannen, nun... Diese Idee hätte wahrscheinlich im Nachhinein auch gern der eine oder andere Partei-Präsident gehabt?

Minder und Blocher haben etwas brauchbares hingelegt: Nun ist die Politik an der Reihe. Und es ist ein Trauerspiel. Eine wirklich traurige Geschichte, die hier vor der ganzen Schweiz geschrieben wird. Alle Parteien waren gross dabei, beim Ausrufen nach der Finanzkrise. Alle gaben sich schockiert und skandalisiert, von diesen "dekadenten Praktiken". Jetzt wo man hätte etwas dagegen machen können, spielt man sich gegenseitig aus. Man will Partout nicht eine Änderung unterstützen, die von Blocher ausgeht. Nur weil sie von der SVP kommt. Egal wie gut sie ist. Für einmal, dass die SVP etwas hinlegt, dass man ohne weiteres unterschreiben könnte...

Und, nicht, dass die anderen Parteien zumindest selbst etwas brauchbares vorzuweisen hätten... Nichts... Und wenn man sie dann der Abhängigkeit von Wirtschaft und Finanz beschimpft, dann sind sie ausser sich von Empörung.

Anscheinend hat ja absolut jeder Recht, in dieser Sache. Die einen wollen die Boni besteuern, die anderen auch die Unternehmen, usw. Schön... Alle haben recht. Einzig das Volk staunt, mit offenem Mund, wie bei so viel Recht nichts geschehen kann.

Es scheint also, dass die nächste sogenannte "unheilvolle Allianz" nur eine Frage der Zeit sein wird. Diesmal hatten die Mitte-Parteien nur das Glück, dass sich SP und SVP wie so oft nicht vernünftig irgendwo treffen konnten. Und dies ist die Tragik dieser Zeit. Links und Rechts wird polarisiert. Wenn es aber darum geht, einmal wirklich etwas durchzuziehen, was den Prinzipien beider entsprechen würde, ist man zu stur dazu. Es reicht nicht, dass die Boni-Exzesse verschwinden. Nein, die eigene Partei muss es gewesen sein. Sonst bleiben wir lieber bei den Boni.

Solche politische Ungeschicke waren uns eigentlich aus dem Ausland bekannt. Dass wir nun auch in der Schweiz nicht mehr in der Lage sind, konkrete Wünsche von der Mehrheit des Volks in Real-Politik umzusetzen, scheint mir ein neueres Phänomen zu sein. Die SVP dankt und, wo sie recht hat, hat sie recht. Zur Zeit, so scheint es mir, macht man es ihr auch ziemlich leicht. Zu leicht.

Ja, die Parteien und die Politik. Mein Verständnis von Politik lässt sich eher nicht mit Parteien vereinen. Mir ist schlecht, wenn ich an die Wahlen im Herbst auch nur denke. An all den Schrott, der bis dann zu hören sein wird. Oder an die Minder-Initiative.
 
 

mir wird schlecht

 
Es ist Wahljahr...
Ich kann es immer wieder kaum glauben, welch unglaublicher Schwachsinn während all den Diskussionen über Libyen verzapft wird. Da stehen Menschen mit Gewehren in mitten der Wüste und schiessen auf Kampfjäger, Frauen sagen sie werden — wenn alle Männer getötet wurden — selbst in den Kampf ziehen, die Leute strahlen und schwärmen davon, wie sie keine Angst mehr haben und wie sie entweder ein Land ohne Gheddafi erleben werden oder lieber sterben. Und da höre ich einen Christoph Mörgeli der in der Sendung "Arena" sagt, Revolutionen seien auch nicht das Wahre, dort gäbe es
Tote, Blut und Aufstände: Nicht nur zu bejubeln!

Oder ich höre einen Roger Köppel der in die Sendung "Giacobbo / Müller" kommt, weil er sich im Deutschen TV Gedanken darüber macht
ob die Gelder der verschiedenen Herrschaften in Nord-Afrika nicht eventuell viel zu schnell eingefroren wurden!

Mörgeli sprach auch von Männern, die fundamentalistische Sprüche von sich gaben, während sie mit dem Gewehr in die Luft schossen. Ich würde ihn gerne einmal nach 42 Jahre unter einer solchen Diktatur sehen, ob er am Tag der vermeintlichen Befreiung nicht aus Freude in die Luft schiessen würde... Denn, auch Menschen wie er müssen in Libyen zur Zeit Partei ergreifen: Mit oder gegen Gheddafi. Und "gegen" kann dann heissen: Gewehr in die Hand. Vielleicht ist Christoph Mörgeli entgangen, dass Militärs die noch zu Gheddafi loyal waren, sich aber weigerten den Befehl auszuführen, auf ihre Landsleute zu schiessen, auf der Stelle exekutiert wurden! Ich finde es also ziemlich deplatziert, solche Beispiele zu bringen im Versuch die Aufständischen dort schlecht zu machen, während viele Menschen noch, Tag um Tag, um ihr blankes Leben kämpfen und bangen müssen.

Ich musste mit Bedauern immer wieder beobachten, wie man in der westlichen Welt nach einer religiösen Motivation dieser Aufstände gesucht hat. Man spekulierte, in Ägypten seien die "Muslim-Brüder" in einer bestimmenden Position. Man sprach immer wieder von Revolten der "Muslimischen Welt". Natürlich kann ich mir sehr gut vorstellen, dass einem Christoph Mörgeli es am Liebsten wäre, wenn das Ganze durch Religion zu erklären wäre: Er hätte dann, zusammen mit seinen Kollegen, den besten Grund um Stimmung zu machen. Die SVP ist ja auch die Partei die sofort gesagt hat, was dort abgehe sollte uns in keinster Weise tangieren. Dies alles ist aber völlig falsch! Es ist nicht eine Revolte der Muslimischen Welt. Es ist nicht eine Revolte die durch Religion angezettelt wurde, die daraus ihre Kraft schöpft. Einzig und alleine stehen hier menschliche, soziale und politische Aspekte im Vordergrund. Die Würde und die Menschen-Rechte. Dass die Aufstände von einem Land auf das Andere übergreiften ist einzig kulturell und geographisch zu erklären, aber keineswegs durch Religion.

Es ist ausserdem mehr als schockierend, wenn pauschal behauptet wird, aus all diesen Ländern gäbe es keine Flüchtlinge. Das ging bei Mörgeli in etwa so
Das sind ja lediglich Wirtschafts-Flüchtlinge. Die wahren Flüchtlinge, die deren Leben wirklich bedroht ist, die schaffen es gar nicht bis zu uns. Die haben nämlich Hunger, sind erschöpft, haben Kinder dabei...
Es scheint mir, als würde die SVP je länger je mehr einen Flüchtling so definieren: "Ist er nicht gestorben bevor er in Europa einen Antrag nach Asyl stellen konnte, dann ist er auch kein wahrer Flüchtling." Dazu kann ich nur sagen: 250'000 Menschen leben gerade an der Lybischen Grenze in provisorischen Flüchtlings-Lager, unter höchst präkeren Bedingungen: Sie werden dies wohl kaum aus Spass machen, weil sie auf der Suche nach Reichtum sind, oder? Und zu den Massen, die generell immer öfter aus Afrika her an den Türen der europäischen Ländern klopfen werden: Wir werden uns langsam aber sicher daran gewöhnen müssen, dass die Leute in Afrika es Leid sind zu hungern, während wir in Saus und Braus leben. Ob die Schliessung der Grenzen die richtige Lösung dagegen ist, nun... Dies ist eine politische Meinung, die es in der Demokratie zu respektieren gilt. Meine Meinung ist es aber nicht.


Ich habe wirklich ein paar Mal gedacht, ich würde bald erbrechen...
Ich dachte auch ich würde mich übergeben, als ich wieder einmal von "Gladio" hörte — "Stay Behind" die internationale Bezeichnung während dem kalten Krieg. Ich machte mir in der letzten Zeit Gedanken darüber, ob es wirklich menschlich möglich sei, dass die USA in den Attentaten von 9/11 verwickelt waren. Dabei ist inzwischen in mehreren Ländern die Verbindung zwischen Terror-Anschläge auf die zivile Bevölkerung, NATO und Secret-Services gerichtlich aufarbeitet geworden (oder man hat es zumindest versucht). Bis in die 80er Jahren (!) operierte "Stay Behind" in Europa und hat im Rahmen der "Strategy of Tension" gehandelt und gemordet. In Italien wurde bei der "Strage di Palermo" militärischer Sprengstoff benutzt, wie bei den NATO-Truppen in Einsatz. Die Bedrohung aus Russland war derart gespenstisch für die Menschen in den Macht-Zentren der USA und Europa, dass man nicht davor zurückschreckte, durch Terrorismus im eigenen Land den Volkswillen zu beeinflussen und den Konsens gegen den gemeinsamen Feind herauf zu beschwören. Feind oder Feind-Bild. Meistens das Zweite. In Italien warten Dutzende von Opfer-Familien auf Justiz, eine Justiz die nie kommen wird. Man gab sofort der Extremen-Linken die Schuld, als dann langsam raus kam, dass die Geheimdienste dahinter stecken könnten, konnte dies zuerst kaum jemand glauben. Ich meine... Wer kann schon glauben, dass der eigenen Staat die eigenen Leute umbringt, um einen vermeintlichen Feind anzuschwärzen? Das tönt natürlich nach Verschwörung-Theorie. Doch, inzwischen wissen wir einige Dinge. Wir wissen, dass die Realität oft viel grausamer und tragischer ist, als die schlimmsten Vermutungen. Und wir wissen auch, ganz konkret, dass Bush und Blair die ganze Welt angelogen hatten, als sie in den Krieg gegen Hussein zogen. Sie zogen in diesen Krieg "im Namen unserer Werte". Oder so.
Wie viele Milliarden fliessen in der Welt in die Intelligence Services? Und wie oft haben sie in Tat und Wahrheit wirklich die Sicherheit auf diesem Planeten verbessert? Wie oft ist die Welt dank der Intelligences ein besserer Ort geworden? Das wird, natürlich, für immer höchst geheim bleiben. Was alles für unsere Sicherheit gemacht wird, was alles nötig ist um uns, arme Unwissenden und Ahnungslosen, zu schützen — und zwar so, dass wir in aller Ruhe morgens zur Arbeit gehen können und gar nichts davon merken müssen — all das wird uns immer verborgen bleiben. Und ich möchte gar nicht bezweifeln, dass ein gewisser Mass an Intelligence notwendig ist, doch ich frage mich, wo der Missbrauch beginnt. Ich frage mich, wer verhindern kann, dass es zu einem "Stay Behind" kommt. Denn... Ganz ehrlich: Wie viel Intelligence-Arbeit steckte hinter der Rehabilitierung von Gheddafi auf dem internationalen Polit-Parkett? Wären diese Ressourcen, diese Menschen die versuchen gute Arbeit zu leisten, nicht besser beschäftigt, wenn sie endlich etwas gegen die Mafia machen könnten, gegen die Infiltration von Staat und Wirtschaft durch die Organisierte Kriminalität? Doch, dies ist wahrscheinlich eine andere Geschichte. Eine Geschichte, in der man wieder einmal riskieren wird, die Kapitulation erklären zu müssen.

Ich möchte noch schnell daran erinnern, dass während die verschiedenen Staaten der EU mit Libyen geschäfteten, während man Gheddafi in die Präsidenten-Paläste einlud, die CIA Gefangene nach Libyen transportieren liess, wo sie betreffend dem "gemeinsamen Feind Al Kaida" befragt wurden! Dazu war Libyen auch den Amerikanern gut genut. Im "Kampf gegen den Islam" waren Libyen und ähnliche Staaten wichtige verbündete des Westens.


Wo die Menschen zu Fuss in der Wüste unterwegs sind, wo sich alle einig darüber sind, dass das Töten ein Ende haben muss, braucht die internationale Gemeinschaft unglaublich lange, um endlich diese Flug-Verbotszone einzurichten. Denn, so sagen die Verantwortlichen, "es braucht für diese Aktion von Grund aus stabile rechtliche Grundlagen". Jetzt, wo sich die ganze Welt (ausser China und Russland — Deutschland aus vielleicht weniger verwerflichen Gründen als die ersten Zwei) einig ist, dass man die Totes-Flüge in Libyen stoppen muss — selbst die "Arabische Liga" hat sich dafür ausgesprochen — jetzt sitzen wir da und warten darauf, dass "fundierte rechtliche Grundlagen" geschaffen werden. Man lässt Gheddafi alle Zeit der Welt, um sich zu organisieren. Keiner weiss was alles ins Land gebracht wird, in diesen Wochen. Zeit und Geld um sich auf dem Schwarz-Markt zu bedienen, die hat er. Und genau so wie Söldner ins Land kommen, kommt weiss der Teufel was sonst noch alles.

Wenn nicht sehr schnell gehandelt wird, werden wir zusehen müssen, wie aus diesem Krieg eine lange, traurige und blutige Krise wird, ein Krieg der toten Zivilisten und der Intelligences im Hintergrund. Im Zeichen des moralischen Versagens, über 50 Jahre lang wieder einmal an Öl denkend, und nichts weiter.

Nehmen wir uns die Zeit, versuchen zu verstehen was es heissen könnte am Morgen aufzustehen, sich von der Familie zu verabschieden, ein Gewehr in die Hand zu nehmen und freiwillig sein Leben aufs Spiel zu setzten, nicht wissend ob man wieder zur Familie zurück kommen wird? Man tut dies, um der Familie und sich selbst ein anderes Leben zu ermöglichen, als das Eine das man bis vor wenigen Wochen noch hatte. Lieber sterben, als so zu leben. Ganz gewöhnliche Familien-Väter, junge Studenten, Hans und Heiri, Ahmed und Yussuf versuchen in Libyen, ein Land zu befreien. Es von einem Verrückten zu befreien, den Europa und USA verrückt sein liessen. Und ihn darüber hinaus noch Steinreich machten. Mir soll es recht sein, mit den rechtlichen Grundlagen. Hauptsache sie sind so dringen wie das Erschaffen von Feind-Bildern, wenn es um die Finanzierung von Armeen geht. Für einmal, für einmal könnte man eine Armee, eine Tötungs-Machinerie, für etwas sinnvolles einsetzten. Um nämlich eine andere Tötungs-Machinerie zu stoppen. Für einmal. Doch das braucht Zeit. Viel Zeit. Und in dieser Zeit wird mir schlecht...
 
 

February 27, 2011

einstimmig

 
Respekt für den einstimmigen Entscheid des UNO-Sicherheitsrats, Gheddafi und sein Clan strafrechtlich zu verfolgen. Dies gestattet etwas Hoffnung, z.B. auf eine ähnliche Reaktion bei einer vermeintlichen ähnlichen Tragödie in der Zukunft, selbst bei einem weniger verrückten. Dennoch: Es gibt immer ein erstes Mal. Respekt.
 
 

February 26, 2011

das Urteilen

 
Im Umgang mit Menschen, die ich als Freunde bezeichnen würde, habe ich immer darauf geachtet, möglichst korrektes Verhalten einzubringen. Nicht, dass ich mich damit gross beschäftigen musste oder mich anders geben als meiner Natur entsprechend. Während der Zeit eines Lebens, kommt jeder von uns wiederholt in die Situation, Entscheidungen treffen zu müssen — und sei es nur eine kleine Lüge zu erzählen oder nicht. Ich habe mich einfach besser gefühlt, wenn ich ehrlich gesprochen habe und nichts zu verbergen hatte. Irgendwann wurde mir mein Handeln bewusst, doch eher beim zurück schauen, in die Vergangenheit und auf die schon getroffenen Entscheidungen. Auf diese Weise wurde mir klar, dass ich ein extrem loyaler Freund bin. Diese meine Eigenschaft konnte wiederum auch ganz ganz einfach missbraucht werden, wenn Menschen um mir herum es auf mich abgesehen hatte. Doch dazu irgendwann demnächst, in einer anderen Geschichte.

Wir hängten wie üblich herum, eine ganze Gruppe Jugendlicher, in und um eine Bar des Dorfes. Man traf immer wieder neue Menschen, machte neue Bekanntschaften, hielt Ausschau nach Spass und dem weiblichen Geschlecht. Wie so oft, war ich der Jüngste weit und breit. Und so kam ich zum Beispiel in den Genuss von Ausflüge an den See oder in die Berge, in den Club nach Lugano oder Ascona, noch lange bevor ich das Alter für den Führerschein erreicht hatte. Bekannte aus der Schweiz und Italien nahmen mich immer wieder mit, ich gehörte zur Gruppe. Jedenfalls, kommt eines Tages ein Typ auf mich zu, der bekanntlich sehr Viel von sich hält und grosses Interesse an seinem Aussehen hat. Er sagt mir, er wolle mir etwas sagen, ich solle mit ihm nach draussen. Dort, nähert er sich mir, tut so als wolle er gerade beginnen zu reden, und lässt einen riesen Furz fahren. Dann lacht er sich halb krumm. Ich sehe ihn an, warte kurz, und frage ihn ob dies wirklich alles sei, was er von sich zu geben habe. Wir wurden irgendwie Freunde. Wir wurden sogar gute Fruende. Wenn er nicht all zu sehr mich sich selbst beschäftigt war. Und ich mit mir. Wir haben auch wirklich wunderbare Dinge zusammen erlebt. Wir haben oft zusammen gelacht. Ich habe sehr schöne Erinnerungen. Darüber später mehr.

Bis heute weiss ich nicht, weshalb er diese Art mich kennen zu lernen so derart lustig fand. Wie auch immer... Durch mein Umgang mit älteren Leute und mit Italienern, die in der Schweiz arbeiteten und ihre Freizeit verbrachten, und durch mein natürliches Interesse an etwas speziellen Menschen, habe ich mit der Zeit einige sehr sehr interessante Zeitgenossen kennenlernen dürfen. Darunter auch ein Italiener, für den ich bis heute sehr grosse Zuneigung empfinde, obwohl wir uns schon seit vielen Jahren nicht mehr getroffen haben. Dieser Freund ist auch der einzige Mensch dem ich etwas angetan habe, worüber ich wirklich nicht stolz bin und das ich als Verrat bezeichnen könnte. Bis heute schmerzt es mir, getan zu haben was ich getan habe. Ich denke, er ist sich sofort aller mildernder Umstände bewusst gewesen: Offen vorgeworfen hat er mir mein Handeln nicht. Im Gegenteil, von sich aus hat er nach Erklärungen für mein Verhalten gesucht und mit mir darüber gesprochen. Vielleicht war auch seine Einsicht dermassen Verletzend, das Fehlen von Wut. Vielleicht später einmal zu den Ereignissen. Jetzt sollte der Ausdruck reichen: "Cherchez la femme!"

Whatever... Ich möchte damit sagen, dass wenn man darauf achtet, sich korrekt zu verhalten im Umgang mit seinen Mitmenschen, dann wird einem in späteren Jahren so einiges ab Ballast erspart, das man dann entweder gut zu machen oder zu verdrängen versucht. Es geht absolut nicht darum, es jedem richtig tun zu wollen, dies wäre der komplett falsche Ansatz. Es geht viel mehr darum sich so zu verhalten, dass man später damit leben kann. Und dies im Bewusstsein, dass man sich stetig ändert, dass was heute gut war morgen vielleicht schon völlig verkehrt sein könnte. Doch es gibt Einstellungen gegenüber den Mitmenschen, die auch solches zeitlich bedingte Urteil überwinden. Und dies ist für mich auch der Beweis, dass es Werte gibt, die man irgendwie schon fast als "universal" betrachten könnte. Werte, welche die Würde des Andern respektieren. So weit, so gut. Schwieriger, viel viel schwieriger, wird diese Haltung in der Rolle des Eltern-Teils. Denn, was man auch tut, kann man es hier nur falsch machen, sozusagen. Oder richtig. Es ist einfach nicht zu vermeiden, seinen Nachkommen den eigenen "Stempel" aufzudrücken. Mit allem Positiven und Negativem das daraus folgen wird. Und dennoch: Ich bin der Überzeugung, dass die Werte, welche im Umgang mit Freunden bestand haben, genauso bei der Erziehung der eigenen Kindern ihre wertvolle Dienste erweisen würden.

Noch schnell zum ersten Kollegen, der mit Furz. Wir haben sehr viel Zeit zusammen verbracht, wir haben sehr viel zusammen erlebt. Zum Beispiel haben wir zusammen das erste Mal Heroin konsumiert — dies werde ich ein ander Mal im Detail erzählen. Doch wir sind auch zusammen in die Ferien, ohne Drogen. Wir sind zusammen Ski Fahren, ohne Drogen. Jedenfalls erzählte er mir eines Tages, dass seine italienischen Landsleute und Kollegen auf ihn eingeredet hätten, er solle sich von mir fern halten, denn ich hätte einen schlechten Einfluss auf ihn. Er erzählte mir dies, weil ihm genau bewusst war, wie dies nicht stimmte. Denn niemals habe ich ihn zu etwas gedrängt oder auch nur überreden wollten, weder er mich. Immer war es für uns überhaupt kein Problem, wenn jeder seinen eigenen Weg ging um dem nach zu gehen was ihn interessierte. Später traf man sich wieder und hatte um so mehr Freude an der gemeinsamen Zeit. Es kommt der Tag an dem mein Kollege heiratet, im Tessin wo seine Eltern leben. Dort wo auch unsere Bekannte aus jüngeren Jahren noch leben. Als Hochzeits-Geschenk habe ich ein silbernes Tablett. Zugegeben: nicht wirklich das originellste Andenken, das man auswählen kann. Es sind aber, zu meiner Verteidigung, ganz schlechte Zeiten für mich, ich befinde gerade in einem rechten Tiefpunkt. Ausserdem: Was schenkt man einem Sizilianer aus einer Pastor-Familie zur Hochzeit? Ist nicht einfach, das könnt ihr mir glauben. Wie auch immer... Das erste Kommentar aus den Reihen der Bekannten im Tessin tönt in aller Lautstärke über den Köpfen aller Anwesenden: "Und das Koks? Hast du das auch mitgeliefert?" Es war ein peinlicher Moment. Vor allem, weil den frisch Vermählten und mir absolut klar war, wie absurd diese Frage war: Niemals habe ich auch nur einen halben Gramm Kokain diesem Freund zukommen lassen. Weder Koks noch sonst was. Wenn wir konsumierten, tat das jeder von uns weil ihm danach war. Und Tatsache ist, dass wir bis heute guten Kontakt haben; obwohl er seit Jahren nichts mehr mit Drogen zu tun hat, ein vorbildlicher Ehemann und Vater ist, seinem gefundenen Glauben folgt. Dennoch hat er mir nichts vorzuwerfen, selbst wenn ich bis heute nicht von den Drogen loskommen konnte. Selbst wenn ich durch die Psychiatrie fast drauf gegangen wäre — eine ganz neue Dimension und Qualität der Ereignisse, in unseren Leben. Doch die Urteile, die sich Menschen über andere machen, können noch so entfernt von der Realität sein: Wer daran glauben möchte, der wird auch daran glauben. Ich habe mir verkniffen, den Typen der diesen respektlosen Spruch klopfte zu fragen, was er als Geschenk auf das Grab seines Opfers brachte, damals, als er bei einem Autounfall einen Menschen tötete, der völlig ohne Schuld das Pech hatte, auf der Gegenfahrbahn zu fahren, als er mit seinem Renault 5 Turbo protzen musste. Was für ein bescheuertes Auto, by the way, wenn man nicht zufällig auch Rally-Fahrer ist!

Ich kann mich so gut daran erinnern, als ich einmal in der Valle di Muggio in Tränen ausbrach. Der einzige Mensch der mich an diesem Abend auf die Seite nahm und tröstende Worte sprach, war ein Kollege der kurz vor seinem Tod an Aids stand. Dieser Typ nahm sich Zeit und sprach zu mir, obwohl er derjenige war, der am wenigsten Zeit von allen hatte. Und dies wusste. Darüber ein ander Mal mehr.


Wenn ich an diese zwei Bekannte denke, der in Muggio und der mit dem Spruch an der Hochzeit, stellt sich für mich die Frage, wonach man überhaupt beginnen könnte, Menschen zu beurteilen... Die einzige für mich mögliche Antwort: Mit dem Herzen. Ich kann damit leben, wie ich meine Mitmenschen behandelt und betitelt habe. Und die Welt ist, unter anderem auch deswegen so schön, weil sie vielfältig ist. Wie ihre Menschen.