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July 08, 2012

Higgs-Teilchen & Umwelt

 
Ich habe sehr wohl über die Definition "Gottes Teilchen" gelästert, freue mich aber dennoch sehr über den geglückten Nachweis des Higgs-Teilchen. Ich fand es so ergreifend, Herrn Higgs zu Tränen gerührt zu sehen, dies noch zu Lebzeiten erleben zu dürfen. Ein weiteres wichtiges Puzzle-Teil kommt nun zu dem inzwischen unglaublichen Ausmass unseres Wissens über das Stoffliche im Universum. Ein Universum, dessen grundsätzliche Deutung uns heute offensichtlich noch gleich viele Schwierigkeiten wie vor einige Hundert Jahre bereitet — andere, neue Schwierigkeiten, dennoch gleich viele wie damals und in gleich breiter Spannweite.

So wundere ich mich schon reichlich, wenn ich einen emeritierten Professor und Nobel-Preisträger in der Sternstunde sagen höre, die Angst vor Gen-Technischer Manipulation habe in der Schweiz schon militante Züge und basiere lediglich auf Angst-Macherei. In den letzten Jahren haben wir vielen Fällen erlebt, wie die Arbeit einiger früheren Nobel-Preisträger inzwischen revidiert werden musste und sich teils als irrtümlich herausstellte — besonders im Bereich der Wirtschaft fallen zur Zeit die Ikonen zu Haufen, doch selbst beim Friedens-Preis von Obama mussten wir mitansehen, wie er den Vorschusslorberen nicht gerecht werden konnte. Aber wie auch immer... Dieser Professor vertrat die Ansicht, dass die Natur so unglaublich viel stärker ist als sich der Mensch je vorstellen könnte und dass genau diese Natur täglich die unterschiedlichsten Genen vermische und genau so funktionieren würde (try and error). Er meinte, die Natur werde auf jeden Fall die menschliche Rasse überleben und gerade diese menschliche Rasse solle sich keinesfalls einbilden, sie könne ernsthaft die Natur in ihren Grundsätzen erschüttern. Er meinte, was der Mensch je durch seine Eingriffe beeinflussen könne sei von der Natur schon unzählige Male in ähnlichen Varianten durchgespielt worden. Egal was der Mensch an dem genetischen Material herumdoktern würde, es sei für den Verlauf der Evolution nach Darwin absolut irrelevant. Seit Jahrtausenden würde der Mensch mit der Genetik von Pflanzen und Tieren spielen, denn Kreuzung und Züchtung seien genau nichts als Eingriffe in das Genom der betroffenen Arten. So etwas sagt also ein international beachteter Vertreter der Wissenschaften, einer dieser Herren auf die die Mächtigen dieser Welt hören.

Ich bin sowas von einverstanden mit dem Herr Professor wenn es darum geht, dass die Natur uns bestimmt überleben wird: Natürlich ist sie stärker als die menschliche Rasse. Die Frage ist aber, wie wir untergehen werden. Denn, was das Spielen mit der Genetik betrifft und deren Freisetzung in der Umwelt möchte ich ein Beispiel bringen: Die Killer-Biene. Dieses (wie der Name schon sagt) für den Menschen gefährlich Insekt wurde nicht von der Natur hervorgebracht, sondern erst durch das Kreuzen verschiedener Bienen-Arten durch den Menschen erschaffen. Erst die Kreuzung zweier Bienen-Arten aus verschiedenen Kontinenten (wie sie die Natur niemals erschafft hätte) beglückte uns mit diesem tödlichen Geschenk. Und wir reden hier von konventioneller Kreuzung! Was kann also beim direkten Eingriff in das Genom (als sei es ein Lego-Baukasten) erst alles schief gehen?

Ich bin nicht grundsätzlich gegen Genetik-Experimente: Natürlich ist es genial wenn es die Forscher schaffen, Tumor-Zellen leuchten zu lassen um dem Chirurgen eine viele genauere Entfernung zu erlauben. Meiner Meinung nach aber (und Gott sei Dank denken zur Zeit die meisten Europäer noch so) sollten wir wirklich extrem aufpassen mit dem, was wir in der Umwelt freisetzen. Wenn die selben Forscher die an der Lumineszenz von Zellen arbeiten der Meinung sind, man könnte die Blätter von Bäumen leuchten lassen und damit ganze Alleen beleuchten und deren "künstliche" Beleuchtung so überflüssig machen, dann bekomme ich langsam wirklich Angst, ja... Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge, wie Monsanto in den Markt der Glühlampem vorpreschen wird — was zwar irgendwie Sinn machen würde, ist dieser Markt doch die historische Geburtsstätte der Obsoleszenz und hat Monsanto es geschafft die Obsoleszenz in der Natur eingeführt. Offensichtlich verführt eine solche Entdeckung zu solchen Gedankenspiele, doch... Wie soll ich es sagen?

Ich meine: Heute sind ja sehr viele Wissenschaftler der Meinung, das Leben auf Erden sei das absolut zufällige Resultat einer langen langen Reihe von Ereignissen. Sie meinen, aus dem reinen Chaos sei aus purem Zufall das Entstanden, was wir gerade erleben. Und natürlich kommt man mit einer solchen Weltanschauung zu wahrscheinlich den unwahrscheinlichsten Schlussfolgerungen. Ich vertrete die heute nicht so verbreitete Meinung, unser Kosmos und unser Leben seien nicht wirklich aus so etwas wie Chaos entstanden. Ich meine: Man schaue sich mal um in was für einer Welt wir leben dürfen, unter welchem Himmel wir schlafen dürfen und mit was für eine Natur wir diese Welt teilen dürfen: Kann dies alles wirklich aus dem puren Chaos entstanden sein? Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus Chaos das Leben auf unserer Welt entsteht? Wie gross ist schon nur die Wahrscheinlichkeit, dass ein Planet wie unser einen Mond hat (der gleich gross am Himmel erscheint wie die Sonne!) und der ausgerechnet die am meisten Licht-Reflektierenden Farbe aufweist? Aber dies ist nur ein lustiger Gedanke. Viel wichtiger ist: Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Natur (in all ihrer relativen Härte) so viel Raum für die menschliche Rasse lässt?

Ich möchte keinesfalls behaupten, dass unsere Welt oder das Universum von Gott so gestaltet und gewollt sind. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass als Resultat von einem vermeintlichen "Chaos" die Erde doch ein recht angenehmer Ort zum leben ist. Obwohl das Leben so wie wir es kennen oft nach dem Prinzip von fressen und gefressen werden funktioniert, ist doch ein eigentlich sehr hohes Mass an Frieden vorhanden. Und dann ist noch die Liebe: Die Art von Liebe, die über die Eltern-Liebe hinaus geht, die Menschen-Liebe zum Beispiel. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass sowas aus dem Chaos entsteht? Oder soll dies für die Evolution nützlich sein und nur deswegen funktioniert unser Gehirn auf diese Weise? Aus welch faszinierendem Chaos doch Leben und Evolution entstanden sein müssen! Mit farbigen Blumen die unser Herz beklücken. Oder Sonnen-Untergänge am Strand, die in praktisch jedem Menschen auf Erden eine nicht erklärbare Sehnsucht erwecken. Welch wundervolles Chaos das Universum doch sein muss!


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Was der Mensch beim Anhören von Musik zu empfinden in der Lage ist, das soll aus purem Chaos entstanden sein?
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Ich bin davon überzeugt: Das Chaos ist nicht dort draussen sondern viel mehr in unseren Köpfen, in unserem Geist. Der Mensch durfte sich weiter-entwickeln und sich ein Bild seiner Selbst und seiner Umwelt machen, er durfte sich plötzlich der Schöpfung erfreuen, dafür musste er aber einen Preis zahlen — den Preis der Verantwortung! Und dieser evolutionäre Schritt überfordert uns zur Zeit noch. Und nicht wenig. Wir kommen nicht klar, mit dem "Chaos" der in unserem Gehirn herrscht. Das komplexeste uns bekannte Gebilde im ganzen Universum!



Autor unbekannt




Gerade habe ich einen Beitrag über eine neuartige Plage gesehen: Tausendfüssler vermehren sich an bestimmten Orten in Europa in noch nie gesehenem Ausmass und niemand schafft es (weder mit Chemie noch mit sonst irgendwelchen Mitteln) Herr der Lage zu werden. Ein Frau putzt während mehreren Wochen im Jahr um die 2 Kilos der Insekten von der Fassade ihres Einfamilien-Haus, seit nun mehreren Jahren, Tag für Tag! Wenn Leben und Natur aus purem Chaos entstanden wären, wie gross wäre die Wahrscheinlichkeit, dass Insekten uns eine derartige Verbreitung unserer Rasse erlauben würden? Die Heuschrecken-Plagen sind die Ausnahme und nicht die Regel — sie könnten aber die Regel sein! Und schon wäre die Welt nicht die Selbe! Doch wir haben irgendwie das Glück, Heuschrecken für biblische Boten des Untergangs halten zu dürfen, anstatt dass sie die Herrschende Art auf Erden sind.



Der genannte Professor (dessen Name ich nicht mehr weiss) ist aber noch harmlos im Vergleich zu einem gewissen Herrn Steve Forbes, der tatsächlich bei seiner Rede am SEF (Swiss Economic Forum) die Europäer dazu aufruft, nicht weiterhin ihr Geld mit irgendwelchen komischen CO2-Zertifikaten "aus dem Fenster zu werfen" und dieses Geld sinnvoller zu investieren: zum beispiel könnten sie beim "absolut sicheren" Gas-Fracking mitzumachen! Ich dachte ich höre nicht recht... Eines Tages in nicht allzu weiter Zukunft wird ein solcher Speech auch von der Schweizer Management-Elite hoffentlich heftig und entschieden ausgepfiffen und nicht beklatscht, wie es dieses Jahr leider noch der Fall wahr. In diesem Sinne habe ich grosses Vertrauen in die Jugend: Schlechter als wir es in den letzten 30 Jahren getan haben, können sie es ziemlich sicher nicht! Ich habe volles Vertrauen in einer nächsten Generation von Wirtschafts-Kapitänen die, in ihren Anzügen und Krawatten, einen Steve Forbes auspfeifen werden.

Hoffentlich wird ihr Pfeifen nicht zu spät kommen — dies ist meine einzige Befürchtung. Denn bis dann gibt die Welt noch gründlich Gas, um sich vollends in die Scheisse zu reiten! Kanada merkt, sie wird nicht die vereinbarten Ziele des Kyoto-Protokolls einhalten können und entscheidet sich kurzerhand dafür, anstatt die teuren Sanktionen zu bezahlen, einfach aus dem Vertrag auszusteigen! Dabei hat Angela Merkel noch kurze Zeit vor dem Beginn der Finanz-Krise gemeint, die Klima-Veränderung sei die grösste Herausforderung der Menschheit! Seit mehr als 4 Jahren hat kein Schwein in den europäischen Regierungen mehr Zeit für DIE Herausforderung: Die Banken müssen gerettet werden, das ist jetzt wirklich wichtig!

Und wenn Kanada aus dem Kyoto-Protokoll aussteigt und die USA, Russland und China über solche Probleme nur lachen können, dann kann natürlich auch Brasilien etwas lascher mit dem Regenwald umgehen, Indonesien kann die letzten Wälder der Orang-Utans verbauen und halb Afrika kann sich weiter von Bush-Meat ernähren, weil Huhn dank Nestlé und Kollegen viel zu teuer ist. Also lasst uns weiter machen mit Yellow Cake in 3. Welt-Länder (Atom-Strom ist ja so billig, wen interessiert da schon wenn die Sonne gratis ist?).


Das Higgs-Teilchen wurde gerade nachgewiesen! In den USA sind viele einflussreiche Menschen davon überzeugt, dass die Menschheit eh nur noch durch die Eroberung des Weltalls überleben kann (vorausgesetzt, die Gen-Technik hat bis dann genügend Fortschritt gemacht). Milliarden werden für die Besiedlung vermeintlicher Himmelskörper ausgegeben und fast kein Schwein denkt ernsthaft daran, die Menschheit mit Sonnen-Energie aus den Wüsten zu versorgen. Es gibt zwar auch Wissenschaftler, die Geld für durchaus sinnvolle Forschung ausgeben, selbstverständlich. Ich denke, Grundlagen-Forschung ist eh immer sinnvoll. Wenn es dann aber um die praktische Umsetzung neuer Technologien geht, da kann man sich wirklich darüber streiten. Ein positives Beispiel? Einer Gruppe Forschern ist kürzlich gelungen, Mikrowellen über eine Distanz von mehr als 90 Km auf der Erde zu senden und sie dann in Form von Gleichstrom zu empfangen. Dies war der Beweis dafür, dass elektrische Energie im Weltraum, in einer Höhe von 350 Km von der Erde, durch die Atmosphäre gesendet werden könnte, um dann am Boden als brauchbare Energie-Quelle benutzt zu werden. Die Idee wäre, einen sehr grossen Sonnenstrahlen-Kollektor oberhalb der Erdatmosphäre zu platzieren, wo die energetische Ausbäute ungemein ergiebiger wäre als am Boden. Als auch die technische Machbarkeit der benötigten Folie für das sammeln von Sonnen-Energie mit einem geostationären Satellit geliefert wurde, war die grundsätzliche Machbarkeit eines solchen Projekts bewiesen. So geschehen vor kurzer Zeit. Sensationelle Forschung: Für meinen ganz persöhnlichen Geschmack schon viel besser investiertes Geld als für die Entsendung einiger Menschen auf den Mars! Und um die Sonne in unseren Wüsten kümmern sich wirklich nur einige wenige arme Schweine...

Noch bezüglich Schweine usw.: Inzwischen wissen wir, dass wir nur durch einen reduzierten Fleisch-Konsum eine echte Chance haben werden uns in Zukunft zu ernähren. Und was tun wir? Inzwischen hat das Fraunhofer Institut herausgefunden, dass dank der Beimischung von Leinsamen im Futter von Kühe deren CO2-Ausstoss um bis zu 30% reduziert werden kann! Wird irgend ein Land ein Gesetz verabschieden, dass die Züchter zu einer solchen Massnahme verpflichten wird? Natürlich nicht! Es könnte ja die Konkurrenz-Fähigkeit schwächen, und somit der Wirtschaft schaden! Ja, es könnte das Masten um vielleicht eine ganze Woche verlängern! Undenkbar... In den USA scheint es sogar niemanden zu kümmern, dass der genetische Pool in der Landwirtschaft inzwischen auf wenige Dutzend Tiere reduziert wurde und dass man in allernächster Zukunft Tag für Tag das selbe Tier auf dem Teller serviert bekommen wird, ein geklontes Tier. Wen sollten da bitte schön irgendwelche Leinsamen interessieren?

Den Leuten des Fraunhofer Instituts verdanken wir übrigens eine ganze Menge genialer Dinge, wie zum Beispiel das MP3-Format! Das war eine gesellschaftlich extrem folgenreiche Entwicklung...

Das Higgs-Teilchen wurde gerade nachgewiesen und kurz zuvor hat Herr Forbes am SEF gesprochen! Ich denke oft daran, was uns eine jugendendliche Generation in einigen Hundert Jahre gerne fragen würde. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, wie sie Respekt für eine Entdeckung wie die des Higgs-Teilchens empfinden werden, so wie wir heute noch Respekt vor grossen Entdeckungen in der Vergangenheit haben. Ich kann mir aber auch sehr gut vorstellen, dass sie uns würden fragen wollen, wie wir eigentlich so weiter machen konnten, wo wir es doch schon viel besser wussten...
 
 

May 20, 2011

die Schweiz & das Handeln

 
Swiss Economyc Forum: rhetorisch solider Vortrag eines liberalen europäischen Wirtschafts-Minister, der Europäischer nicht sein könnte, der liberaler nicht sein könnte. Und, wie so oft, haben die Dinge 2 Seiten. Nach einigen eher sinn- und glanzlosen Worte von Schneider-Amman, sprach ein Politik von internationalen Format. Und nach der Rede von Guido Westerwelle könnte ich meinen, es gibt nichts ausser Märkte. Die ganze Welt besteht aus Märkten. Der Markt der Informations-Elektronik hat den Menschen in Nord-Afrika erst die Schuppen vor den Augen genommen, hat ihren Willen auf Demokratie und auf bessere Lebens-Chancen entfacht. Das mag nicht falsch sein, doch ist es die ganze Wahrheit? Es gefiel mir, als er in der kleinen Gesprächs-Runde nach dem Vortrag noch an die Verantwortung des Westens erinnerte, den begonnen Umbruch in Ägypten und Tunesien zu unterstützen, finanziell zu unsterstützen — das stimmt auch wieder, denn ohne Geld geht gar nichts. Doch, ausser Märkte habe ich nicht viel Gehört. Dass sich Deutschland neue Verbündete sucht, zum Beispiel im Rahmen des G4. Wobei sein Streben nach einer gewichtigeren Positionierung der Schwellenländer, Asiens sowie des Afrikanischen Kontinents im UN Sicherheitsrat durchaus zu unterstützen ist, denn die Welt ist nicht mehr die selbe wie noch vor 10 Jahren.

Ich hörte davon, wie sich der wichtigste Rohstoff Europas nicht zwischen den Füssen sondern zwischen den Schläfen befände. Besser kann man das wohl kaum formulieren. Ich hörte von Demokratisierung in verschiedenen Regionen der Welt. Sehr gut. Doch ich hörte absolut nichts davon, dass man sehr wohl unseren Wohlstand ausbauen und sichern sollte, dies aber im Respekt des Menschen und der Natur. Ich hörte kein Wort über Werte, die nicht ökonomischer Art gewesen wären. Ist das etwa zu viel verlangt, an einem Swiss Economyc Forum? Ich weiss nicht. Ich wage zu hoffen, dies sei nicht der Fall. Ich wage zu hoffen, der unmittelbar auf Westerwelle folgende Beitrag sei nicht nur als Unterhaltung gemeint gewesen. Ich wage zu hoffen, in dieser neuen Welt machen sich auch Geschäftsleute am Swiss Economyc Forum den einen oder anderen Gedanken darüber, wie man unsern Wohlstand sichern kann, ohne dabei die Welt abschmieren zu lassen. Westerwelle endete seinen Vortrag mit
[...] zähle ich auf viele Verbündete für eine Welt-Offene Politik, die sich nicht abschottet, sondern aufgeschlossen ist und die Chancen des Handelns in der Welt begreift.

Ich finde es durchaus spannend, wie das Wort "Handeln" auf Deutsch sowohl die wirtschaftliche Transaktion beschreibt, wie aber auch das Handeln ganz allgemein. Denn ein "Handelnder" kam nach Westerwelle auf die Bühne. Ein Mensch, der uns allen zeigt, was "Handeln" in der Welt bedeuten kann. Da kommt ein Bäcker und Konditor aus Hamburg auf die Bühne, Rüdiger Nehberg, und spricht davon wie er Dinge gemacht hat, die man glauben kann weil sie im Vorspann dokumentiert sind. Er spricht dann aber davon, wie durch seine eigene Initiative, durch sein Engagement, durch sein Handeln er Dinge erreichen konnte auf dieser Welt, die genau so wichtig sind wie die Märkte. Für die direkt betroffenen Menschen sind sie sogar das einzig Wichtige. Der Deutsche Bäcker bringt die Regierung Brasiliens dazu, einen Massaker an Ureinwohnern des Amazonas stoppen zu lassen. Massaker das, nota bene, durch einen Markt, durch ein Handeln verursacht wurde, nämlich der Handel mit Gold. Er spricht davon, wie er den Sufi der renommierten Universität Al Azhar von Kairo — zusammen mit vielen anderen — dazu bringt, sich offiziell und schriftlich gegen die Frauen-Beschneidung zu bekennen. Er spricht davon, wie bei solchen Projekten die Verbündeten von sich mit auf den Weg kommen. Auf Westerwelle, der die freien Märkte propagiert, welche unseren Wohlstand garantieren sollen, auf diesen Wirtschafts-Minister folgt also eine Privat-Person die uns die positiven Seite dieser globalisierten Welt zeigt: Nämlich dass ein deutscher Bäcker im Amazonas und in der undurchdringlichen Welt des Islams grundsätzliche Änderungen bewirken kann. Änderungen, die das Leben vieler Menschen retten können und werden.

Siehe auch die Webseite von TARGET, die Organisation im Kampf gegen genitaler Verstümmelung an Frauen.


Westerwelle und Schneider-Ammann wissen beide über die Schwierigkeit, in der Schweiz Verbündete für einen EU-Beitritt zu finden. Und ich denke, dies ist gut so. Ich denke, dies sollte so bleiben. Aber nicht, weil die EU unbedingt eine schlechte Sache wäre, nein. Sie hat, in meinen Augen, eine wichtige Rolle. Wie Westerwelle sagte, ist sie zuerst einmal Garant für Stabilität in diesem von unglaublichen Kriegen gezeichnetes Fleck Erde. Sie ist auch wirtschaftlich ein Gewicht auf der Wagenschale, die kein Land für sich alleine je hätte erreichen können, als Gegengewicht zu den ganz Grossen und den neuen Grossen. Ich glaube aber auch, dass die Schweiz viele Gründe hat, um das kleine Land mit vielen Sprachen und Kulturen zu bleiben, dass sie ist. Ich glaube es ist verständlich wie die Schweizer, die nicht an den kämpferischen Handlungen der Weltkriege teil hatten, sich als Spezialfall betrachten. Sie sind es in den letzten Hundert Jahren gewesen. Und sie wollen dies nicht jetzt ändern. Viele Schweizer geben ihrem Land durchaus einen Sonder-Status in der geographischen Realität Europas.

Ich bin aber auch davon überzeugt, dass die Schweiz in den Augen der Welt wieder ihre Berechtigung zum Spezialfall beweisen muss. Ich kann mir vorstellen wie Westerwelle und Tremonti, die mit neuen Mitgliedern wie Rumänien oder Estland zu haben, Staaten die also nicht grosse Affinitäten mit den Eigenen haben, ich kann mir vorstellen wie sich diese Minister fragen, weshalb nun die kleine Schweiz unbedingt den Sonder-Status raus nehmen möchte. Es stellt sich nun also die Frage, wie definiert sich dieser Sonder-Status? Natürlich, wir sind ein neutrales, souveränes Land und das Volk hat gegen einen Beitritt zur EU gestimmt. Doch dies kann doch nicht der einzige Grund sein. Auf was basierten die Schweizer ihren Entscheid? Worauf basiert eigentlich die Besonderheit der Schweiz?

Nun... Unser Wohlstand, das sollte uns allen klar sein, basierte früher auf einen Sonder-Status der Schweizer Banken. Dieser wurde eigentlich einzig als Kollateral-Effekt des kalten Krieges bis heute weitergeführt. Ein Geschenk an die Konfederierten, die der Kalte Krieg machte. Denn, ohne diesen, hätte das Bank-Geheimnis nach dem zweiten Weltkrieg keine Überlebens-Chance mehr gehabt. Früher oder später musste dies ein Ende finden und wir erleben es gerade. Wir können eigentlich von Glück sagen, dass es so lange dauerte, bis es nicht mehr ging.

Heute bringt uns die globalisierte Welt neuen Wohlstand. Vor allem der Steuer-Wettbewerb. Auch gut. Solange es geht. Auf die moralischen Aspekte möchte ich jetzt nicht eingehen (auch weil unter den vielen Kritikern im Ausland durchaus auch Neider zu finden sind) denn es ist eine Tatsache, dass wir heute sehr viele internationale Unternehmen ins Land gelockt haben und es ist eine Tatsache, dass dies auch sehr viele gute Seiten hat. Beginnend beim Know-How über die Finanzierung der Sozial-Werke, bis hin zu Steuer-Einnahmen. Dieser Wohlstand gibt uns aber noch nicht die Legitimierung zu einem Sonder-Status, in den Augen der EU. Ganz im Gegenteil: Natürlich schauen andere Länder mit Neid und Wut auf uns und möchten uns am Liebsten jeden Spielraum nehmen, den wir gegenüber den Rest der EU haben. Doch, auch im historischen Kontext gesehen und für unser Eigen-Bild sollten wir doch einen besseren Grund haben, den Sonder-Status zu beanspruchen.

Es gab Zeiten, da wurde in der Schweiz so was wie das IKRK gegründet. Oder es wurden die Grundsteine für Institutionen geschaffen, die für mehr Recht und Ordnung, für die Achtung der Menschen-Rechte auf der ganzen Welt standen. Es gab Zeiten, da hatte die Schweiz nicht nur das Bank-Geheimnis oder Steuer-Paradiese, sondern auch die Legitimation zu einem Sonder-Status in den Augen der ganzen Welt. Und wenn es stimmt, dass auf dem europäischen der einzige Rohstoff zwischen den Schläfen zu finden ist, dann wäre es vielleicht an der Zeit, an einer Legitimation unseren schönen Schweiz zu arbeiten. In einer Welt, in der ein deutscher Bäcker brasilianische Ureinwohner rettet, gibt es für uns bestimmt noch eine ganze Menge zu tun. In einer Zeit, in der deutsche Discounter Kleider-Stücke für wenige Cents in Bangladesh bestellt werden, wo sie Arbeiterinnen produzieren die höchstens 5 Jahre lang ihre miserablen Arbeits-Bedingungen durchhalten können, in dieser Welt gibt es bestimmt etwas für die Schweiz zu tun.

Wir haben viele gute Produkte und sehr viel Know-How. Wir sind auf dem globalisierten Markt konkurrenzfähig. Kann es sein, dass wir einzig den Aufschwung feiern und unseren Wohlstand sichern möchten? Die Welt benötigt dringendst Lösungen in Sachen Energie, sie benötigt Technologie und Know-How, sie benötigt Entwicklung und Kapital, um neue Wege gehen zu können. Sie benötigt aber auch Märkte, die nicht nur die Wirtschaft sichern, sondern auch das Leben der Menschen. Der Handels-Bedarf ist gross und alles deutet darauf hin, dass er noch steigen wird. Es ist an uns, zu entscheiden, welche Art des Handelns wir für die Schweiz möchten.

Zwischen EU-Beitritt und Abschottung gibt es noch eine ganze Palette anderer Möglichkeiten. Lassen wir uns nicht darauf ein, sie auf einzig diese zwei zu reduzieren.