December 04, 2009

do the right thing

Es ist vielleicht 10 bis 15 Jahre seit ein Bekannter von seiner grossartigen Idee schwärmte: Seine Kindheit verbrachte er in Restaurants, Pizzerias, Tankstellen, Dancings usw., von den Eltern geführt und mit etwa 12 Jahren war er der grosse Star im Dorf, hatte ihm sein Vater beim Cirkus der keine 100 Metern von seiner Tankstelle aufgebaut wurde ein Mini-Motorrad gekauft, mit dem auf dem Parplatz vor der Pizzeria herumkurfte — diese kleine 2.rädrigen Lärmschleudern kamen gerade vor kurzem wieder gross in Mode.

Jedenfalls sagte mir der Bekannte, als man sich wieder einmal traf
Du, in einer vegetarischen Familie aufgewachsen, musst das ja genial finden! Ich stelle mir vor, eine internationale Kette ins Leben zu rufen, mit gesundem Essen. Weisst du, anstatt Mac und all diesen Mist, Bio Essen das fast oder slow konsumiert werden kann. Spezialitäten aus allen Ecken der Welt, von Russland über das Mittelmeer nach Asien und Australien. Das Ganze in excellenter Qualität. Und, natürlich, eine riesen Auswahl frischer Früchte- und Gemüsesäfte dazu!

Hier in Zürich habt ihr ja das Hiltl, seit 100 Jahren. Hier gibt es bestimmt ein Gespühr für sowas. Hier gäbe es sicher Nachfrage, wenn man für das Angebot sorgen würde.



Ich erinnere mich, welch Exoten wir gewesen sind, im Tessin von vor 30 Jahren. Vegetarier dessen Kinder nicht in den Religionsunterricht gingen! Oft hatten mich Kollegen gefragt, was wir denn überhaupt essen würden: Man konnte sich eine Ernährung ohne Fleisch gar nicht vorstellen. Blieben doch nur noch Reis, Teigwaren und Brot übrig.

Der Kollege jedenfalls, in einer völlig "unexotischen" Familie aufgewachsen, schön bürgerlich und gewöhnlich, hatte diese wirklich super Idee. Bei einigen anderen Freunde von mir konnte ich beobachten wie sie sich, entgegen jeder Gewohnheit und jeglichem Interesse in der Familie oder im Bekannteskreis, für eine andere und gesundere Form von Ernährung interessierten. Einer begann Vollkornbrot und -Teigwaren zu essen. Die Eltern verspotteten ihn, haben man sich doch erst nach dem Krieg endlich Weissbrot leisten können: Wieso um alles in der Welt sollte man jetzt wieder damit anfangen, das Brot der Allerärmsten zu essen?

Ich bin davon überzeugt, dass es ein riesen Geschenk gewesen ist, die Ernährung zu Hause während meiner Kindheit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mir damit eine Gesundheit mit ins Leben gegeben wurde, die mir sehr sehr viele Probleme ersparen konnte. Inzwischen sind immer mehr Wissenschaftler - und sonst auch immer mehr Menschen - davon überzeugt, dass die Ernährung in den ersten Jahren im Leben eines Babys grosse Auswirkungen für seine Gesundheit wärhend dem Rest seines Lebens haben wird. Davon bin ich auch völlig überzeugt, inzwischen. Und bin, somit, meinen Eltern höchst dankbar für dieses Geschenk.

Ich habe einige Geschichten erlebt, die mir dies bestätigten. Und immer wieder sehe ich Menschen, die ein ungesundes Leben führen und grösste gesundheitliche Komplikationen erleben müssen. Immer wieder denke ich daran, dass viele Bekannte nicht die hälfte der Gesundheitssünden gebangen hatten, die ich mir leistete, und wo ich noch einigermassen an einem Stück bin, sind einige davon leider auf der Strecke geblieben. Ich habe bei Leibe kein gesundes Leben geführt und habe niemals meinen Körper wie einen Tempel gepflegt: Dass mein Körper noch ziemlich alles mitmachen kann, ist bestimmt grösstenteils nicht mein Verdienst.



Mein Kollege wusste damals genau, dass seine Idee gut war und dass sie erfolgreich hätte umgesetzt werden können. Bald darauf hörte ich zum Beispiel von Tibits. Kürzlich las ich, wie ein Sterne-Koch auf gesunde Kost setze, bei seinem neuen Lokal in Zürich. Der Kollege hatte schon immer ein Näschen für Geschäfte gehabt, sowie die Abenteuerlust um gewisse seiner verrückten Ideen nach zu gehen. Die Eltern waren auch immer für Business zu haben und unterstützen ihn dabei ziemlich bedingungslos, solang die Geschäfte erfolsversprechend waren.

Leider leider hatte er niemals die Geduld ein solches Projekt in die Tat umzusetzen. Die Familie war schon seit einiger Zeit in der Gegend dafür bekannt, "verbrannte Erde" hinter sich zu lassen. Man suchte eine Geschäftsmöglichkeit, nützte diese so gut und konsequent wie möglich aus, und dann ging man weiter zum nächsten Geschäft.

So kam es auch, dass dieser Bekannte, mit dem ich einige Zeit wärhend meiner Jugend im Tessin verbracht hatte, seine Energien nie dafür einsetzen sollte, gesunde Kost unter die Menschen dieser Erde zu bringen. Kam er doch immer wieder mit mal mehr und mal weniger dubiosen Deals in Berührung und ging er dort anscheinend völlig auf. Einmal waren es die Zigaretten, die Wagonweise von dort zu hier gekarrt wurden, einmal ein paar Hanfläden mit grosszügiger Gewinnausschüttung, dann wieder das Extrahieren von Rohdiamanten in Uganda oder Angola - weiss nicht mehr genau - oder dann das Geschäft mit dem nächtlichen Hunger nach Sex, von Ost-Europäischen Frauen gestillt.

Ich war immer wieder fasziniert von seinen Tätigkeiten, die aber von Mal zu Mal weniger vertretbar wurden, in meiner Wertenwelt. Auch, erzählte er niemals von den hässlichen Seiten der Realität seiner Geschäfte. Immer war nur die Rede von den aufregenden Reisen, den Begegnungen, den Abenteuer in fernen und teils wilden Ländern. Er erzählte von Bodyguards-Eskorten die ihn durch Russland begleiten mussten, wäre es ohne ziemlich schnell als Himmelfahrts-Ausflug definiert worde. Er erzählte von den Diamantenhändlern in Den Haag. Als es dann eben um Diamanten ging und ich mich nach den moralischen Aspekten des Rohdiamanten-Abbaus in Afrika erkundigte erzählte er von Abkommen mit der Regierung, wonach der Europäer Arbeitsplätze für Einheimische kreieren musste und im Gegenzug die staatliche Erlaubnis zum Diamanten-Abbau erhielte. Gefährlicher Job irgendwo völlig aus der Welt getrennt, im Dschungel, ohne Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten, bewaffnet und wieder mit Eskorte. Dafür, hatte er eine Farm aus dem Boden gestampft und die Infrastruktur und die Maschinen für den Anbau von landwirtschaftlichen Produkte ins Land geschafft. Sein Kommentar dazu?
Ich weiss gar nicht weshalb wir dies gemacht haben, schlussendlich. Und inzwischen weiss ich auch, weshalb sich dieser Kontinent in dieser desolaten Lage befindet. Wir haben doch wirklich alles drum und dran organisiert und zu Verfügung gestellt, damit die Einheimischen einen Job haben würden und sich davon ernähren könnten. Sich und ihre Landsleute. Glaubst du, irgend einer, habe Lust gehabt, sich bei der Arbeit zu zeigen? Glaubts du, irgendwer hätte den Arsch gehoben und etwas gegen seine Situation unternehmen wollen? Wir haben es nicht geschafft, den Betrieb aufrecht zu erhalten!

Spätestens jetzt wusste ich, dieser Typ mit dem ich Teil meiner Jugend verbracht hatte und der nun Diamanten aus Afrika holte, hat sich dermassen verändert, dass er in einem Parallel-Universum lebt.



Leider ist dieses Universum von sehr viel anderen Menschen bewohnt, neben meinem Kollegen. Sehr viele Menschen, die dafür sorgen dass Business im Iraq nach dem Krieg wieder angekurbelt wird, dass keine 12 Monate nach dem Börsen-Crash der Dow Jones wieder die Zehntausender-Marke überschreitet, dass in die neuen Energien nicht all zu viel investiert wird auf dass sie ja nicht die herkömmlichen "Lobby"-Energien zu schnell ersetzen können, die darauf achten dass Arbeitsplätze in der schweizerischen Waffen-Industrie nicht verloren gehen... Es gibt so unglaublich viele Menschen, in diesem Universum meines Kollegen.

Oder bin es vielleicht ich, der in einem Parallel-Universum lebt?