December 18, 2011

4. Advent des Protests

 
In Ägypten fühlen sich viele Menschen um ihre Revolution betrogen und gehen wieder auf die Strasse. Das Militär nennt diese Protestierenden nun aber "Anti-Revolutionäre"! Man könnte es fast lustig finden, wenn es nicht so tragisch wäre. Dies zeigt aber wie sich die Zeiten am ändern sind: Es wird immer schwieriger, den Leuten irgendwelchen Schwachsinn unterzujubeln! Und das ist gut so! Das Regieren mit Peitsche und Zuckerbrot, das Reformieren mit Augenwischerei werden schwieriger. Die Menschen verlangen von den Machthabern, dass sie Verantwortung übernehmen oder den Platz räumen. Für diese Forderung sind viele gestorben. Andere sterben noch heute, zum Beispiel in Syrien. Viele Menschen ohne Gesicht, ohne Geschichte, ohne Bemerkung. Und doch haben sie zusammen die Bemerkung der ganzen Welt bekommen.

Das Time Magazine hat "The Protester" als Person des Jahres 2011 gewählt: Eine Geste der Anerkennung für all die Namenslosen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben und immer noch setzten, um diese unsere und Gottes Welt auch nur ein wenig besser zu machen. Als Vorlage für das Cover-Bild diente das Photo einer jungen Frau, die sich an eine der vielen Aktionen und Ausschreitungen rund um den Arabischen Frühling beteiligte. Frauen haben eine mehr als wichtige und teils zentrale Rolle gespielt: In verschiedene Länder ist es erst die Beteiligung der ersten Frauen gewesen, die es möglich machte einen immer grösseren Teil der Bevölkerung in den Protest einzubinden. Frauen haben sich während den Kämpfen um die Verpflegung der Aufständigen gekümmert, sie haben ihre nächsten Lieben motiviert und ermutigt.


Time Magazine Cover with "The Protester"


Aber nicht nur die Protestierenden des arabischen Frühlings sind gemeint. Auch die der Occupy Bewegung, der 99%, der Castor-Transporte, der Atom-Energie, usw. Ja, auch die Demonstranten gegen das WTO Treffen in Seattle, im Jahre 1999, werden mit dem Cover vom Time geehrt: Die Vorgänger, sozusagen, der Occupy und der 99% Bewegungen.

Protests in Seattle on November 1999


Leider muss man fairerweise sagen, dass es Menschen gibt die seit Jahren protestieren und kämpfen und nicht wirklich grosse Erfolge zu verzeichnen haben. Möge es zum Beispiel für die Tibetische Gemeinde ein Zeichen der Hoffnung sein, wenn es in anderen Ländern durch Proteste gelingt kleine Ziele zu erreichen.


Während viele Menschen auf der Welt aus ganz unterschiedlichen Gründen auf die Strasse gehen um ihre Wut zu demonstrieren, gibt es andere die schon seit Jahren als Einzelne oder mit kleinen Teams aktiv protestieren, die sich wehren, die sich exponieren und ihr Leben in Gefahr bringen. War da zum Beispiel nicht einmal ein gewisser Assange? Der hat genügend damit zu tun, sich vor der CIA zu schützen und aus Guantànamo zu halten, als dass er noch irgendwelchen Protest machen könnte.

Time Magazine Cover with Julian Assange


Oder war da nicht Ai Weiwei, der nach seiner Freilassung erschreckend still war? Wie lange musste er wohl Spenden-Gelder zählen, wo er doch plötzlich dem Staate China 1 Mio. Euro schuldete um überhaupt Berufung gegen finanzialle Forderungen einlegen zu dürfen? Zum Glück ist Ai Weiwei einer dieser Geister, die man nur schwer zum schweigen bringt. So war es die grösste Freude ihn wieder singen zu hören, auf seine ganz eigene Art. Nebst der grossen Kunst die er produziert, macht dieser Künstler die eigene Person zu Kunst.



Ai Weiwei ein Mal mehr auf Messer's Schneide: Er singt ein eigentlich harmloses Lied, dass veschlüsselt und dennoch klar verständlich schwer provoziert. Ai Weiwei at his best...


Ai Weiwei sings for his supporters





So wird das Jahr 2011 als das Jahr der Protestierenden in die Bücher gehen, in welcher Form sie das auch immer tun. Das Jahr aller Menschen des Protests und ganz besonders der Frauen.
 
 

Starman & Milky Way

 
Mein kleiner Stern, my Milky Way,
seit wie lange bin ich nun im All unterwegs und bilde mich (als Autodidakt) zum "Rendez-Vous Astronauten" aus?

Weisst du noch wie du den Leuten sagtest "Ihr versteht ihn nicht... Er ist nicht wie andere! Ihr müsst ihn euch als Fliegendes Eichhörnchen vorstellen, als Fledermaus, als kleines tanzendes Flugzeug. Da könnt ihr nicht eure gewöhnliche Massstäbe benützen"?






Was hat man dir geantwortet?
"Hör zu: Dieser Typ ist kein Ziggy Stardust*, sondern höchstens ein Major Tom*! Verstehst du? Er ist kein Weltraum-Bummler. Er ist ein Junkie, der sich nur einbildet ins Weltall zu fliegen! Wenn es hoch kommt, fliegt er weil er von seinen Drogen high ist. Er ist keine Fledermaus: höchstens eine kleine Ratte!"

*Charaktere verschiedener Songs und Alben von David Bowie.







Mein Stern, hast du den Film "Stardust" gesehen? Es gibt diese Mauer, zwischen den zwei Welten. Was auf der einen Seite gilt, ist auf der anderen nicht mehr gültig. Deswegen können diese Typen das niemals verstehen: Sie haben keine Ahnung, von dieser Welt auf der anderen Seite der Mauer. Diese Welt, die wir irgendwie schon immer in uns gespürt haben, obwohl wir sie nie zuvor in diesem Leben besucht hatten. Sei es eine Vermutung, eine Vorahnung, oder sei es eine Erinnerung aus vielleicht früheren Zeiten, früheren Leben? Wer weiss das schon... Was im Film eine Mauer in der Landschaft ist, ist bei uns eine Mauer in den Köpfen gewisser Menschen.

Ich, jedenfalls, bilde mich weiterhin selbst aus. Was also zur Zeit übrig bleibt, nach dem Willen einiger Wahnsinnigen, ist ein Typ im All der nach einem Stern Ausschau hält. Auf dass ich dich einmal treffen werde, mein Stern, my Milky Way.



Starman  ==  David Bowie

Didn't know what time it was and the lights were low
I leaned back on my radio
Some cat was layin' down some rock 'n' roll 'lotta soul, he said
Then the loud sound did seem to fade
Came back like a slow voice on a wave of phase
That weren't no DJ that was hazy cosmic jive

(CHORUS)
There's a starman waiting in the sky
He'd like to come and meet us
But he thinks he'd blow our minds
There's a starman waiting in the sky
He's told us not to blow it
Cause he knows it's all worthwhile
He told me:
Let the children lose it
Let the children use it
Let all the children boogie

I had to phone someone so I picked on you
Hey, that's far out so you heard him too!
Switch on the TV we may pick him up on channel two
Look out your window I can see his light
If we can sparkle he may land tonight
Don't tell your poppa or he'll get us locked up in fright

CHORUS (x2)
La, la, la, la, la, la, la, la




 
 

December 14, 2011

December 13, 2011

Captain Einsicht am Werk

 
Während ich mir Gedanken mache, wann das mit der Übernahme der Demokratie durch "die Märkte" begonnen hat, gibt es natürlich Menschen die schon viel schlauere und fundiertere Dinge darüber geschrieben haben. So zum Beispiel David Graeber, der mit seinem Buch Debt 5000 Jahre zurück in die Geschichte geht und das Thema Schulden etwas distanzierter beleuchtet, als was die aktuelle Panik üblicherweise erlaubt. Schulden: die ersten 5000 Jahre ist bei Klett-Cotta erschienen. Dieses Buch soll so was wie das Manifest der 99% Bewegung sein, sozusagen ein Must für jeden Occupy Aktivisten.

Denn eine Befürchtung von mir wird immer grösser: Bei all den nötigen Massnahmen, welche Merkozy umsetzen werden, bei aller Volatilität der Märkte, bei all den schmerzlichen Korrekturen die noch auf uns zukommen, haben wir hoffentlich dennoch genügend Grips und Energien um nicht nur die Grund-Fehler der Euro-Union zu beseitigen, sondern auch der Wirtschaft allgemein. Die Fehler des Geldes und ihr Einfluss auf unsere Leben: Daran müssen wir nämlich auch noch arbeiten, wenn wir erst einmal das Gröbste überlebt haben. Unsere Aufmerksamkeit wird an jeder Ecke und in jeder Sekunde geraubt. Wir sollen ja nicht all zu viel nachdenken. Und natürlich konsumieren! Arbeiten und konsumieren. Mehr verlangt keine Regierung in Europa von uns. Wir müssen uns aber wirklich mal darüber Gedanken machen, was wir in Zukunft von den Märkten und der Demokratie verlangen möchten. Doch dies ist eine andere Geschichte, ein anderer Post den ich bald schreiben werde.

Heute möchte ich eigentlich nur 2 gute Bücher vorschlagen. Das zweite ist bei Suhrkamp erschienen und ist von Colin Crouch und trägt den schönen Titel Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus. Dieses Buch sollte meiner Meinung nach Pflicht im Kindergarten werden. Der Autor beschuldigt nämlich nicht ein virtuelles neo-liberales System oder Denken, er meint wir alle seien daran schuld, wenn zum Beispiel die Finanzkrise 2008 nicht nur nicht das System zum Untergang brachte sondern dieses sogar noch gestärkt aus der ganzen Sache kam. Dieser Ansatz gefällt mir, ist Einsicht doch der erste Schritt zur Besserung und Captain Einsicht der zur Zeit meist beschäftigte Comic-Held. Nach dem ersten Schritt aber, steht noch der ganze lange Weg vor uns, den wir zu gehen haben.
 
 

den letzten Satz aushalten

 
Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, was mich Lady Marmelade gefragt hatte, als ich ihr von einem Nervenzusammenbruch erzählte, viele viele Jahre zuvor, mit etwas mehr als 20, am Esstisch, mit Freundin und Freunden, völlig unerwartet, von jetzt auf plötzlich... Sie hatte mich gefragt, ob das Ganze zu schön gewesen war um es aushalten zu können. Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, denn auf diese Weise hatte ich es noch nie betrachtet. Es wäre irgendwie tief beunruhigend, wenn irgendwas in dir es dir verunmöglichen würde, Dinge ab einem gewissen Grad an Schönheit und Erhabenheit aushalten und empfinden zu können. Ich wäre irgendwie beunruhigt, wenn ich zu der Schlussfolgerung käme, nur einen maximalen Punkt an Freude empfinden zu dürfen — wo bliebe dann noch Raum für Ekstase? Ich möchte kein Leben ohne die Möglichkeit der Exstase! Inzwischen habe ich eine Antwort gefunden. Und wenn ich eine Antwort gefunden habe, ist es bestimmt nicht einer Lady Marmelade zu verdanken. Und noch viel weniger einer Frau Maier. Doch dies ist eine andere Geschichte.

Zu dieser Zeit fühlte sich nichts als "mein" an. Ich war nicht mein, meine Gefühle waren nicht mein, mein Leben war nicht wirklich mein. Damit lebte ich schon seit einiger Zeit, irgendwie. Es liess sich damit leben, mehr schlecht als recht, aber es ging. Was das Fass zum überlaufen brachte, war sehr wohl eine Art von "zu viel des Guten", doch was ich nicht aushalten konnte war nicht die Menge oder die Qualität des Guten, sondern viel mehr dass all dies viel zu gut war um es zu erleben und es aber dennoch nicht wirklich zu empfinden. Ich wurde mit all dieser Fülle vom Leben beschenkt doch es fühlte sich nicht als mein Leben an. Ich realisierte, welche Fülle mich umgab, aber weshalb fühlte es sich nicht so an? Welche Tragik birgt sich hinter der vielleicht unbewussten Erkenntnis, reich beschenkt zu werden und nichts aus diesem Geschenk machen zu können? Mein Herz wurde aus Stein. Doch damals war ich weit davon entfernt, dies alles mit der Klarheit von heute zu verstehen. Nicht die Güte war für mich nicht auszuhalten, sondern dessen Verschwendung.

Inzwischen merke ich auch, dass ich nicht nur "für den Papierkorb" erlebt hatte, dass nicht alles für immer verloren sein sollte: Heute weiss ich wie Lichtstrahlen aus diesen Tagen mich bis heute begleiten. Und jetzt wo ich endlich dieses schwarze Loch, diese Angst alles schöne in meinem Leben kaputt machen zu müssen hinter mir lassen kann, fühle ich mich befreit.

Heute weiss ich: Solange ich dafür sorge, dass es mein Leben und mein Film sind, die ich erlebe, werde ich auch die aller schönsten Szenen aushalten können. Vielleicht gibt es keine Happy-Ends im Leben, vielleicht ist jedes Happy-End nur das Ende einer Episode die immer eine Fortsetzung finden wird, eine Fortsetzung von der wir nicht wissen können wie sie uns gefallen wird. Vielleicht auch deshalb bin ich um so mehr für all das Gute und Schöne in meinem Leben bereit. Ich freue mich darauf in der Gewissheit, es wird mich nicht zerreissen. Ja, ich freue mich inzwischen auf den letzten Satz einer jeden Episode.
 
 

December 11, 2011

3. Advent in Bern

 
Ich kann mir mein Elternhaus nicht ohne NZZ, Weltwoche, Geo und andere Zeitungen und Zeitschriften vorstellen. Bei meinem Grossvater gab es u.a. die Süddeutsche Zeitung. Täglich brachte der Pöstler die Zeitung und, nach dem Mittagessen, las mein Vater darin. Am Wochenende wurde dann noch gelesen, wozu die Zeit nicht gereicht hatte. Ausserdem wurden Zeitungs-Artikel ausgeschnitten und zwischen den Haushalten ausgetauscht. Meine Eltern, am Tisch sitzend vor je einer riesigen Zeitung: dieses Bild gehört untrennbar zu meiner Kindheit. Dann waren noch die Sachbücher meines Vaters, er konnte über so viele Dinge Bescheid geben. Wann immer eine technische Frage auftauchte, über die Funktionsweise einer Maschine oder über eine Technologie, wurde er gefragt und meistens gab es auf der Stelle eine umfassende Erklärung. Wenn nicht, hätte er es spätestens am Sonntag Abend gewusst. Auch in der Schweizer Geografie schien er sich so gut auszukennen wie in der eigenen Hosentasche: Kein Pass in diesem Land den er nicht als Jugendlicher mit dem Velo bezwungen hätte, kein Gipfel oder See den er auf Wanderungen nicht hätte benennen können.

Ich selbst habe immer wieder in der NZZ gelesen. Es war spannend und erleuchtend, Hintergründe und Zusammenhänge über aktuellen Themen zu erfahren. Heute noch glaube ich an die Wichtigkeit einer gut recherchierten und unabhängigen journalistischen Tätigkeit und bin der Meinung, dass ohne fundierte Informationen keine fundierte Debatte führen lässt — Debatte, die in der Demokratie eines der grundlegenden Elementen für Gerechtigkeit und Anpassungs-Fähigkeit ist.

Doch irgendwie ist all die aus einer NZZ gewonnenen Information oftmals ohne Pointe geblieben, ohne gefühlsmässige Erinnerung. Natürlich bringt die ernsthafte Erkundung der Komplexität unserer heutigen Welt zwangsläufig dazu, dass man immer zu mehr Fragen als Antworten gelangen wird, aber dennoch fehlte mir immer die im alltäglichen Leben umsetzbare Schlussfolgerung. Denn meiner Meinung nach bringt die Erforschung unserer Welt nicht viel, wenn wir daraus nicht zumindest einige Einsichten gewinnen können darüber, wie wir sie besser gestalten könnten. Darin besteht aber auch eine extrem grosse Schwierigkeit und Gefahr, eine Position einzunehmen die nicht allen gerecht wird. Guter Journalismus fällt wahrscheinlich nicht in diese Falle und beschränkt sich darauf, Fakten zu bringen und zu analysieren. Schlussfolgerungen sind schnell gezogen, die Richtigen genau so wie die Falschen. Um zu diese zu gelangen gibt es andere Formate, wie zum Beispiel Zeitpunkt.

Es gab da eine Werbe-Kampagne des Tages Anzeigers, in den 90 Jahren: Das bildfüllende Portrait eines alten, aus einem anderen Kontinent stammenden und zur dort eingeborenen Ethnie gehörenden Mannes, die Jahre tief in den Falten seines Gesichts graviert, einen sichereren und würdigen Blick in die Ferne, ein grosses Loch im Ohrläppchen und als Schmuckstück darin eine leere Alu-Dose mit der noch perfekt lesbaren Etikette "Pineapple Slices" und unter dem Bild gross geschrieben die Frage
MEHR KULTUR?

Für mich ist das bis heute die vielleicht beste Analyse und Synthese, die Verdichtung aller Aspekte der sich damals globalisierenden Welt in ein einziges Bild. Kultur ist Information, Kultur ist Kunst, Kultur ist Zivilisation. Kultur ist NZZ, Kultur ist Opernhaus, Kultur ist WTO (hat übrigens noch jemand etwas von der WTO gehört? Nicht wirklich, oder? Zu demokratisch, dieser Ansatz, für die neue Art zu wirtschaften? Dies ist aber eine andere Geschichte und ein anderer Post). Und Kultur ist die Zusammenhänge zwischen diesen Dingen zu erkennen! Kultur ist vielleicht eine subventionierte Bühne für eine Elite, ganz sicher aber die Gesänge dieses Mannes und seiner Mitmenschen, abends um das Feuer, bei Heiraten und Trauern, bei Geburten und Krankheit. Und Kultur ist diese Dose Ananas, die aus unserer Welt als Konsumgut ihr Weg in sein Ohr als Schmuck fand.

Zu beginn dieser Blogs habe ich mir Mühe gegeben, das Einschleichen von Fehlern zu vermeiden. Ich wollte ja keine falschen Angaben über Menschen machen und möglichst keine falschen Zahlen verbreiten. Ich denke, dass mit dem Menschen ist mir einigermassen gelungen, bei den Zahlen sind mir in letzter Zeit einige Fehler unter gelaufen. Doch ich erhebe nicht den Anspruch, gut recherchierte journalistische Arbeit zu leisten: Dazu habe ich zur Zeit weder die Kraft noch die Motivation. Ich kann mir die Freiheit nehmen Evolution und Soziologie, Ethnologie und Biologie durcheinander zu bringen. Journalismus darf das nicht. Aber im Gegensatz zu damals, im Elternhaus, bin ich der Meinung gibt es heute genügend Menschen die sehr gut recherchieren und es sich dennoch leisten können, die Dinge per Namen zu nennen. Heute haben wir z.B. Greenpeace, deren Arbeitsweise damals undenkbar war. Heute haben wir viele NGOs, die sich grosse Mühe geben und extrem gute Arbeit darin leisten, die von den Big Players gern verschwiegene Tatsachen zu nennen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ausserdem haben wir neue Technologien wie Internet und Smart Phones, die es jeder Art von Macht immer schwieriger machen, Fakten unter den Teppich zu kehren.

Dies ist auch eines der wenigen Gründe zur Hoffnung, die ich zur Zeit habe. Wenn es sich heute die Delegierten einer Klima-Konferenz nicht mehr trauen, ganz ohne Ergebnis zurück nach Hause zu fliegen, dann werden sie sich morgen nicht mehr trauen, Ergebnisse als pure Augenwischerei vorzulegen. Ein nicht wieder umkehrbarer Prozess ist ins Rollen gekommen und wird Machtstrukturen auf der ganzen Welt dazu zwingen, ihr Verhältnis zur Allgemeinheit zu überdenken. Dies heisst aber nicht, dass es nicht neue, sich angepasste Machtstrukturen entwickeln werden. Wer weiss, was ein Putin machen wird, angesichts der sich bildenden Opposition im Lande. Vielleicht wird er noch viel repressiver und blutiger gegen sein Volk vorgehen... Tröstlich ist dann die Gewissheit, dass sich auch in diesem Falle eine immer grössere Anzahl Menschen in Europa dafür einsetzen wird, kein Geschäfte mehr mit Putin zu machen — trotz Gas-Pipeline. Machthaber auf der ganzen Welt werden immer mehr gezwungen sein, Farbe zu bekennen: Dies ist ein Anfang.

Zu realisieren, dass immer mehr Menschen über die wichtigen Informationen verfügt und daraus auch die richtigen Schlüsse zieht, ist mehr als tröstlich: Es macht Hoffnung. Über gut recherchierten Daten und die daraus resultierenden Schlüsse verfügt eine Organisation, die in den letzten Jahren immer wieder sehr gute Themen aufgebracht hat und auch sehr interessante Initiativen lanciert und unterstützt hat: EvB.

Die Erklärung von Bern verdient meiner Meinung nach einen möglichst grossen Bekanntheitsgrad und eine breite Unterstützung. Sie gehört zu den Organisationen heute, die uns eine gute Analyse und Synthese der inzwischen in Unzahl vorhandenen Informationen ermöglichen. Organisationen, die uns nicht zum Gehorsam auffordern, zur tauben Gefolgschaft, sondern viel mehr zum mitdenken und mitgestalten. Organisationen die es auf sich nehmen, unglückliche Umstände anzusprechen und diese zu ändern zu versuchen. Die sich Gedanken darüber machen, in welcher Art von Welt wir in Zukunft leben möchten und, dem entsprechend, zu handeln bereit sind.

Denn dies ist vielleicht die grosse Herausforderung des neuen Millenniums: All die im Überfluss vorhandenen Informationen zu ordnen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen um eine Welt zu gestalten, in der es sich zu leben lohnt. Diese unsere und Gottes Welt so zu bewohnen, dass sowohl wir all als auch Gott daran Freude haben können. Die Informationen dazu haben wir. Zu den notwendigen Schlüssen gelingen wir langsam aber sicher. Nun sollten wir uns auf den Weg machen, die aus den Schlüssen entstehenden Schritte zu gehen. Dieser Weg wurde noch nicht begangen in Vergangenheit, oder nur von ganz wenigen. Das heisst aber nicht, dass wir ihn nicht als Menschheit gehen könnten. Und, wer weiss, vielleicht wird dieser Pfad je länger je schöner, vielleicht finden wir so unsere wahre Kultur, wenn wir uns einmal auf den Weg gemacht haben.
 
 

December 10, 2011

Anspruch (auch auf Mehrheit?)

 
Die SVP macht es den anderen Parteien wirklich nicht leicht, ihr einen 2. Sitz im Bundesrat zuzusprechen. Selbst jetzt, wo sie ihn offensichtlich bekommen hätte. Leider möchte sie nun ihren Anspruch auf einen 2. Sitz zu einem ganz anderen Anspruch ausbauen: Sie möchte entscheiden können, wie die Mehrheit im Bundesrat auszusehen hat.

Vor 1 Jahr war die SVP (im Gegensatz zu heute) noch bereit, den FDP-Sitz frontal anzugreifen. Man kann also davon ausgehen, dass sie mit Schneider-Ammann völlig zufrieden ist. Oder so.

Anders gesagt: Heute schient die SVP ihren so fest geforderten 2. Sitz faktisch nicht zu wollen. Ausgerechnet jetzt wo man ihn ihr gegeben hätte, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sie darauf weitere 4 Jahre warten wird.
 
 

December 08, 2011

halb gedachte Ideen

 
All diese Themen, all diese halb gedachte Ideen die mich begleiten, wie viele Freunde zu denen man einmal den Kontakt verloren hat und die wie mögliche Geschichten in möglichen Zeiten unser Leben begleiten: Die Fülle der Erinnerungen und die noch grössere Fülle der Wahrscheinlichkeiten. Diese Fetzen von Gedanken liegen Brach, irgendwo notiert und im Kopf untereinander verbunden, auf der Schwelle zu uns in der Welt meiner Träume. Kraft und Lust reichen nicht aus, um das Wunder einer immer neuen Geburt zu gestatten. Wie Lachse, oben angekommen, warten sie auf die Fortsetzung ihrer Geschichte — dass sie aber nicht die Fortsetzung ihrer Geschichte sind, wird ihnen erst langsam bewusst. So gerne würde ich meine halb gedachten Ideen in unsere Welt bringen, doch... ich bin auch nur ein Mensch.
 
 

December 06, 2011

der Punkt über die Zeit

 
Lesetipp.


Zeitpunkt
Die Zeitschrift für intelligente Optimisten
und konstruktive Skeptiker.



Wenn Sie Geld für gedruckte Medien ausgeben (und die Schweizer tun dies weiterhin sehr eifrig), dann sollten Sie vielleicht versuchen Geld für etwas wirklich interessantes und sinnvolles auszugeben.

Zeitpunkt ist eines dieser Medien, die unsere Welt braucht. Doch mit so wenig Klatsch und Tratsch, ohne Kolumnen der verschiedenen gesellschaftlichen Wahne (Schönheit, Reichtum, Erfolg, usw.) lässt sich doch offensichtlich eine Zeitschrift schlechter verkaufen als andere. Und so kämpft Zeitpunkt immer wieder ums Überleben.

Und da drängt sich die Frage auf: Soll South Park wirklich die einzige Art und Weise werden, in der gewisse Wahrheiten ausgesprochen und verbreiten werden können? Ich liebe South Park, aber ohne Medien wie Zeitpunkt wäre es nur eine blödsinnige Serie. Siehe auch den hier verlinkten Post "Der Park im Süden".


Unter www.zeitpunkt.ch gibt es weitere Infos und ein Formular für die Bestellung eines Schnupperabos.





Mit Zeitpunkt kann man zu Informationen kommen, die in Zeitschriften und Zeitungen noch eher selten zu lesen sind. So leistete sie zum Beispiel einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die Geldschöpfung und das gesamte Geldsystem.


Henry Ford, einer der ganz Grossen in Sachen Fortschritt, sagte mal
Wenn die Menschen die Geldschöpfung verstehen würde, gäbe es am nächsten Tag eine Revolution.
Nun verstehen die Menschen langsam aber sicher die Geldschöpfung und eine Revolution muss her: Sie darf aber nicht wie so oft mit Gewalt durchgesetzt werden. Lasst uns doch zusammen die Art wie Geld generiert ung benützt wird revolutionieren! Henry Ford träumte vom Auto für jedermann und setzte dazu die ersten Fliessbänder ein. Der grundlegende Widerspruch dieser 2 Dinge ist wirklich schon frappant. So ähnlich verhält es sich mit dem Geld, wie wir es heute kennen: Es birgt das Versprechen in sich man könne weit kommen, in Wahrheit steht man dann sein Leben lang am Fliessband.


Wir stehen heute in der Zwickmühle: Auf der einen Seite unser Wohlstand, die Sicherung der Arbeitsplätze und der Sozialwerke — was dies angeht kann man das Vorgehen der Nationalbank eigentlich nur begrüssen — auf der anderen Seite ein weltweites System der Geld-Schöpfung und -Verbreitung, das eigentlich völlig undemokratisch ist und das mehr mit einem guten Zaubertrick zu tun hat als mit Real-Wirtschaft — in diesem Kontext ist die Schweizer Nationalbank ein sehr wichtiger Mitspieler eines Spiels, dessen wir uns erst langsam überhaupt bewusst werden. Dieses Spiel hat sich derart zugespitzt, dass wir es auf der ganzen Welt mit Existenz-Ängste zu kämpfen haben — berechtigte Ängste. Während wir versuchen, eine Katastrophe zu vermeiden, sollten wir aber nicht vergessen, unsere Aufmerksamkeit auch noch auf die grundstätzlichen Problemen zu richten. Es stehen so viele Herausforderungen vor uns — spannende und genügend grosse Herausforderungen — da wäre es schade wenn wir gerade einmal unsere reale Existenz in einer virtuellen Welt des Gelds sichern können.

Die Art von Virtualität die uns wirklich bedroht, ist nicht die der PC's oder der Games, sondern der Finanz. Diese könnte uns wirklich um die auf unserem Kontinent so schwer errungene Demokratie bringen!
 
 

December 04, 2011

Man stelle sich vor

 
Man stelle sich vor:

a) Es ist Zwei vor Zwölf
b) Jeder fragt sich, weshalb es immer erst Fünf vor Zwölf werden muss bevor der Mensch beginnt etwas zu unternehmen
c) Alle fragen: Wann genau wird es Fünf vor Zwölf sein?


Man stelle sich vor: Es ist Klima-Konferenz und keiner geht hin...
Respektive: Hingehen tun viele, leider aber niemand der den Mut hätte, auch nur einen vermeintlichen Dollar weniger zu verdienen. 20'000 Delegierte sollen nach Durban geflogen sein. 20'000! Plus noch viele Demonstranten, auch aus der ganzen Welt zusammengekommen. Nicht einmal mehr der Klima-Fond scheint in Krisen-Zeiten etwas machbares zu sein. 180 Millionen Dollar sind ein Luxus, den sich die reichen Länder offensichtlich nicht mehr leisten können. 180 Mio! Das tönt nach einem schlechten Scherz, oder? Wie viel wäre das pro Kopf von den 20'000 Delegierten? Wie viele 1st Class Intercontinental Tickets wurden für diesen Anlass gekauft? Wie viele Business Class? Ohne diese Tickets würde man, sagen wir, auf eine tiefe einstellige Tausenderzahl. Dann sind da noch die Hotels, die Verpflegung. In wirklich schwierigen Zeiten benützen Firmen Video-Conferencing, anstatt ihre Leute auf Reise zu schicken. Sind die Zeiten für das Klima noch nicht schwierig genug? Ich meine: Um nichts zu entscheiden, um keine Fortschritte zu erreichen, kann man zu Hause bleiben, oder? Und der Klima-Fond wäre für ein weiteres Jahr bezahlt...


Heute fragte sich Sir Norman Foster in den Sternstunden wie es um alles in der Welt möglich sei, dass Masdar das weltweit einzige Projekt seiner Art sei. Er meinte, eigentlich müsste es inzwischen 20 solcher Projekte geben und eigentlich müsste man sich heute fragen "Weshalb sind es nur 20?" Noch viel tragischer ist daher die Tatsache, dass inzwischen wegen der verschiedenen Krisen selbst in Masdar jegliches Ziel in den Sternen steht...

Die Krise scheint definitiv jegliche vernünftige Diskussion zu verunmöglichen, von Fakten ganz zu schweigen. Chinesische Experten sagen heute noch, das wirtschaftliche Wachstum der Schwellenländer dürfe auf keinen Fall gebremst werden für irgendwelche Emissions-Ziele! Die Industrieländer sollen bitteschön ihre historische Schuld begleichen und die nötigen Resultate bei sich erzielen. China ist aber auch der grösste Produzent an Solar-Technologie — leider verdient man damit einzig Geld, denn 90% der Produktion wird exportiert. Die USA haben schon beim Kyoto Protokoll nicht mitgemacht, die von Jimmy Carter auf das Weisse Haus montierte Fotovoltaik-Anlage wurde schon von Ronald Reagan auf nicht mehr wiedersehen abmontiert. Ronald Reagan hatte sich ja damals für die Wirtschaft und gegen die Umwelt entschieden und ein Grossteil der Menschen hatte ihm damals auch die grosse Lüge abgenommen, diese zwei Dinge seien nicht zu vereinbaren. Menschen mit der selben engstirnigen Auffassung regieren seit dem offensichtlich die Welt... Sie regieren immer noch die Welt.

Siehe Masdar auf Wikipedia Deutsch und Englisch.

Siehe auch den Post "Who runs the world?" — ideal, während man sich über Masdar informiert.

Man stelle sich vor: Es ist Zwölf Uhr und jeder fragt sich, weshalb eigentlich niemand mehr auf die Idee gekommen ist auf die Uhr zu schauen, seit es 11:30 Uhr war.
 
 

2. Advent bei den Fraktionen

 
Die Grün-Liberalen haben es von Anfang an gesagt. Als einzige konnten sie es sich leisten, es von Anfang an zu sagen — denn sie müssen am Karussell der Bundesrats-Wahlen keinen eigenen Kandidat verteidigen oder zum Erfolg bringen:
  • 2 Bundesräte für die SVP
  • Wiederwahl von Widmer-Schlumpf
  • Abwahl von Schneider-Ammann

Ich denke, etwas vom Schlimmsten was man nun tun könnte, wäre einen Bundesrat zusammenzustellen, der wieder den Atom-Ausstieg umstossen würde. Oder der damit einverstanden wäre, 22 Jagd-Flieger am Volkswillen vorbei zu finanzieren. Oder der die Personen-Freizügigkeit torpediert, anstatt sie nun sinnvoll mit flankierenden Massnahmen die greifen zu stabilisieren. Dass die SVP 2 Sitze haben sollte ist wohl klar, völlig unabhängig davon, wer was wann wem früher getan haben soll: Die Regierbarkeit des Landes wäre auf eine schwere Probe gestellt. Eine zu schwere Probe für die schwierige Zeiten die auf uns zukommen werden. Ausserdem bringt die SVP nun endlich die immer verlangten mehrheits-fähigen Kandidaten. Weiterhin könnte ich mir aber vorstellen, dass das Volk wirklich sehr grosse Mühe damit haben könnte, wenn nun der Atom-Ausstieg nicht seriös, konsequent und ohne Verzögerung vorangetrieben würde, wenn man jetzt nicht wenigsten den Versuch unternehmen würde diese Vision auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen, wenn man schon aufgeben würde, bevor überhaupt richtig damit angefangen wurde und man gar noch nicht weiss, was es genau bedeuten würde.

Wenn Herr und Frau Schweizer schon in den letzten Jahren starke Zeichen an Politik-Verdrossenheit zeigten, an mangelndem Vertrauen, dann wäre nun jedes politische Manöver der zu Instabilität führen würde der vermeintliche "letzte Tropfen" für viele. Viele Menschen sind es müde zu sehen, wie Kommissionen fest in der Hand von Interessen-Gruppen stehen, wie zum Beispiel die ständerätische Gesundheits-Kommission seit langer Zeit fest in der Hand der Krankenkassen ist: Durch eine Mehrheit von 4 auf 7 Sitze wurde dort immer deren Wille "demokratisch" durchgesetzt. Wenn nun, im Namen irgendwelcher abstrakten Formeln oder vermeintlicher Traditionen auch ein Bundesrat mit einer Mehrheit von 4 zu 7 für die nächste Legislatur aufgestellt würde der der Mehrheit im Volk nicht entspricht, dann wäre die Schweiz zu einem neuen traurigen Tiefpunkt in ihrer Politik gekommen, eine Situation die man so eigentlich nur aus dem Ausland kannte.

Wir kämpfen heute auf der ganzen Welt mit vielen Problemen die damit zu tun haben, dass man zur heutigen Zeit immer noch Ideen 1:1 umsetzen möchte die entstanden sind, als die menschliche Gesamt-Bevölkerung einen kleinen Bruchteil der heutigen Population ausmachte. Viele Konflikte und Ideen die zu Konflikten bringen stammen aus Zeiten, als die Menschen auf dieser unseren und Gottes Welt eine halbe, eine, zwei oder höchstens drei Milliarden waren. Als man einander ausweichen, nach jedem Konflikt aus dem Weg gehen konnte. Heute ist das immer weniger möglich. Die heutige Anzahl Menschen wäre vor 200 Jahren gar nicht denkbar gewesen. Und doch kommen viele der wichtigsten Philosophien, der theoretischen Lebensentwürfe sowie der Weltanschauungen aus noch viel früheren Zeiten.

Wie oft wurden die Wörter „Zauberformel“ und „Konkordanz“ in den letzten Monaten ausgesprochen oder geschrieben? Der Zauber hat gut funktioniert, zu einer Zeit zu der die Anzahl der Parteien im Parlament ziemlich konstant gewesen ist. Zu versuchen, heute im Namen eines vermeintlichen „Zaubers“ das Land mit einer Regierung zu bescheren, die in eine andere Richtung geht als gewünscht, wäre eine wahrlich schlechte Idee.

Und ganz ehrlich: Als Bundesrätin Doris Leuthard den Atom-Ausstieg vorstellte, ist nicht wirklich eine riesige Welle der Empörung durchs Land gegangen, oder? Was für Folgen hätte wohl die Verkündung irgendwann nächstes Jahr, man wolle diesen Entscheid nun wieder rückgängig machen?

Wer also am 14. Dezember irgend welche Rechnungen begleichen möchte, sollte sich zuerst überlegen was für Folgen es haben könnte, die Wahlen in einem Chaos enden zu lassen, denn als politisches Chaos würde man wahrscheinlich so ziemlich jeden anderen Ausgang wahrnehmen. Und die Schweizer sind eigentlich nicht dafür bekannt, Chaos zu mögen. Nicht wirklich...