May 31, 2019

Liebe: der vergessene Schatz

 
Liebe! Ach, die Liebe. L'amour! Toujours l'amour...
Was sie ist und wie sie ist haben schon unzählige Mitmenschen zu Papier, zu Musik, zu beweglichen oder unbeweglichen Bildern oder Skulpturen gemacht. Gemacht wurden und werden diese Werke um der geliebten Person Gefühle auszudrücken, sie zu symbolisieren, um einen unmittelbar betroffenen Menschen zu beschenken. Oder vielleicht versucht sich der Author darin, der ganzen Welt die Kraft bestimmter Gefühle mitzuteilen, dieser Urkraft eine Huldigung zu widmen. Womöglich geht es dabei um den Versuch, die Herrlichkeit eines Erlebnis, eines Augenblickes aus dem steten Vergehen zu verewigen, falls möglich auf diese Weise Unvergänglichkeit und Unsterblichkeit zu zaubern.

Liebe hat den Weg zu den grössten Werken der menschlichen Kunst und Kultur gefunden, hat diese Inspiriert oder sogar als die Eine schöpferische Kraft dahinter sie erst ermöglicht. Liebe hat mit zu den wundervollsten und kraftvollsten Werken und Taten geführt, sie hat Künstler, Genies und ganz gewönhliche Menschen zu den wundervollsten, kraftvollsten Taten veranlasst, zum Ausdruck der wundervollsten Regung dessen der Mensch überhaupt in der Lage ist, des allerhöchsten und heiligsten, des Göttlichen. Treibende Kraft des Schöpfungsakts.
Ganz grosse Geister haben die Liebe besungen, beschrieben und beschwört. Aus Liebe wurden Heldentaten begangen. Oder die unbeschreibliche Schönheit von Schöpfung und Leben entdeckt. Die heilige und leider viel zu oft verschwiegene, verunglimpfe oder verratene Urkraft, dem Menschen geschenkt und ihn damit zu allergrösster Erhabenheit befähigt.


Derart heilige und universelle Gabe ist die Liebe, oder viel eher, könnte sie sein. Denn unverstellbar viel öfter wird Liebe (einerseits verursacht durch unser beschränktem Verständnis von Welt und Geschehnisse, doch viel mehr und viel zu oft ist die Schuld dafür bei mangelndem kulturellen Verständnis darüber zu finden) auch so unglaublich vieles und verschiedenes genannt, was mit Liebe so gut wie nichts mehr zu tun hat. Liebe wird fälschlicherweise als Ursache für destruktives Empfinden, Denken und daraus folgendem Handeln missverstanden, unglaublich oft wird sie als Ursache abscheulichster Taten missbraucht. Selbst was so ziemlich das Gegenteil von Liebe ist wird noch Liebe genannt und als solche Verstanden, in unserem Alltag, in unserem kollektiven Narrativ, in unseren Geschichten in Buch, Ton oder Bild, und schliesslich auch im persönlich Erlebten und der Erzählung darüber, in unserer modernen und sich weltweit durchsetzenden Kultur. Dieses Verständnis wird somit fester Bestandteil der Weltanschauung jetziger und zukünftiger Generationen.

Völker die auf dem ewigen Eis in der nördlichen Hemisphäre ihr Leben bestreiten, haben bekannterweise eine viel grössere Anzahl an Begriffen für "Weiss" zu Verfügung, als dies bei uns der Fall wäre. Dies, weil sie so viel mehr Details aus dem allgegenwärtigen Element Weiss herauslesen und mitteilen in der Lage sein müssen, als dies für uns der Fall wäre. Für sie ist es überlebenswichtig, welche Beschaffenheit der Schnee und das Eis haben, wie trocken oder nass sie sind, wie kompakt oder locker, welche Beschaffenheit die Oberfläche vorweist, und so fort. Nun, für nun sind all diese Begriffe, diese Abstufungen, die Schattierungen von keinerlei Relevanz, weil wir keinen Gebrauch für diese Informationen haben würden, so oder so.

Nun, ich behaupte, in Sachen Liebe verhält es sich ähnlich. Zwar unterliegen wir in diesem Fall der Fehleinschätzung, so ziemlich alles über die Liebe zu wissen, und keinerlei Sensorium mehr für Finessen, Schattierungen oder kleinen Änderungen haben. Die Tragik liegt darin, dass wir gar nicht merken, es gar nicht können, in welchem Ausmass wir sowas wie Analphabeten sind, wenn es um Vokabular und Gebrauchsanleitung von Liebe geht. Wir sind es uns nicht bewusst und haben uns antrainiert, gar nicht mehr hinzuschauen. Da ist eh nichts mehr zu entdecken, was nicht schon seit längster Zeit bekannt wäre, so unser Eindruck. Im Deutschen Sprachraum ist man überzeugt, dass es seit der Zeit der deutschen Romantik schlicht und einfach gar nichts mehr über Liebe zu lernen gäbe, was nicht schon längstens von irgendeinem Meister beschrieben oder bejubelt worden wäre. Doch in Wahrheit ist das absolut falsch, so wie die deutsche Romantik eher das Einläuten der definitiven geistigen Verelendung und dadurch auch der spirituellen Agonie was unseren Umgang mit Liebe angeht. Spätestens mit der Romantik wurde tragischerweise die Wahrheiten rund um die Liebe zu einem verschollenen Schatz, dessen Existenz wir mit der Zeit sogar auch noch vergessen haben!



Ich werde jetzt nicht versuchen darzulegen, was Liebe sein mag. Doch ich möchte ganz bestimmt darauf hinweisen, wie sehr die Art in der wir mit dem Begriff und der Phänomenologie der Liebe Umgehen fälschlich und folgenschwer ist. Wie wir dies unseren Nachkommen vorleben und sie damit auf eine Art prägen, die ohne Starke und aussergewöhnlichen Erlebnissen kaum noch die nötige Offenheit des Herzens zur Verfügung hat um sich der vielleicht stärksten Kraft der Natur und dessen heilende und ermächtigende Wirkung hinzugeben, um ein Verständnis dafür zu entwickeln und um sich einen anderen, neuen Umgang mit einer derart Machtvollen und doch so einfachen Regung wie reiner Liebe aneignen zu können.

Dies ist keine romantische Gefühlsduselei meinerseits, oder eine interessante Nebensächlichkeit. Ich bin je länger je mehr davon überzeugt, dass im Umgang und dem Verständnis von Liebe ein Schlüssel zu einer so viel lebenswerteren Gesellschaft liegt. Nicht also eine Nebensächlichkeit, sondern eine der zentralsten Punkten in unser aller Leben und in unserem Versuch, hier auf dieser unseren und Gottes Erde irgendwie zusammen zu leben. In den letzten paar Hundert Jahren ist uns dies nicht wirklich gut gelungen, oder? Höchste Zeit also, an einer derart unkomplizierten, ja einfachen Sache was zu ändern, das so unvorstellbar grössere Auswirkungen haben könnte, als wir uns überhaupt zu vorstellen in der Lage sind.

Sind nicht auch schon die jungen Menschen rund um '68 für mehr Gerechtigkeit und Menschlichkeit eingetreten? Haben nicht auch sie von der grossen Revolution gesprochen, welche die Welt radikal ändern und zu einem besseren Ort machen würde? Und weshalb sind sie so dermassen kläglich gescheitert in Bezug auf die wichtigsten und tiefgreifendsten Veränderungen unserer Gesellschaft? Sind sie wirklich alle älter geworden und haben sich irgendwann gegen ihre eigenen Ideale gewendet, oder diese einfach so vergessen? Haben sie alle einfach so den jüngeren Menschen den sie gewesen sind und der für eine andere Welt einstand, haben sie ihn alle einfach verraten? Eines Jobs wegens? Einer Karriere? Wegen zu grosser Bequemlichkeit? Amnesie?

Oder ist die grosse Revolution viel mehr an einer allgemeinen Unfähigkeit gescheitert, das intuitiv und spontan entdeckte und erahnte zu schützen und als Gemeinschaft zu erleben? Wurde diese neue Dimension im kollektiven Bewusstsein nur schemenhaft, wie sehr grosser Distanz an einem nebligen Tag von den Menschen damals schemenhaft erkannt? Oder sind wir vielleicht als Menschheit nicht in der Lage gewesen, diese Schwelle zu überschreiten und von der heiligen Magie gesegnet zu werden?

Ich würde behaupten, dieser Schritt ist zweifelsohne in der Luft. Die Transformation wurde schon viel benannt und auch schon proklamiert. Ich meinte, die Möglichkeit zu dieser Entwicklung besteht schon seit einiger Zeit, es ist nun an der gesamten Gesellschaft sich in Demut zu üben und sich eingestehen zu können, dass wir in Sachen Liebe allesamt noch mit neugeborenen Babies zu vergleichen sind, wir scheinen viel mehr zu benötigen als wir zu geben in der Lage sind, und wie Babies tragen wir die Voraussetzung um all die zukünftigen Fähigkeiten zu erlernen in uns und dennoch ist es noch ein so weiter Weg, bis wir aus diesen Fähigkeiten all die glanzvollen und virtuosen Leistungen hervorbringen werden, zu denen der Mensch in der Lage wäre.
Doch, selbst wenn dieser Schritt vor uns steht und früher oder später gemacht werden wird, selbst wenn dies unser Schicksal ist wie es das Schicksal eines Babys ist, zu einem Erwachsenen zu werden, können wir uns in dieser Entwicklung so dermassen selbst im Wege stehen, sie unendlich lange hinauszögern und sie fast schon zum Erliegen bringen, wir können uns gegenseitig weiterhin genau das Falsche Vorleben und an die nächsten Generationen weitergeben, wir können aus all dem vorhandenen, fantastischen Potenzial eine sich ewigs in die Länge ziehende Fehlentwicklung machen, wie aus jedem Baby ein Analphabet, ein Krimineller oder ein "Aso" werden kann.

Möchten wir das wirklich? Vor allem: möchten wir das wirklich für unsere Kinder und Enkel? Wenn durch Änderungen im Umgang mit dem Prinzip der Liebe grosse Veränderungen möglich wären, ist es dann nicht an der Zeit, dass wir als Gesellschaft und als Menschheit schleunigst damit beginnen, einen bewussteren Umgang mit der Liebe zu üben? Haben wir nicht alle schon mehr als genug mitbekommen, wie viel Leid es auf dieser Welt gibt? Und? Wird es gerade besser? Also vielleicht sollten wir unseren Kindern und Enkeln endlich das Geschenk machen, uns einen gekonnteren Umgang mit der Liebe anzueignen!


Surmang Foundation


Wenn wir von den nördlichen Völkern viel über Eis und Schnee lernen könnten, dann sind es die Tibeter, die wir über die Liebe befragen sollten. Und zwar solange diese noch Teil ihrer Lebensart und Kultur ist, und dies wird auch bei ihnen in einigen wenigen Jahren so ziemlich total verloren gegangen sein. Nein, eigentlich sind es zwei Dinge, die man den Tibetern fragen könnte. Punkt 1: wie The Clash sangen, sollte man sie fragen was sie von Kommunismus halten, wenn man irgendwie das Gefühl hat, Kommunismus oder Sozialismus könnten gute Gesellschaftsformen sein. Punkt 2: sollte man sie fragen, wie sie es zustande gebrachte haben, eine Gesellschaft friedvoller Menschen zu sein. Liebende, friedvolle Menschen. Und würde ich an Verschwörungstheorien glauben, dann würde ich meinen, ein Masterplan wird seit Jahrhunderten umgesetzt, um den Völkern die Liebe auszutreiben. In Tibet, wo sich eine der letzten grossen Bastionen befand, setzen die Chinese zur finalen Umsetzung dieses Masterplans an. Denn, wie wir alle wissen, heisst die Devise bei den Chinesen Assimilation und schlichte numerische Überflutung und somit kompletter Verlust der eigenen Kultur und Identität.

Das Licht ging mir auf als ich den Dalai Lama hörte, wie er über die Mutterliebe tibetischer Mütter sprach, und wie er davon ausgingen, Tibeter seien durch diese Art von Mutterliebe zu einem so friedvollen Volk geworden. Mutterliebe ist wahrscheinlich eines der Schlüsselpunkte zu einer friedvollen Gesellschaft.


Autor unbekannt


Ich möchte nicht behaupten, dass Französische Mutterliebe weniger gut ist als die Tibetische, denn natürlich liebt fast jede Mutter der Welt ihr Kleines mehr als alles auf der Welt, die Franzosin nicht weniger als andere. Und dennoch bin ich der Meinung, dass das Tibetische Kind mehr von der Mutterliebe hat als das Französische. Wieso? Weil die Franzosen sehr progressiv sind und es dort gang und gäbe ist, das Kind schon nach einem Jahr der Arbeit unterzuordnen und es in verschiedenen Institutionen betreuen lassen. Und je länger je mehr gelange auch ich zur Auffassung, dass vieles von dem, was uns als Fortschritt für die Frau verkauft wird in Wahrheit ein Rückschritt für die Gesellschaft und die nächste Generation darstellt. Kinder die immer früher Stress und Leistungsdruck ausgesetzt sind werden irgendwann Probleme haben, das hilft die grösste französische Mutterliebe nicht mehr. Und genau dies wird immer radikaler auf der ganzen Welt praktiziert & Asien und USA machen uns die unmittelbare Zukunft vor: Kinder und Jugendlich müssen ab der Einschulung Top Leistungen vorweisen können, einen perfekten und prall vollen CV zimmern, ununterbrochen beste Noten abliefern, extraschulische Aktivitäten vorweisen können um überhaupt eine Chance auf einen guten Job zu bekommen. Dies alles ausgerechnet in den Jahren, in denen das Kind sich und die Welt sollte kennenlernen dürfen, und den liebevollen Bogen zwischen sich und der Umwelt entdecken, die Macht der konstruktiven Kraft einer positiven und liebevollen Einstellung wahrnehmen und kennenlernen. Aber wir erachten es für richtig, schon unsere Kinder in die selbe kranke Welt zu schmeissen, in der wir Erwachsene leben, schliesslich möchten wir ja, dass sie lernen können sich im Leben später durchzusetzten. Leider ist das ganze auf diese Weise aber genau von der falschen Seite her aufgezogen und bringt unweigerlich zu immer wieder den selben Fehlentwicklungen.

Der grösste Unterschied zwischen Französischer und Tibetischer Mutterliebe könnte aber darin liegen, dass die Tibetische Mutter sich ganz ihrer Liebe kann hingeben, diese ohne wenn und aber empfindet. Sie ist nicht durch externen Sachzwänge dazu konditioniert, selbst oder durch ihr Nachkommen Leistungen zu erbringen und etwas beweisen zu müssen. Wohingegen die westliche Frau einer ganzen Menge solcher Sachzwänge unterworfen ist — und fatalerweise scheinen diese Sachzwänge mit der Zeit unweigerlich mehr zu werden, anstatt dass sich die Situation bessern würde.

Ich sage nicht "Frauen: zurück an den Herd!", wirklich nicht, doch ich sage "Frauen, lebt eure Mutterliebe so oft und so intensiv wie möglich aus, hegt und pflegt sie — sie ist eine sehr machtvolle Urkraft der Natur — seid euch bewusst dass nur mit gelebter Zufriedenheit und positiver Einstellung ihr eurem Kind einen Dienst erweist, und nicht mit einem vollgestopften Tagesplan ab dem Kindergarten und Drill auf Leistungsfähigkeit! Dies führt höchstens zu Stress bei der Mutter, was wiederum zu Stress beim Kind führt und ihm dabei den Auslöser für so viele Probleme und Fehlentwicklungen beschert. Den grössten Dienst an eurem Kind könnt ihr mit eurer Liebe erweisen.

Und die Väter? Zurück an den Herd! (Kleiner Scherz...)
Männer müssen genauso wieder die Kraft der Liebe kennenlernen, und diese ihren Kindern vermitteln. Denn es braucht natürlich auch die Idee in der Gesellschaft, Liebe sei nicht zu wenig männlich. Und es braucht einen Typ Mann, der sich mit Liebe auskennt und diese Wertschätzt.




Les petits ça pousse  ==  Lili Cros & Thierry Chazelle





LOVE IS ALL!

habe ich kürzlich gelesen...