March 18, 2009

Menschenverachtend

Sinn, Geborgenheit, Vertrauen, Vergebung, Gelassenheit – wer möchte das nicht in seinem Leben erfahren? Doch zwischen dem Wunsch nach diesen und anderen als angenehm erlebten Erfahrungen und der Alltagswirklichkeit tut sich oft eine Kluft auf. Nicht nur wird häufig ein Mangel an positiven Aspekten schmerzlich empfunden: Bedrohungserleben, Ängste, Stress, physische und psychische Beeinträchtigungen reduzieren das eigene Wohlbefinden bisweilen beträchtlich. Kein Wunder also, dass wichtige Bereiche der Psychologie – etwa die Klinische Psychologie oder die Psychopathologie – ihre Hauptaufgabe darin sehen, diesen „Störenfrieden“ den Kampf anzusagen. In Ergänzung hierzu wählt die Positive Psychologie das Positive als ihren Schwerpunkt und grenzt sich damit etwa zur Perspektive der Pathologie ab, ohne jene als negativ abstempeln zu wollen. Die Positive Psychologie ruht auf drei Grundpfeilern:
  1. Sie ist auf das Positive ausgerichtet, z.B. Auf Stärken, Tugenden oder Ressourcen.

  2. Sie hat den Anspruch einer wissenschaftlichen Fundierung.

  3. Sie verfolgt das Ziel, positiv auf das Erleben und Verhalten im Alltag von Menschen zu wirken.

[...]

Wiederentdecken des Positiven. Seligman (2002) erinnert daran, dass die Psychologie vor dem Zweiten Weltkrieg ursprünglich drei grosse Ziele hatte: Erstens wollte sie psychische Krankheiten heilen, zweitens wollte sie zu einem produktiven und erfüllten Leben beitragen, und drittens sah sie es als ihre Aufgabe an, Hochbegabung zu entdecken und zu fördern. Bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen – etwa die Notwendigkeit, Kriegsveteranen zu behandeln – waren mit dafür verantwortlich, dass sich die Psychologie in den USA hauptsächlich mit der erstgenannten Aufgabe befasste. Seligman, der 1998 gerade zum Präsidenten der American Psychological Association gewählt worden war, fand den Zeitpunkt gekommen, dass sich die Psychologie wieder auf ihr Ziel besinnen sollte, Menschen zu einem produktiven und erfüllten Leben zu verhelfen. Er initiierte die seither unter diesem Namen bekannt gewordene neue Positive Psychologie (Ernst, 2001; Seligman, 1998a; 1998b). Heute erfreut sich die Positive Psychologie nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und anderen europäischen und aussereuropäischen Ländern zunehmenden Interesses. Forschungsprogramme werden initiiert, Tagungen organisiert, Stipendien und Preise vergeben, und es liegen einschlägige Publikationen vor (z.B. Aspinwall & Staudinger, 2003a; Brockert, 2001, Jewell Rich, 2001; Seligman, 2003; Seligman & Csikszentmihalyi, 2000, Snyder & Lopez, 2002).
So beginnt das Buch „Positive Psychologie – Anleitung zum „besseren Leben“ von Ann Elisabeth Auhagen (Hrsg.). Das erste Kapitel heisst „Das Positive mehren. Herausforderungen für die Positive Psychologie“ ist für den Laien höchst interessant und wirft grundlegende Fragen auf. Es endet mit einer Liste der zitierten Literatur bestehend aus 35 Titeln – wo jedes Kapitel eine Liste der zitierten Literatur vorweist, womit das Buch wahrscheinlich auf mehr als 100 verschiedene Werke verweist – und einem Versuch von Definition
Positive Psychologie kann bezeichnet werden als Orientierung auf das Mehren des Guten in Forschung, Anwendung und Praxis,
  • insbesondere im Hinblick auf menschliche Stärken und Ressourcen

  • vor dem Hintergrund einer integrativen Ethik der Nächstenliebe und des Verzichts auf jede Form von Gewalt

  • und mit dem Ziel, bessere subjektive und objektive Lebensbedingungen für Menschen zu schaffen.


Nun frage ich mich, wie der Auftrag einer Harten Klinik lauten könnte, wenn diese im Umgang mit mir nichts als den Störenfrieden auf „Teufel komm raus!“ ausfindig machen wollte um ihn dann, logischerweise, ausmerzen und ausrotten zu können. Ich frage mich, wer diesen Auftrag gegeben hat und wer für die Einhaltung von bestimmten Ethik-Richtlinien verantwortlich sein mag.

Wer muss sicherstellen, dass keine menschenverachtende Einstellungen die Oberhand bekommen, wenn man über Jahrzehnte mit psychisch labilen Menschen arbeitet. Wer sorgt dafür, dass sich niemand hinreissen lässt, Folter als Werkzeug im Umgang mit diesen Menschen zu benützen? Psychische Folter als letztes Mittel, wo jegliche andere psychische und soziale Druckmittel nicht den gewünschten Effekt gebracht haben, und den Patienten schweig- und biegsam gemacht haben? Wer steht dafür gerade, dass um den „geregelten Ablauf“ eines klinischen Alltags zu garantieren, nicht ganz grässliche Dinge veranstaltet werden?

Ich muss sagen, zwischen Positiver Psychologie und dem, was ich in der Klinik erlebt habe, steht in etwa der Unterschied, den wir zwischen Tag und Nacht erkennen. Wobei noch dazu kommt, dass ich niemals den „geregelten Ablauf“ der Institution in irgendeiner Weise in Frage oder sogar in Gefahr gestellt habe... Niemals!

Und, als beste Synthese des Erlebten, sehe ich den Ausdruck „Menschenverachtend“. Denn, aus einer verachtenden Grundeinstellung gegenüber dem, was ich empfinde mich als Menschen auszumachen – und somit einzigartig, wertvoll und zu fördern wünschenswertes – habe ich das Handeln innerhalb der Klinik (und noch schlimmer, auch später, einmal aus der Klinik ausgetreten) empfunden. Als verachten der Eigenschaften, Stärken und Begabungen die den gesunden Anteil meiner Persönlichkeit darstellen.
Wenn man meine Friedfertigkeit und mein Wille nach Lösungsfindungen ohne Gewalt und Konflikte (von denen ich ausserdem genau weiss, dass sie nicht zu Lösungen führen werden – siehe Auseinandersetzungen mit meiner Ehefrau) einzig als zu einem pathologischen Bild gehörende Konfliktunfähigkeit gedeutet werden, dann ist das eine verachtende Betrachtungsweise und Interpretation meiner Argumente, meiner Charakterzüge und, schlussendlich, meiner Person.

Wenn meine 3monatige Drogen-Abstinenz nicht als Errungenschaft und Zwischenziel in meinem CV gesehen wird, sondern einzig und allein als 3monatige Ausnahme in meiner Suchtgeschichte, dann ist dies ein verachtender Umgang mit meiner Bereitschaft diese Sucht in den Griff zu bekommen. Verachtend und, in diesem speziellen Fall, grob fahrlässig und potentiell Letal.

Wenn meine Begegnung mit der jungen Dame einzig als Flucht vor anderen Problemen gedeutet wird, dann ist dies in höchstem Masse – sowohl mir wie auch der jungen Dame gegenüber – eine verachtende Einstellung, die grossen Schaden anrichten kann. Und die Argumentation, solche Beziehungen würden praktisch immer viel mehr Schaden anrichten als was sie nützen würden, reicht bei Langem nicht aus, um die Vorgehensweise der Ärzte zu rechtfertigen. Denn diese zielte darauf, hinter unseren beiden Rücken Dinge zu bewerkstelligen, die ich bis heute nicht ins Detail kenne.
Und nun, bitteschön, soll man mir erklären welche die Ansatzpunkte waren, um mich in meinem Genesungsprozess zu unterstützen. Dies würde mich wirklich sehr interessieren...

Ich denke, es ist höchste Zeit, dass ein Buch wie „Positive Psychologie“ zur Pflichtlektüre wird, in der Schweizerischen Ausbildung zu psychiatrischen und therapeutischen Berufe wird. Und ein Kontrollmechanismus um das Handeln wahnhaft gewordener Ärzte innerhalb solch grossen – und vom Steuerzahler finanzierten – Institutionen, ist auch eine höchst aktuelle Notwendigkeit. Es ist mir ein Rätsel, wie es überhaupt möglich ist, dass so viele Menschen darüber Bescheid wussten und dennoch niemand in der Lage gewesen ist, solch Unheil zu stoppen. Dies kann einzig darauf hindeuten, dass die Pfleger keine Anlaufstelle haben, um solch ein mögliches Problem platzieren zu können. Und dies heisst auch, dass sich die Pfleger dem Handeln der Ärzte fügen müssen – egal wie falsch dieses auch sein mag – oder sie geraten unter massiven Druck.

Und wieder stellt sich die Frage, wie kann etwas Positives in solchem Umfeld überhaupt Platz finden? Und wer ist dafür verantwortlich nun endlich zu erkennen, es ist „der Zeitpunkt gekommen, dass sich die Psychologie wieder auf ihr Ziel besinnen sollte, Menschen zu einem produktiven und erfüllten Leben zu verhelfen“?

Big Bang

Licht und Dunkelheit.
Und umgekehrt.

Licht beinhaltet jede Dunkelheit.
Denn Licht wird erst durch Schatten erkennbar.
Schatten die aber wiederum nur durch Licht zu existieren beginnen.

Doch Dunkelheit, beinhaltet auch jedes Licht.
Wenn vor dem Big Bang noch gar nichts existierte, ausser eine kleine dunkle Kugel, dann muss diese dunkle Masse zwangsläufig auch schon all das Licht und die Energie beinhaltet haben, die das heutige Universum ausmachen.

Es erstaunt also nicht, dass für die Chinesen Yin und Yang – in ihrer ganzen Verschiedenheit und scheinendem Gegensatz – die 2 Seiten von ein und demselben Hügels sind.

Und wenn der Mensch nach Licht und Glück strebt und es auch in der Hand hat, diese zu erreichen, sollte er nie vergessen, dass Dunkelheit genauso dazu gehören und dass er lernen muss, damit umzugehen.

Ich behaupte, dass Menschen die grosse Dunkelheit erlebt haben, eventuell einen leichteren Zugriff zu Licht haben können, wenn sie dafür noch offen genug sind.

Und somit sollte diese Dunkelheit im Herzen eines jeden, nicht als Störenfriede und unerwünschter Gast angesehen werden – der, wann immer gejagt auch wieder ungebeten zurückfinden wird – sondern vielmehr sollte die Dunkelheit als Tor zum Licht gesehen werden, die vollumfänglich zu diesem Licht gehört und als dessen Bestandteil wahrgenommen und verstanden werden muss.

Auf dass Licht in unseren Herzen standhaft sein Platz finden kann, in Zusammenspiel mit dem eigenen Gegenspieler.

March 16, 2009

Wer's kann...

Ab einem bestimmten Zeitpunkt, durften wir uns nicht mehr alleine treffen, die junge Dame und ich, ab dann war immer jemand bei ihr. Zumindest ihre Mitbewohnerin, die genau wie die junge Dame tagsüber Kosmetika verpackte in der Klinik um dann nachts und am Wochenende in der WG zu leben. Oft waren aber noch mehr Menschen dabei. Wenn es die Situation sogar erlaubt hätte, dass wir dazu gekommen wären uns zu unterhalten, bekam die junge Dame einen Anruf von Joe Abfall und hatte dann endlose Gespräche mit ihm, von denen ich jedes Wort der jungen Dame mitbekam und dabei völlig ignoriert wurde. Auf diese Weise hatten wir nicht einmal die reine Zeit um ein etwas tieferes Gespräch führen zu können.

Es würde mich nicht wundern wenn man solche Massnahmen als notwendig sah, weil ich bei all dem Mobbing, all der scheinbaren Ablehnung der jungen Dame, all den Andeutungen zu diesem Thema (von meinen Mitpatienten aber sogar auch von meiner Therapeutin) keine grossen Gefühlsausbrüche gezeigt hatte. Bei all den Demütigungen und all dem Spott, schien ich den Ärzten zu unberührt zu bleiben, zu passiv und „stumm einsteckend“. Vielleicht zweifelte man und fragte sich, ob die junge Dame mir doch nicht das ganze Spiel erklärt und mich darauf vorbereitet hatte. Wahrscheinlich ging man inzwischen davon aus, dass sie – entgegen jeder Abmachung und entgegen all ihrer Versicherungen nur das gesagt und getan zu haben, was man ihr vorgegeben hatte – mir auch „verbotene“ Informationen gab, von mal zu mal.

Ich kann an dieser Stelle nur bestätigen, dass mir die junge Dame rein gar nichts gesagt hat. Es ging soweit, dass ich sie fragte ob die „Therapie“ endlich vorüber sei oder ob ich noch mit einer Steigerung rechnen musste. Ich fragte sie, ob sie mich noch oft hätte verletzen müssen oder ob ich mich entspannen könne, inzwischen. Denn, meiner Meinung nach, seien die Ereignisse schon sehr sehr verletzend gewesen. Es sei verdammt hart für mich gewesen! Ihre Antwort
HART ABER HERZLICH

Als wir dieses Gespräch hatten, war noch gar nichts von dem passiert, was ich hier gerade am erzählen bin. Die Versetzung zurück auf die Akut-Station war noch unter fernen Liefen und für mich auf keinster Weise zu erahnen.

Also entschied man sich, die junge Dame stets zu begleiten und so zu überprüfen, was zwischen uns kommuniziert wurde. Wie immer machte man aus einer Notwendigkeit eine Möglichkeit, und nützte die so entstandene Situation um mich zusätzlich zu verwirren und zu verunsichern. So entstand auch die Idee mit der anscheinenden Mitpatientin die sich in der Cafeteria penetrant in unser Gespräch eingemischt hatte, die sich dann als Mitarbeiterin der Klinik, für die Post-Verteilung verantwortlich, entpuppen sollte.

Und man nutzte die Chance um mir das Gefühl zu geben, entweder die Klinik oder die junge Dame (oder beide) hätten inzwischen Angst mich alleine mit ihr zu lassen. Man wollte mir das Gefühlt geben, als Gefahr und Bedrohung wahrgenommen zu werden.

Unter anderem, wollte man durch die „Kontrolle“ sicherstellen, die junge Dame habe mir Andeutungen betreffend einen Umzug gemacht, sie sprach nämlich von einem neuen Standort des Ambulatoriums wo man sie nachbetreute. Sie hatte mir das so zu verstehen gegeben, wie man es macht für ein Geheimnis, für eine Info die unter der Nase anderer Menschen ausgetauscht wird aber nicht von diesen verstanden werden darf. Genau die Art von Kommunikation in der die junge Dame eine absolute Meisterin ist und ich ein würdiger Schüler. Und genau diese Art der Kommunikation wollte die Klinik ausnützen und so benützen, dass es zu Missverständnisse und, schlussendlich, Zank und Streit hätte führen sollen.

Denn, wenn die junge Dame von einem neuen Standort redete, musste es natürlich um etwas für mich Relevantes gehen, und nicht um ihre Nachtbetreuung. Später hätte ich davon ausgehen sollen, sie sprach damals entweder
  • von ihrem eigenen Umzug in eine andere Wohnung, die ich nicht kannte

    oder

  • von meinem eigenen „Umzug“ von der Psychotherapie- auf die Akut-Station

Genau dies war das Ziel der Klinik: Ich sollte der jungen Dame Vorwürfe machen, betreffend meiner Versetzung auf die Akut-Station mit Verdacht auf psychotische Episode. Ich sollte ihr vorwerfen davon gewusst zu haben, dies der Klinik vorgeschlagen zu haben, dies gewünscht zu haben, dies mitgetragen zu haben – wie sie ja zuvor auch schon bei Joe Abfall aktiv die Einlieferung mitorganisiert hatte. Hauptsache, es hätte zu Streit und Misstrauen, zu Zank und Vertrauensbruch geführt. Ziel war ganz einfach, unsere Beziehung zu sabotieren. Und zwar auf eine Art und Weise, die sie von Innen kaputt gemacht hätte, die sie für zumindest einen von uns beiden als untragbar hätte erscheinen lassen. Ziel war es, dass wir beide uns diese Beziehung nicht mehr gewünscht hätten.

Um dieses Ziel zu erreichen, wollte man mich dazu bringen, die junge Dame anzugreifen, auf sie wütend zu werden und auf sie los zu gehen. Schliesslich hatte man dies auch so „geprobt“, zuvor. Schliesslich hatte ich auch einen Abend lang die junge Dame telefonisch belästigt. Schliesslich hatte ich – bei der „Generalprobe“, bei der Übung der Ärzte um mich „besser kennen zu lernen“ – die junge Dame angegriffen und ihr gesagt „Das ist ja Kindergarten!“ Schliesslich hatte sich dieser Testlauf ganz nach Wunsch der Klinik abgespielt. Dies kann auch Herr „Della Clotilde“ bestätigen, ein Pfleger vom Nachtdienst, auf der Psychotherapie-Station. Mit ihm und mit Vorwürfe meiner Therapeutin war der Testlauf geendet, nachdem ich zuerst mit der jungen Dame und dann mit Herrn Della Clotilde Streit hatte.

Von diesem Testlauf und von meinen Begegnungen mit Herrn Della Clotilde erzähle ich in einem anderen Post. Bald, sehr bald.


Hier möchte ich nur noch bemerken wie die Klinik genau unsere Fähigkeit unterschwellig zu kommunizieren, implizite Botschaften auszutauschen, nicht einzig an die verbalen Ebene gebunden zu sein, ausnützen und sabotieren wollte.

Meine Therapeutin, Wochen zuvor
LET IT SHINE, ich möchte Sie auf einige Dinge aufmerksam machen, die ich als sehr wichtig empfinde.
  • Auf diese Art und Weise kommunizieren zu können ist zwar sehr schön, doch es besteht ein grosses Risiko, so aneinander vorbei zu reden. Es kann dann sehr schnell geschehen, dass man sich missversteht und dass dies irgendwann zu einem grösseren Problem werden kann.

  • Sie sagen, Sie wünschen „normal“ mit der jungen Dame kommunizieren zu können weil diese, Ihrer Meinung nach, nicht offen über ihre Gefühle redet. Oder sogar nicht reden darf. Ihnen ist schon bewusst, dass niemand hier in der Klinik der jungen Dame irgendwelche Vorschriften macht, sondern sie höchstens begleitet und unterstützt, sie beratet und ihr Ratschläge gibt, wo die junge Dame auch Ratschläge wünscht?

  • Ich möchte Ihnen auf keinen Fall Ihr ganzes Elan und die Energien nehmen, die Sie gerade zur Zeit haben. Es wäre sogar sehr sehr schade, wenn Sie diese Energie und diese Kraft verlieren würden. Dennoch könnte es sein, dass Sie Ihr jetziges Tempo nicht lange halten können. Und, vor Allem, versteifen Sie sich bitte nicht auf Dinge, die in 6 oder 8 Wochen schon völlig anders aussehen könnten!!

In dieser Reihenfolge und während ein und demselben Gespräch hat mir meine Therapeutin solch „therapeutisch höchst wertvolle Ratschläge“ gegeben. Ich kann mir also in etwa ausdenken, wie die Beratung der jungen Dame durch die Klinik ausgesehen haben muss...

Das mit der Kommunikation, wer das kann, der kann das halt.

March 14, 2009

Joe die Leinwand

Plötzlich hatte dieser Joe Abfall seinen Auftritt auf dem virtuellen Set. Ich hatte schon einige Male von ihm gehört, von der jungen Dame. Ich hatte ihn auch schon gesehen und getroffen. Ich hatte schon mitbekommen, wie die junge Dame mit ihm in die reale Welt laufte, auf einen Kaffee, auf einen Spaziergang, auf eine Besorgung... Als platonischer Freund, so die junge Dame.

Als meine Gefühle für die junge Dame immer mehr an die Oberfläche kamen, als ich langsam merkte welche positive Auswirkung ihre Anwesenheit auf mich hatte, als ich nicht mehr ignorieren und verdrängen konnte und wollte, dass hier Gefühle am entstehen waren, die über Freundschaft und Sympathie hinaus gingen, wurde vieles auf den Kopf gestellt.

Ich deutete diese Gefühle an, ich fragte die junge Dame ob ihr die Idee nicht Angst einflössen würde, dass ich mich in sie verlieben könnte. Ich bekam einzig ein kurzes "Nein" und einen längeren Blick zu hören, als Antwort.

Ich versprach mir, mein Familienleben, den Konflikt mit meiner Ehefrau, meine Sucht, mein Burn-Out, den Grund weshalb ich in die Klinik kam, die Aufgaben die auf mich warteten, die Liebe zu meinem Sohn, und... und diese gerade geborene Liebe... Ich versprach mir, all dies nicht durcheinander zu bringen, das Eine vom Anderen konsequent zu trennen und getrennt zu betrachten, Entscheide bei Einem nicht durch das Andere beinflussen zu lassen. Ich versprach mir den Überblick zu bewahren und so zu handeln, dass ich mich später für nichts hätte vor mir selbst Rechtfertigen müssen, dass ich mir später nichts zu vorwerfen gehabt hätte, dass ich auch in Zukunft jederzeit mit erhobenem Kopf meiner Ehefrau, meinem Sohn und der jungen Dame hätte entgegen treten können. All dies hatte ich mir sehr früh schon versprochen.

Denn... Ziemlich früh wurde mir bewusst einen Wendepunkt meines Lebens erreicht zu haben. Früh wurde mir klar, jetzt wäre Grundsätzliches passiert, Weichenstellendes wäre passiert. Rasch wurde mir bewusst, eine solche Chance hätte sich nicht so schnell wieder geboten, um klaren Tisch zu machen und um mit mir ins Klare zu kommen.


Also... Man verlangt von mir, im Quellenhof anzurufen und einen Vorstellungstermin dort zu vereinbaren. Ich tue es. Erzähle davon der jungen Dame und bin dabei ihr zu sagen, dass ich eventuell werde in eine andere Klinik wächseln müssen, um weiter zu machen. Sie lässt mich nicht bis zur Hälfte des Satzes kommen und ab dann ist sie wieder in einer Beziehung mit Joe Abfall. Eine platonische Beziehung, so die junge Dame.

Ab nun, wird Joe Abfall praktisch täglich zur Klinik kommen und wird Stunden und Stunden mit der jungen Dame verbringen, meistens dort wo ich die beiden sehen kann, wenn ich im Areal unterwegs bin. Die junge Dame wird mir jeweils ziemlich alles erzählen, was sie mit ihrem Freund gemacht hat, geplant hat, machen wird. Sie wird mir über die Gefühle von Joe Abfall für sie berichten. Sie wird mir alle Briefe vorlesen — später vorlesen wollen — die ihr Joe Abfall als Antwort auf ihre Brief schreibt. Ihre Briefe an ihn schreibt sie oft vor meinen Augen, bevor ich sie dann vorgelesen bekomme.

Also... Von Seite der jungen Dame scheint alles in Ordnung zu sein. Sie sagt mir, sie möchte ihn nun unterstützen, wo er sie doch früher unterstüzt hatte, als es ihr sehr mies ging. Mutter und Schwester hätten sich gerade umgebracht, einige wenige Tage voneinander. Ich, ich hatte nichts gegen diesen Typ, solange er der jungen Dame nicht schaden würde, hatte ich rein gar nichts gegen ihn.

Es ging soweit, dass ich derjenige gewesen bin, der diesen Joe Abfall in Schutz nahm, als er vor dem Pavillon sass, auf die junge Dame wartend, und unsere Mitpatienten sich über ihn lustig machten und über ihn herziehten. Die eine Mitpatientin, die ich einige Monate später fast vermöbelt hätte, kurz bevor man mich in die Iso-Zelle entführte, lästerte in voller Lautstärke über seinen verwahrlosten Zustand, über den Mangel an Pflege. Ich sagte ihr mehrmals, sie solle endlich das Maul halten und Ruhe geben. Ja, dieser Joe Abfall, der gerade Mutter und Schwester verloren hatte, tat mir Leid.

Auch wenn er völlig auf die junge Dame fixiert war, schon auf eine krankhafte Art. Sie erzählte mir, wie er im Wald hinter der Klinik übernachtet hatte, wie er sonst irgendwo übernachtete, wie er obdachlos war, wie er krankhaft mit der jungen Dame zusammen sein wollte. Ich stand ihr bei und unterstützte sie als sie ihn in die Klinik einliefern liess, weil er Medikamente geschluckt hatte, völlig besoffen und an diesem Abend verwirrt war. Ich unterhielt mich mit ihr und gab ihr mein Handy um ihn anzurufen, als er im Gebäude gebenüber eine Nacht verbrachte. Ich unterstüzte sie dabei und tröstete sie, als sie weinte und ihn um Entschuldigung bat, weil sie ihn zum Eintreten überzeugt hatte: Vater, Freunde und Bekannte waren damit an diesem Tag gescheitert. Erst als die junge Dame ihn darum bat, liess er sich überzeugen und willigte ein.

Am nächsten Tag, machte ihm die Klinik das folgende ANGEBOT: 3 Wochen Aufenthalt zur Stabilisierung, unter der Bedingung jeglichen Kontakt zur jungen Dame abzubrechen und sich einzig auf sich selbst zu konzentrieren, während dieser Zeit. Er wäre eigentlich gerne 3 Wochen lang in der Klinik geblieben, in der Nähe der jungen Dame und mit der Möglichkeit genau zu sehen, was gerade zwischen der jungen Dame und mir passierte. Denn wie sie mir von ihm erzählt hatte, erzählte sie auch ihm von mir. Joe Abfall lehnte das Angebot ab und sagte, unter diesen Umständen könne er nicht in der Klinik bleiben. Der Kontaktabbruch zur jungen Dame wäre ihm kein Aufenthalt der Welt wert.

Also trafen sie sich weiterhing Tag für Tag, in der Klinik, vor meinen Augen. Eine Mitpatientin redete auf mich ein, die junge Dame sei nichts für mich, sie käme aus einer ganz anderen Welt und passe zu einem obdachlosen Joe Abfall sehr gut, aber auf keinen Fall zu einem LET IT SHINE. Wo sie sich auch noch von alten Türkischen Männer Reiz-Unterwäsche kaufen liess, wo sie Vergewaltigungen vortäuschte dort wo sie mehr als einverstanden gewesen war, betreffend Sexualverkehr. Wo sie doch einen Pfleger fast in den Wahnsinn getrieben hatte und ihn dazu gebracht hatte seinen Arbeitsplan ändern zu lassen, um so wenig wie möglich mit ihr in Kontakt zu kommen. Wo sie doch einzig und allein auf mein Geld aus war, kein Bisschen mehr, kein Bisschen weniger. Und wo ich mich wie ein Idiot ausnehmen liess. Ich solle doch einmal zusammenzählen, wieviel ich schon für die junge Dame ausgegeben hatte. Ich musste lachen... Ja... In einer solchen Klinik konnten ein paar Dutzend CocaCola Gläser schon wie ein kleines Vermögen aussehen, für manchen Patienten... Und wo ich auch noch darauf reingefallen war, sie empfinde was für mich.

Sie traf sich täglich mit Joe Abfall, mit dem sie aber keine sexuelle Beziehung hatte, weil sie mit ihm nicht konnte und nicht wollte, so die junge Dame... Sie erzählte mir, wie sie ihm dies von Anfang an klar gemacht hatte und wie er dies gegen seinen Wunsch voll und ganz zu respektieren wusste. Sie sagte mir, wie ihm die Nähe zu ihr krankhaft wichtig war. So sehr, dass er auch auf Sex verzichtete dafür. Natürlich, immer mit dem Wunsch im Hinterkopf und der Hoffnung in der Hand, eines Tages komme es dennoch dazu.

Sie erzählte mir, wie sich Joe Abfall seit geraumer Zeit Sex mit ihr wünschte, auch wenn sie gerade in der tiefsten Krise ihres Lebens steckte, auch wenn sie sich gerade ganz ganz unten befand. Er hätte sie so genommen, hauptsache sie wäre ihm gewesen. Und genau diese Einstellung war es, die in der jungen Dame den grössten Mitleid erweckte und die genau das Gegenteil auslöste, als was sich Joe Abfall wünschte, nähmlich die Bestätigung für die junge Dame, er sei nicht der geeignete Partner für sie und er würde niemals zu ihrem sexuellen Partner werden, auch nicht ausnahmsweise.

All diese Informationen die ich bekommen hatte, all dies und noch einiges mehr, hier und dort, von diesem und von jenem, all dies war Joe Abfall. Was ich daraus machen würde, wie ich diese weisse Projektions-Leinwand im leeren Kinosaal füllen würde, was ich auf diese Leinwand projezieren würde, war allein meine Sache...


Nun bitte ich dich, der gerade am Lesen bist, dir 2 Dinge vor Augen zu führen. Und zu probieren, dir vorzustellen wie es dir dabei gegangen wäre, wie du dich dabei gefühlt hättest.
  1. Irgendwann wird dir klar, dass dieser Joe Abfall dein Alter-Ego ist. Es ist eine sehr wohl real existierende Figur, die aber eine Art Rolle spielt. Diese Rolle ist so definiert, dass sie all deine potentiellen und negativen Seiten wiederspiegelt und wie unter einer Lupe — aufgeblasen und potenziert — wiedergibt.

    Die Schwester, die sich gerade umgebracht hat, ist die junge Dame die du liebst und sich von dir abwendet, eine Zeit lang. Die Mutter, die sich umgebracht hat, ist deine eigene Mutter die sich von dir abwendet, eine Zeit lang.

    All die schlechten Dinge und Eigenschaften, die dieser Joe Abfall vereint — das im Wald schlafen, das nicht akzeptieren einer 3wöchigen Kontaktsperre zur jungen Dame, die krankhafte Fixierung auf die junge Dame, die völlige Unselbständigkeit wenn sie nicht bei dir ist und dich unterstützt, der völlige Mangel an einem gesunden Masse Ehrgeiz, der Mangel an Anforderungen an die junge Dame — all dies und noch vieles mehr, sind alles Dinge die dir unterstellt und irgendwie vorgeworfen werden.

    Du weisst nicht, wie weit deine eigene Mutter und die junge Dame jemals selbst geglaubt haben — oder auch nur nicht sicher waren — ob du in Tat und Wahrheit dem entsprichst, was man dir unterstellt. Oder, besser gesagt, du spührst wie die junge Dame in ihrem Herzen weiss, wie dies nicht auf dich zutrifft doch, je weiter je länger, weisst du nicht ob man es schaffen wird oder schon geschaffen hat, Zweifel in ihr zu wecken. Bei deiner Mutter, bist du dir überhaupt nicht im Klaren, ob sie dir voll und ganz traut, ob sie nicht irgendwo Zweifel hat, du müsstest doch unbedingt und zu jedem Preis deinen Kopf durchsetzten... Schliesslich, hast du auch keinerlei Ahnung, wie man ihr das Ganze hat verkaufen können und was man ihr gesagt hat, würde dir das im therapeutischen Sinne nützen können.

    Kurz. Du weisst nicht, wie weit deine Lieben davon überzeugt wurden, man müsse dir ganz ganz böse Teufel austreiben, damit du wirklich zu dir selbst finden kannst...


  2. Die Klinik unterstützt die junge Dame dabei, diese kranke Beziehung zu Joe Abfall zu pflegen und aufrecht zu erhalten. Ein Joe Abfall der schwerst Heroin- und Alkoholsüchtig ist, der im Wald hinter der Klinik übernachtet, auf einer Bank im tiefsten Winter, der je länger je mehr einen desaströsen Einfluss auf die junge Dame hat. Denn (noch nicht zufrieden mit dem was man bis dorthin geboten hatte) in eine desaströse Richtung sollte sich noch die Beziehung zwischen den Beiden entwickeln.

    Die Klinik setzt sich vehement dafür ein, dass die junge Dame eher mit ihm eine Beziehung hat als mit dir.

    Eine Klinik die genau Bescheid weiss, wenn du auf der Station von Joe Abfall angerufen wirst um dir zu sagen, du sollst die junge Dame endlich in Ruhe lassen denn sie wolle nichts mehr mit dir zu tun haben.

    Eine Klinik die verschiedenste Unterhaltungen zwischen der jungen Dame und dir in den kleinsten Details an deine Mitpatienten weitergibt. Eine Klinik, die permanent und erfolgreich damit spielt, dass du je länger je mehr nicht weisst, wer was zu welchem Zweck und mit welcher Absicht macht. Eine Klinik in der dutzende und dutzende von Leuten Bescheid wissen, was gerade abgeht. Eine Klinik die genau weiss, dass du davon ausgehst, man wolle dir nichts Schlechtes, grundsätzlich und, gerade weil du deswegen kaum reagierst, immer krasser gegen dich vorgeht.

    Eine Klinik, in der du regelrecht Opfer von Mobbing wirst, unter den Augen von allen. Als du dann langsam die Conténance zu verlieren drohst, als du klärende Gespräche verlangst, siehst du wie der Oberarzt und der Pflegeleiter deiner Abteilung dies höchst amüsant finden und sich einen riesen Spass daraus machen, dich zu verabschieden, nach 3 Monaten Pause von harten Drogen und in gänzlich nicht für den Austritt geeigneter Verfassung.

    Eine Klinik in der dir die Therapeutin kurz vor der Eskalation und dem Point-of-no-Return sagt, du sollst ja die junge Dame aus dem Konflikt draussen lassen, denn sie sei noch nicht stabil genug um sowas durchstehen zu können.

    Eine Klinik die dann, wenn du die verschiedene Verantwortlichen zu Rede stellen möchtest, dich für Verrückt erklären lässt.

Nun frage ich dich, der gerade am lesen bist, was du glaubst wie du dich dabei gefühlt hättest?