December 11, 2011

3. Advent in Bern

 
Ich kann mir mein Elternhaus nicht ohne NZZ, Weltwoche, Geo und andere Zeitungen und Zeitschriften vorstellen. Bei meinem Grossvater gab es u.a. die Süddeutsche Zeitung. Täglich brachte der Pöstler die Zeitung und, nach dem Mittagessen, las mein Vater darin. Am Wochenende wurde dann noch gelesen, wozu die Zeit nicht gereicht hatte. Ausserdem wurden Zeitungs-Artikel ausgeschnitten und zwischen den Haushalten ausgetauscht. Meine Eltern, am Tisch sitzend vor je einer riesigen Zeitung: dieses Bild gehört untrennbar zu meiner Kindheit. Dann waren noch die Sachbücher meines Vaters, er konnte über so viele Dinge Bescheid geben. Wann immer eine technische Frage auftauchte, über die Funktionsweise einer Maschine oder über eine Technologie, wurde er gefragt und meistens gab es auf der Stelle eine umfassende Erklärung. Wenn nicht, hätte er es spätestens am Sonntag Abend gewusst. Auch in der Schweizer Geografie schien er sich so gut auszukennen wie in der eigenen Hosentasche: Kein Pass in diesem Land den er nicht als Jugendlicher mit dem Velo bezwungen hätte, kein Gipfel oder See den er auf Wanderungen nicht hätte benennen können.

Ich selbst habe immer wieder in der NZZ gelesen. Es war spannend und erleuchtend, Hintergründe und Zusammenhänge über aktuellen Themen zu erfahren. Heute noch glaube ich an die Wichtigkeit einer gut recherchierten und unabhängigen journalistischen Tätigkeit und bin der Meinung, dass ohne fundierte Informationen keine fundierte Debatte führen lässt — Debatte, die in der Demokratie eines der grundlegenden Elementen für Gerechtigkeit und Anpassungs-Fähigkeit ist.

Doch irgendwie ist all die aus einer NZZ gewonnenen Information oftmals ohne Pointe geblieben, ohne gefühlsmässige Erinnerung. Natürlich bringt die ernsthafte Erkundung der Komplexität unserer heutigen Welt zwangsläufig dazu, dass man immer zu mehr Fragen als Antworten gelangen wird, aber dennoch fehlte mir immer die im alltäglichen Leben umsetzbare Schlussfolgerung. Denn meiner Meinung nach bringt die Erforschung unserer Welt nicht viel, wenn wir daraus nicht zumindest einige Einsichten gewinnen können darüber, wie wir sie besser gestalten könnten. Darin besteht aber auch eine extrem grosse Schwierigkeit und Gefahr, eine Position einzunehmen die nicht allen gerecht wird. Guter Journalismus fällt wahrscheinlich nicht in diese Falle und beschränkt sich darauf, Fakten zu bringen und zu analysieren. Schlussfolgerungen sind schnell gezogen, die Richtigen genau so wie die Falschen. Um zu diese zu gelangen gibt es andere Formate, wie zum Beispiel Zeitpunkt.

Es gab da eine Werbe-Kampagne des Tages Anzeigers, in den 90 Jahren: Das bildfüllende Portrait eines alten, aus einem anderen Kontinent stammenden und zur dort eingeborenen Ethnie gehörenden Mannes, die Jahre tief in den Falten seines Gesichts graviert, einen sichereren und würdigen Blick in die Ferne, ein grosses Loch im Ohrläppchen und als Schmuckstück darin eine leere Alu-Dose mit der noch perfekt lesbaren Etikette "Pineapple Slices" und unter dem Bild gross geschrieben die Frage
MEHR KULTUR?

Für mich ist das bis heute die vielleicht beste Analyse und Synthese, die Verdichtung aller Aspekte der sich damals globalisierenden Welt in ein einziges Bild. Kultur ist Information, Kultur ist Kunst, Kultur ist Zivilisation. Kultur ist NZZ, Kultur ist Opernhaus, Kultur ist WTO (hat übrigens noch jemand etwas von der WTO gehört? Nicht wirklich, oder? Zu demokratisch, dieser Ansatz, für die neue Art zu wirtschaften? Dies ist aber eine andere Geschichte und ein anderer Post). Und Kultur ist die Zusammenhänge zwischen diesen Dingen zu erkennen! Kultur ist vielleicht eine subventionierte Bühne für eine Elite, ganz sicher aber die Gesänge dieses Mannes und seiner Mitmenschen, abends um das Feuer, bei Heiraten und Trauern, bei Geburten und Krankheit. Und Kultur ist diese Dose Ananas, die aus unserer Welt als Konsumgut ihr Weg in sein Ohr als Schmuck fand.

Zu beginn dieser Blogs habe ich mir Mühe gegeben, das Einschleichen von Fehlern zu vermeiden. Ich wollte ja keine falschen Angaben über Menschen machen und möglichst keine falschen Zahlen verbreiten. Ich denke, dass mit dem Menschen ist mir einigermassen gelungen, bei den Zahlen sind mir in letzter Zeit einige Fehler unter gelaufen. Doch ich erhebe nicht den Anspruch, gut recherchierte journalistische Arbeit zu leisten: Dazu habe ich zur Zeit weder die Kraft noch die Motivation. Ich kann mir die Freiheit nehmen Evolution und Soziologie, Ethnologie und Biologie durcheinander zu bringen. Journalismus darf das nicht. Aber im Gegensatz zu damals, im Elternhaus, bin ich der Meinung gibt es heute genügend Menschen die sehr gut recherchieren und es sich dennoch leisten können, die Dinge per Namen zu nennen. Heute haben wir z.B. Greenpeace, deren Arbeitsweise damals undenkbar war. Heute haben wir viele NGOs, die sich grosse Mühe geben und extrem gute Arbeit darin leisten, die von den Big Players gern verschwiegene Tatsachen zu nennen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ausserdem haben wir neue Technologien wie Internet und Smart Phones, die es jeder Art von Macht immer schwieriger machen, Fakten unter den Teppich zu kehren.

Dies ist auch eines der wenigen Gründe zur Hoffnung, die ich zur Zeit habe. Wenn es sich heute die Delegierten einer Klima-Konferenz nicht mehr trauen, ganz ohne Ergebnis zurück nach Hause zu fliegen, dann werden sie sich morgen nicht mehr trauen, Ergebnisse als pure Augenwischerei vorzulegen. Ein nicht wieder umkehrbarer Prozess ist ins Rollen gekommen und wird Machtstrukturen auf der ganzen Welt dazu zwingen, ihr Verhältnis zur Allgemeinheit zu überdenken. Dies heisst aber nicht, dass es nicht neue, sich angepasste Machtstrukturen entwickeln werden. Wer weiss, was ein Putin machen wird, angesichts der sich bildenden Opposition im Lande. Vielleicht wird er noch viel repressiver und blutiger gegen sein Volk vorgehen... Tröstlich ist dann die Gewissheit, dass sich auch in diesem Falle eine immer grössere Anzahl Menschen in Europa dafür einsetzen wird, kein Geschäfte mehr mit Putin zu machen — trotz Gas-Pipeline. Machthaber auf der ganzen Welt werden immer mehr gezwungen sein, Farbe zu bekennen: Dies ist ein Anfang.

Zu realisieren, dass immer mehr Menschen über die wichtigen Informationen verfügt und daraus auch die richtigen Schlüsse zieht, ist mehr als tröstlich: Es macht Hoffnung. Über gut recherchierten Daten und die daraus resultierenden Schlüsse verfügt eine Organisation, die in den letzten Jahren immer wieder sehr gute Themen aufgebracht hat und auch sehr interessante Initiativen lanciert und unterstützt hat: EvB.

Die Erklärung von Bern verdient meiner Meinung nach einen möglichst grossen Bekanntheitsgrad und eine breite Unterstützung. Sie gehört zu den Organisationen heute, die uns eine gute Analyse und Synthese der inzwischen in Unzahl vorhandenen Informationen ermöglichen. Organisationen, die uns nicht zum Gehorsam auffordern, zur tauben Gefolgschaft, sondern viel mehr zum mitdenken und mitgestalten. Organisationen die es auf sich nehmen, unglückliche Umstände anzusprechen und diese zu ändern zu versuchen. Die sich Gedanken darüber machen, in welcher Art von Welt wir in Zukunft leben möchten und, dem entsprechend, zu handeln bereit sind.

Denn dies ist vielleicht die grosse Herausforderung des neuen Millenniums: All die im Überfluss vorhandenen Informationen zu ordnen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen um eine Welt zu gestalten, in der es sich zu leben lohnt. Diese unsere und Gottes Welt so zu bewohnen, dass sowohl wir all als auch Gott daran Freude haben können. Die Informationen dazu haben wir. Zu den notwendigen Schlüssen gelingen wir langsam aber sicher. Nun sollten wir uns auf den Weg machen, die aus den Schlüssen entstehenden Schritte zu gehen. Dieser Weg wurde noch nicht begangen in Vergangenheit, oder nur von ganz wenigen. Das heisst aber nicht, dass wir ihn nicht als Menschheit gehen könnten. Und, wer weiss, vielleicht wird dieser Pfad je länger je schöner, vielleicht finden wir so unsere wahre Kultur, wenn wir uns einmal auf den Weg gemacht haben.
 
 

December 10, 2011

Anspruch (auch auf Mehrheit?)

 
Die SVP macht es den anderen Parteien wirklich nicht leicht, ihr einen 2. Sitz im Bundesrat zuzusprechen. Selbst jetzt, wo sie ihn offensichtlich bekommen hätte. Leider möchte sie nun ihren Anspruch auf einen 2. Sitz zu einem ganz anderen Anspruch ausbauen: Sie möchte entscheiden können, wie die Mehrheit im Bundesrat auszusehen hat.

Vor 1 Jahr war die SVP (im Gegensatz zu heute) noch bereit, den FDP-Sitz frontal anzugreifen. Man kann also davon ausgehen, dass sie mit Schneider-Ammann völlig zufrieden ist. Oder so.

Anders gesagt: Heute schient die SVP ihren so fest geforderten 2. Sitz faktisch nicht zu wollen. Ausgerechnet jetzt wo man ihn ihr gegeben hätte, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sie darauf weitere 4 Jahre warten wird.
 
 

December 08, 2011

halb gedachte Ideen

 
All diese Themen, all diese halb gedachte Ideen die mich begleiten, wie viele Freunde zu denen man einmal den Kontakt verloren hat und die wie mögliche Geschichten in möglichen Zeiten unser Leben begleiten: Die Fülle der Erinnerungen und die noch grössere Fülle der Wahrscheinlichkeiten. Diese Fetzen von Gedanken liegen Brach, irgendwo notiert und im Kopf untereinander verbunden, auf der Schwelle zu uns in der Welt meiner Träume. Kraft und Lust reichen nicht aus, um das Wunder einer immer neuen Geburt zu gestatten. Wie Lachse, oben angekommen, warten sie auf die Fortsetzung ihrer Geschichte — dass sie aber nicht die Fortsetzung ihrer Geschichte sind, wird ihnen erst langsam bewusst. So gerne würde ich meine halb gedachten Ideen in unsere Welt bringen, doch... ich bin auch nur ein Mensch.
 
 

December 06, 2011

der Punkt über die Zeit

 
Lesetipp.


Zeitpunkt
Die Zeitschrift für intelligente Optimisten
und konstruktive Skeptiker.



Wenn Sie Geld für gedruckte Medien ausgeben (und die Schweizer tun dies weiterhin sehr eifrig), dann sollten Sie vielleicht versuchen Geld für etwas wirklich interessantes und sinnvolles auszugeben.

Zeitpunkt ist eines dieser Medien, die unsere Welt braucht. Doch mit so wenig Klatsch und Tratsch, ohne Kolumnen der verschiedenen gesellschaftlichen Wahne (Schönheit, Reichtum, Erfolg, usw.) lässt sich doch offensichtlich eine Zeitschrift schlechter verkaufen als andere. Und so kämpft Zeitpunkt immer wieder ums Überleben.

Und da drängt sich die Frage auf: Soll South Park wirklich die einzige Art und Weise werden, in der gewisse Wahrheiten ausgesprochen und verbreiten werden können? Ich liebe South Park, aber ohne Medien wie Zeitpunkt wäre es nur eine blödsinnige Serie. Siehe auch den hier verlinkten Post "Der Park im Süden".


Unter www.zeitpunkt.ch gibt es weitere Infos und ein Formular für die Bestellung eines Schnupperabos.





Mit Zeitpunkt kann man zu Informationen kommen, die in Zeitschriften und Zeitungen noch eher selten zu lesen sind. So leistete sie zum Beispiel einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die Geldschöpfung und das gesamte Geldsystem.


Henry Ford, einer der ganz Grossen in Sachen Fortschritt, sagte mal
Wenn die Menschen die Geldschöpfung verstehen würde, gäbe es am nächsten Tag eine Revolution.
Nun verstehen die Menschen langsam aber sicher die Geldschöpfung und eine Revolution muss her: Sie darf aber nicht wie so oft mit Gewalt durchgesetzt werden. Lasst uns doch zusammen die Art wie Geld generiert ung benützt wird revolutionieren! Henry Ford träumte vom Auto für jedermann und setzte dazu die ersten Fliessbänder ein. Der grundlegende Widerspruch dieser 2 Dinge ist wirklich schon frappant. So ähnlich verhält es sich mit dem Geld, wie wir es heute kennen: Es birgt das Versprechen in sich man könne weit kommen, in Wahrheit steht man dann sein Leben lang am Fliessband.


Wir stehen heute in der Zwickmühle: Auf der einen Seite unser Wohlstand, die Sicherung der Arbeitsplätze und der Sozialwerke — was dies angeht kann man das Vorgehen der Nationalbank eigentlich nur begrüssen — auf der anderen Seite ein weltweites System der Geld-Schöpfung und -Verbreitung, das eigentlich völlig undemokratisch ist und das mehr mit einem guten Zaubertrick zu tun hat als mit Real-Wirtschaft — in diesem Kontext ist die Schweizer Nationalbank ein sehr wichtiger Mitspieler eines Spiels, dessen wir uns erst langsam überhaupt bewusst werden. Dieses Spiel hat sich derart zugespitzt, dass wir es auf der ganzen Welt mit Existenz-Ängste zu kämpfen haben — berechtigte Ängste. Während wir versuchen, eine Katastrophe zu vermeiden, sollten wir aber nicht vergessen, unsere Aufmerksamkeit auch noch auf die grundstätzlichen Problemen zu richten. Es stehen so viele Herausforderungen vor uns — spannende und genügend grosse Herausforderungen — da wäre es schade wenn wir gerade einmal unsere reale Existenz in einer virtuellen Welt des Gelds sichern können.

Die Art von Virtualität die uns wirklich bedroht, ist nicht die der PC's oder der Games, sondern der Finanz. Diese könnte uns wirklich um die auf unserem Kontinent so schwer errungene Demokratie bringen!