February 26, 2011
das Urteilen
Im Umgang mit Menschen, die ich als Freunde bezeichnen würde, habe ich immer darauf geachtet, möglichst korrektes Verhalten einzubringen. Nicht, dass ich mich damit gross beschäftigen musste oder mich anders geben als meiner Natur entsprechend. Während der Zeit eines Lebens, kommt jeder von uns wiederholt in die Situation, Entscheidungen treffen zu müssen — und sei es nur eine kleine Lüge zu erzählen oder nicht. Ich habe mich einfach besser gefühlt, wenn ich ehrlich gesprochen habe und nichts zu verbergen hatte. Irgendwann wurde mir mein Handeln bewusst, doch eher beim zurück schauen, in die Vergangenheit und auf die schon getroffenen Entscheidungen. Auf diese Weise wurde mir klar, dass ich ein extrem loyaler Freund bin. Diese meine Eigenschaft konnte wiederum auch ganz ganz einfach missbraucht werden, wenn Menschen um mir herum es auf mich abgesehen hatte. Doch dazu irgendwann demnächst, in einer anderen Geschichte.
Wir hängten wie üblich herum, eine ganze Gruppe Jugendlicher, in und um eine Bar des Dorfes. Man traf immer wieder neue Menschen, machte neue Bekanntschaften, hielt Ausschau nach Spass und dem weiblichen Geschlecht. Wie so oft, war ich der Jüngste weit und breit. Und so kam ich zum Beispiel in den Genuss von Ausflüge an den See oder in die Berge, in den Club nach Lugano oder Ascona, noch lange bevor ich das Alter für den Führerschein erreicht hatte. Bekannte aus der Schweiz und Italien nahmen mich immer wieder mit, ich gehörte zur Gruppe. Jedenfalls, kommt eines Tages ein Typ auf mich zu, der bekanntlich sehr Viel von sich hält und grosses Interesse an seinem Aussehen hat. Er sagt mir, er wolle mir etwas sagen, ich solle mit ihm nach draussen. Dort, nähert er sich mir, tut so als wolle er gerade beginnen zu reden, und lässt einen riesen Furz fahren. Dann lacht er sich halb krumm. Ich sehe ihn an, warte kurz, und frage ihn ob dies wirklich alles sei, was er von sich zu geben habe. Wir wurden irgendwie Freunde. Wir wurden sogar gute Fruende. Wenn er nicht all zu sehr mich sich selbst beschäftigt war. Und ich mit mir. Wir haben auch wirklich wunderbare Dinge zusammen erlebt. Wir haben oft zusammen gelacht. Ich habe sehr schöne Erinnerungen. Darüber später mehr.
Bis heute weiss ich nicht, weshalb er diese Art mich kennen zu lernen so derart lustig fand. Wie auch immer... Durch mein Umgang mit älteren Leute und mit Italienern, die in der Schweiz arbeiteten und ihre Freizeit verbrachten, und durch mein natürliches Interesse an etwas speziellen Menschen, habe ich mit der Zeit einige sehr sehr interessante Zeitgenossen kennenlernen dürfen. Darunter auch ein Italiener, für den ich bis heute sehr grosse Zuneigung empfinde, obwohl wir uns schon seit vielen Jahren nicht mehr getroffen haben. Dieser Freund ist auch der einzige Mensch dem ich etwas angetan habe, worüber ich wirklich nicht stolz bin und das ich als Verrat bezeichnen könnte. Bis heute schmerzt es mir, getan zu haben was ich getan habe. Ich denke, er ist sich sofort aller mildernder Umstände bewusst gewesen: Offen vorgeworfen hat er mir mein Handeln nicht. Im Gegenteil, von sich aus hat er nach Erklärungen für mein Verhalten gesucht und mit mir darüber gesprochen. Vielleicht war auch seine Einsicht dermassen Verletzend, das Fehlen von Wut. Vielleicht später einmal zu den Ereignissen. Jetzt sollte der Ausdruck reichen: "Cherchez la femme!"
Whatever... Ich möchte damit sagen, dass wenn man darauf achtet, sich korrekt zu verhalten im Umgang mit seinen Mitmenschen, dann wird einem in späteren Jahren so einiges ab Ballast erspart, das man dann entweder gut zu machen oder zu verdrängen versucht. Es geht absolut nicht darum, es jedem richtig tun zu wollen, dies wäre der komplett falsche Ansatz. Es geht viel mehr darum sich so zu verhalten, dass man später damit leben kann. Und dies im Bewusstsein, dass man sich stetig ändert, dass was heute gut war morgen vielleicht schon völlig verkehrt sein könnte. Doch es gibt Einstellungen gegenüber den Mitmenschen, die auch solches zeitlich bedingte Urteil überwinden. Und dies ist für mich auch der Beweis, dass es Werte gibt, die man irgendwie schon fast als "universal" betrachten könnte. Werte, welche die Würde des Andern respektieren. So weit, so gut. Schwieriger, viel viel schwieriger, wird diese Haltung in der Rolle des Eltern-Teils. Denn, was man auch tut, kann man es hier nur falsch machen, sozusagen. Oder richtig. Es ist einfach nicht zu vermeiden, seinen Nachkommen den eigenen "Stempel" aufzudrücken. Mit allem Positiven und Negativem das daraus folgen wird. Und dennoch: Ich bin der Überzeugung, dass die Werte, welche im Umgang mit Freunden bestand haben, genauso bei der Erziehung der eigenen Kindern ihre wertvolle Dienste erweisen würden.
Noch schnell zum ersten Kollegen, der mit Furz. Wir haben sehr viel Zeit zusammen verbracht, wir haben sehr viel zusammen erlebt. Zum Beispiel haben wir zusammen das erste Mal Heroin konsumiert — dies werde ich ein ander Mal im Detail erzählen. Doch wir sind auch zusammen in die Ferien, ohne Drogen. Wir sind zusammen Ski Fahren, ohne Drogen. Jedenfalls erzählte er mir eines Tages, dass seine italienischen Landsleute und Kollegen auf ihn eingeredet hätten, er solle sich von mir fern halten, denn ich hätte einen schlechten Einfluss auf ihn. Er erzählte mir dies, weil ihm genau bewusst war, wie dies nicht stimmte. Denn niemals habe ich ihn zu etwas gedrängt oder auch nur überreden wollten, weder er mich. Immer war es für uns überhaupt kein Problem, wenn jeder seinen eigenen Weg ging um dem nach zu gehen was ihn interessierte. Später traf man sich wieder und hatte um so mehr Freude an der gemeinsamen Zeit. Es kommt der Tag an dem mein Kollege heiratet, im Tessin wo seine Eltern leben. Dort wo auch unsere Bekannte aus jüngeren Jahren noch leben. Als Hochzeits-Geschenk habe ich ein silbernes Tablett. Zugegeben: nicht wirklich das originellste Andenken, das man auswählen kann. Es sind aber, zu meiner Verteidigung, ganz schlechte Zeiten für mich, ich befinde gerade in einem rechten Tiefpunkt. Ausserdem: Was schenkt man einem Sizilianer aus einer Pastor-Familie zur Hochzeit? Ist nicht einfach, das könnt ihr mir glauben. Wie auch immer... Das erste Kommentar aus den Reihen der Bekannten im Tessin tönt in aller Lautstärke über den Köpfen aller Anwesenden: "Und das Koks? Hast du das auch mitgeliefert?" Es war ein peinlicher Moment. Vor allem, weil den frisch Vermählten und mir absolut klar war, wie absurd diese Frage war: Niemals habe ich auch nur einen halben Gramm Kokain diesem Freund zukommen lassen. Weder Koks noch sonst was. Wenn wir konsumierten, tat das jeder von uns weil ihm danach war. Und Tatsache ist, dass wir bis heute guten Kontakt haben; obwohl er seit Jahren nichts mehr mit Drogen zu tun hat, ein vorbildlicher Ehemann und Vater ist, seinem gefundenen Glauben folgt. Dennoch hat er mir nichts vorzuwerfen, selbst wenn ich bis heute nicht von den Drogen loskommen konnte. Selbst wenn ich durch die Psychiatrie fast drauf gegangen wäre — eine ganz neue Dimension und Qualität der Ereignisse, in unseren Leben. Doch die Urteile, die sich Menschen über andere machen, können noch so entfernt von der Realität sein: Wer daran glauben möchte, der wird auch daran glauben. Ich habe mir verkniffen, den Typen der diesen respektlosen Spruch klopfte zu fragen, was er als Geschenk auf das Grab seines Opfers brachte, damals, als er bei einem Autounfall einen Menschen tötete, der völlig ohne Schuld das Pech hatte, auf der Gegenfahrbahn zu fahren, als er mit seinem Renault 5 Turbo protzen musste. Was für ein bescheuertes Auto, by the way, wenn man nicht zufällig auch Rally-Fahrer ist!
Ich kann mich so gut daran erinnern, als ich einmal in der Valle di Muggio in Tränen ausbrach. Der einzige Mensch der mich an diesem Abend auf die Seite nahm und tröstende Worte sprach, war ein Kollege der kurz vor seinem Tod an Aids stand. Dieser Typ nahm sich Zeit und sprach zu mir, obwohl er derjenige war, der am wenigsten Zeit von allen hatte. Und dies wusste. Darüber ein ander Mal mehr.
Wenn ich an diese zwei Bekannte denke, der in Muggio und der mit dem Spruch an der Hochzeit, stellt sich für mich die Frage, wonach man überhaupt beginnen könnte, Menschen zu beurteilen... Die einzige für mich mögliche Antwort: Mit dem Herzen. Ich kann damit leben, wie ich meine Mitmenschen behandelt und betitelt habe. Und die Welt ist, unter anderem auch deswegen so schön, weil sie vielfältig ist. Wie ihre Menschen.
February 23, 2011
der beste Freund
BREAKING NEWS
==============
Es wurde uns ein Bild zugeschickt, dass viel Aufsehen erregt hat. Es handle sich dabei um Doktor Y's Hund, sagte die Quelle. Hier das Bild.
Autor unbekannt
Viele Menschen haben sich an der Aufmachung des Hundes empört: Tier-Quälerei! Das Argument, Doktor Y sei ein grosser Fan von HULK konnte die Menschen auch nicht besänftigen. Siehe auch die hier verlinkten Posts über Doktor Y und Hulk. Also wollte man der Sache auf den Grund gehen und herausfinden, ob Doktor Y wirklich ein solcher Mensch ist, der seinen besten Freund für dumme Spielchen auf diese Weise missbrauchen könnte. Und... Es kam erstaunliches ans Licht! Zum Einen scheint es, Doktor Y habe keinen Freund! Kein Hund möchte ihn, diesen Typen, sagen die Informations-Quellen. So (H)ulkig dies auch scheinen mag, kein Hund möchte Freund von Doktor Y sein. Doch, viel wichtiger für die aufgebrachten Menschen, war die Information die wir von verschiedenen Tierschutz-Organisationen bekamen: Das Bild zeige nicht den Hund von Doktor Y, nein... Es handle sich hier (Überraschung!) um den Hund von Direktor Gebrochene Lanze, also um Doktor Y himself!
Plötzlich waren alle zufrieden, sie konnten darüber lachen, wie sehr sie sich doch empört hatten. Und sie fragen sich, wie sie nicht selber auf die Idee kommen konnten. Es sei ja eigentlich offensichtlich gewesen.
Whatever... Um eine Erleichterung reicher, bleiben wir an der Sache dran.
Hier sind weitere Beiträge der Serie "Breaking News" zu finden
February 21, 2011
demokratisch geschossen?
In Libyen (offiziell "Great Socialist People's Libyan Arab Jamahiriya"!) wird aus Helikoptern und Kampf-Flugzeuge in die Menge geschossen. Auf — zumindest zu beginn — friedlich demonstrierenden Menschen! Söldner aus dem Ausland schiessen auf das Volk. Vielleicht Söldner mit einem Schweizer Arbeits-Vertrag; sind in der Schweiz doch um die 20 solcher Firmen registriert. Das selbe Libyen, das man vor noch sehr kurzer Zeit in den "UN-Menschenrechtsrat" aufgenommen hat und in Europas Präsidenten-Palästen hofieren liess. Eigentlich reicht das schon, um so ziemlich die ganze Absurdität gewisser Vorgänge zu umschreiben, die in der heutigen Welt statt finden.
Viele haben damals geschimpft, wenige haben etwas dagegen unternommen. Ich kann mir vorstellen, der allgemeine Tenor lautete "Schwellenländer (auch in Sachen Demokratie und Menschenrechte) sollten partizipativ miteinbezogen werden, damit sie in ihrem Prozess der Demokratisierung unterstützt werden können." Wie heuchlerisch am Ende des Tages solche Beschönigungen sind, zeigt sich zur Zeit in voller Klarheit rund um das Mittelmeer. Es zeigt sich wenn man die Reaktionen der USA zu den verschiedenen Revolutionen verfolgt. Es zeigt sich wenn man die Reaktionen vom Rest der Welt verfolgt. Die UNO, zum Beispiel. Ich habe in den Bericht-Erstattungen der letzten Wochen nicht einmal das Wort UNO gehört. Sollte dies nicht anders sein, eigentlich? Oder zeigte Israel ganz deutlich, dass die UNO nur noch einen Bericht erfassen kann, nach den Ereignissen? Wie auch immer... Wir alle haben mitbekommen, wie sehr sich die USA im Clinch befanden, als es mit den Demonstrationen und den Forderungen nach mehr Demokratie losging. Es zeigte sich besonders in Ägypten, der ein sehr wichtiger Verbündeter ist, und es wird sich noch viel mehr in Bahrain zeigen, wo die US-Navy einen für die Öl-Versorgung strategisch wichtigen Stützpunkt haben.
Man hat über Jahrzehnte hinweg Systeme unterstützt, die den einzelnen Menschen mit Füssen behandelt haben. Alles in Namen einer fraglichen "Stabilität". Nun, wo diese die Menschen in diesen Ländern aufstehen und nach dem verlangen wofür die USA zu stehen behaupten, nämlich Demokratie und Freiheit, nun sehen sich diese selben USA plötzlich mit Problemen konfrontiert. Sie fürchten um ihre Demokratie und Freiheit. Wie kann das aber sein? Mal angenommen, ich behaupte das Glück gefunden zu haben, mal angenommen ich behaupte mein Glück auch aufrecht erhalten zu können, kann ich dann doch nicht kommen und mir Sorgen darüber machen, wenn ein Anderer das genau identische Glück für sich beanspruchen möchte. Es kann doch nicht sein, dass sich mein Glück auf das "nicht glücklich sein" eines anderen stützt. Welche Art von Glück wäre das schon? Es ist wie mit dem Reichtum. Wie reich können wir wirklich sein, ganz egal wie gross unser Vermögen auch sein mag, wie reich sind wir wirklich, solange derartige Armut auf der Welt noch existiert? Und obwohl es nach heutiger (vielleicht zynischer) Betrachtungsweise bei Reichtum und Armut schon um eine Glaubensfrage handelt — ist jeder Mensch doch für seinen Erfolg selbst verantwortlich — sieht die Sache bei Demokratie und Menschenrechte anders aus. Denn diese sind nach westlichen Kriterien ganz einfach Grundrechte. Also ist es schon konzeptuell vollkommen unmöglich, dass sich Demokratie im eigenen Land auf Nicht-Demokratie im Ausland stützen darf.
Doch genau dies geschieht immer öfters. Man geschäftet mit Ponzius und Pilatus, mit China und Gheddafi. Man tut dies im Namen der Wirtschaft und der Verbreitung von Demokratie. Bull-Shit! Man geschäftet mit Gheddafi weil er uns die Flüchtlinge vom Hals hält. Wie oft hat man während der Krise zwischen Libyen und der Schweiz gehört, wie unbedeutend das Geschäfts-Volumen mit Libyen sei? Wie oft wurde beteuert, egal was geschehe, die Schweizerische Wirtschaft sei nicht von dieser Affäre bedroht. Die EU beziehe 10% ihres Öl- und Gas-Bedarfs von Libyen. Gheddafi hat dudtzende Rumänische Krankenschwestern und zwei Schweizer als Geisel genommen. Doch, sobald die Schweiz von den Regeln des Schengen-Abkommens Gebrauch machte um Gheddafi unter Druck zu setzen, stand halb Europa auf der Matte des Bundesrats und wollte die Sache so rasch wie möglich geregelt haben. Heisst: Wieder in einer Schublade versorgt. Genau so wie die Flüchtlinge die in den Gefängnissen von Libyen untergebracht werden, noch bevor sie nach Europa können. Sie verschwinden dort, wie Migrations-Dossiers der Europäischen Minister in der Schublade verschwinden können.
Gerade habe ich von den Drohungen Gheddafis gehört, die Flüchtlinge ungehindert nach Europa zu lassen, wenn die EU weiterhin Solidarität mit den Protestierenden bekünde. Und, welche Überraschung, mehrere EU Aussen-Minister haben gar nicht auf diese Worte reagiert! Aber grosse Besorgnis über das Horror-Szenario einer Islamischen Abspaltung der östlichen Landesteile (die am Nächsten zu Europa liegen), diese wurden sofort geäussert. Auch die Sorge über die Versorgungs-Probleme bei Öl und Gas wurde zum Ausdruck gebracht. Als ob die Menschen die auf den Gheddafi-Clan folgen würden nicht grösstes Interesse daran haben würden, genau das selbe Geschäft weiter zu führen, was unglaubliches Reichtum für einige Wenige ins Land gespült hat. Das Reichtum nämlich, was die westliche Welt bereit gewesen ist, einer absolut skrupellosen und menschen-verachtenden Diktatur wie die Libysche zukommen zu lassen, um das eigene Reichtum abzusichern.
Gott sei Dank, konnte man genügend Druck auf Mubarak ausüben, um zu vermeiden dass er aus Helikoptern heraus in die Menge schiessen liess. Doch wer wird Gheddafi daran hindern, dies weiterhin zu tun? Der UN-Menschenrechtsrat? Oder wird Gheddafi dort sein Veto einlegen, ganz demokratisch...?
February 20, 2011
blau & gelb
Beim Aufwachen erinnerte ich mich an einen Traum, heute. Geschieht nicht oft, zur Zeit. Keine schlimme Albträume, kein Weinen, kein Lachen, meistens nichts. Heute aber wieder. Es ging um Demütigung, Konflikte, Erwartungen, Vertrauens-Missbrauch, Verdächtigungen. Nicht wirklich angenehm. Und dennoch... Ich träume, also lebe ich.
Ich weiss noch was für Albträume ich als Kind hatte. Es war immer wieder der selbe Traum. Immer wieder der selbe Schmerz. Immer wieder dieses Gefühl des... Des was? Ich weiss es nicht. War es ein Ur-Schmerz? Ich meine... Der Traum ging so: Da waren die Farben Blau und Gelb. Sonst nichts. Ein dunkles Blau, ein tiefes dunkles Blau, fast Schwarz. Eine schöne Farbe, eigentlich. Ich hatte nie ein Problem, mit Blau. Und dann das Gelb, in etwa wie auf der schwedischen Fahne. Sonnig. Auch schön. Die Farben begannen sich zu bewegen, so ähnlich wie sich Flüssigkeiten bewegen. Dick-Flüssiges, dass sich gegenseitig abstösst, sich nicht vermischen kann. Runde, geschmeidige Formen entstanden. Die zwei Farben waren alles, was es gab. Das Blau verdrängte das Gelb. Und es wurde immer grösser. Immer grösser. Das Gelb, wurde immer weniger. Es drohte zu verschwinden. Und so bewegten sich diese zwei Farben. Hin und her. Ohne rasche Bewegungen. Ohne sich zu vermischen. Ruhig, anschaulich. Geschmeidig. Undramatisch. Und doch... Dieser Schmerz! Er war fast nicht auszuhalten. Es drückte auf mein Herz. Mein gelbes Herz, das vor lauter Schmerz zu verschwinden drohte. Dann wachte ich auf. Immer und immer wieder. Immer mit diesem Schmerz der sich aus der Traum-Welt in diese reale Welt hinüber tragen liess, vom Akt des Aufwachens. Es vergingen einige Minuten, und alles war wieder in Ordnung. Der Schmerz vergessen. Das Herz in Ordnung. Das Blau kein Grund zur Sorge. Mein Alltag war überhaupt nicht von diesen Träumen tangiert. Nichts erinnerte mich den Tag über an diesen nächtlichen Schmerz. Nichts von diesem Schmerz beeinträchtigte irgend einen Bereich meines Lebens. Ich habe mir später, als Erwachsener, viel mehr Gedanken über diese Träume gemacht als damals, als ich sie hatte. Bis heute weiss ich nicht was diese Farb-Welten zu bedeuten hatten. Und ich habe auch keinen Menschen getroffen, der mir von solchen Albträumen erzählen konnte. Darüber gelesen habe ich auch nie. Blau und Gelb. Himmel und Sonne.
Ich finde es heute einfach erstaunlich, wie sich ein offensichtlich grundlegender Schmerz mit einzig zwei Farben ausdrücken lässt. Mit welcher absoluten Einfachheit eines der vielleicht schwierigsten Gefühle eines Menschen in der Kindheit und im Traum sich zu offenbaren weiss. Später, später wird alles viel viel komplizierter, unergründlicher, undeutbarer. Doch dieser Schmerz, den ich fühlte als ich unter einem Tisch lag und weinte, den ich fühlte als ich nichts mit mir zu anfangen wusste, keine Berufung fühlte, dieser Schmerz war im Grund genommen der Selbe. Der tiefste Schmerz in meinem Herzen. Der Lebensschmerz. Des Lebens Schmerz. Nacht-Blau, das Gelb verschluckt. Licht, das sich vor der Finsternis schützen muss. Leise. Leidend. Von Schmerz erfüllt, weil es feststellen musste, dass die Finsternis überhaupt den Willen hat, das Licht zu löschen. Ja, vielleicht ist es dies, was mir Schmerz verursachte. Die Tatsache, dass Blau bestimmten Gesetzen zu unterliegen scheint, die es dazu drängen oder zwingen, die Überhand über das Gelb zu nehmen. Weshalb? Das Geld ist eine wunderschöne Farbe. Nacht-Blau auch. Und erst nebeneinander, werden die Qualitäten einer Jeden von ihnen überhaupt erkennbar. Weshalb also sollte ein Blau Interesse daran haben, das Gelb zu verschlucken? Wäre da nur noch Blau, niemand würde es überhaupt wahrnehmen und zu schätzen wissen. Es wäre die reine Langeweile. Wieso können also nicht Blau und Gelb nebeneinander existieren, sich gegenseitig aufwertend, anstatt sich gegenseitig bekämpfend? Weshalb scheint das Blau zu denken, es wäre besser dran, nachdem es das Gelb verschluckt hat? Weshalb kann es nicht erkennen, wie das Auslöschen des Gelbes wahrscheinlich dem Auslöschen seiner Selbst gleichkommen würde?
Und, wie alles eine Kehrseite hat, so gibt es auch für die Verdrängung des Lichtes durch die Finsternis eine ganz einfache Umkehrung, die grosse Mitmenschen auch zu besingen wissen.
There is a crack in everything,Nicht nur hat, sozusagen, jedes Gelb sein Blau...
that’s where the light comes in.
Leonard Cohen
jedes Blau hat auch sein Gelb.
Subscribe to:
Posts (Atom)