Ziemlich zur selben Zeit als Doktor Y mich aus der Psychotherapie-Station für eine "Auszeit" zur Therapie-Station verfrachtete, machte einer der Pfleger folgende Bemerkung:
Sie sollten wissen: Jeder [Patient] der sich hier auf der Psychotherapie-Station befindet, wird recht gut beobachtet. Ja... Hier wird man ziemlich genau beobachtet.
Und jetzt? Soll mir das irgendwas sagen? Etwas erklären? Soll mir damit klar werden, dass man mich eigentlich rausschmeissen musste? Soll das irgendwas erklären? Was...? Damals ging ich noch davon aus, man wollte mir nichts Schlechtes. So kam es, dass ich nicht nachfragte.
Jeder Ethnologe und jeder Physiker kann ein Lied darüber singen, wie problematisch "
Beobachtung" sein kann. Denn, die Beobachtung selbst beeinflusst viel zu oft das Beobachtete. Doch, nicht zufrieden damit, eine äusserst eingreifende Beobachtung als reine wissenschaftliche Darstellung der Fakten zu verkaufen versuchen, hat man sich in der
Harten Klinik entschlossen einen folgenschweren weiteren Schritt zu machen: Man hat konsequent und im höchsten Grade Einfluss auf das "Beobachtete" genommen um dann sowohl die Einflussnahme wie auch die Beobachtung selbst zu leugnen (zumindest mir gegenüber)!
Angela Di Sanza: Ti guardo! ...mi vedi?
Zur Veranschaulichung: Gerade fand die Fussball-WM statt, also nehme ich ein Fussballspiel als Kulisse für die Erklärung. Du, der am lesen bist, spielst mit deinem Team als Gast beim Top-Favoriten, in seinem Heim-Stadion. Schon in den ersten Minuten, als der Ball ins Aus gespielt wird und ein Spieler der gegnerische Mannschaft zur Seitenlinie geht um dort den Ball einzuwerfen, geht der Assistent vom Schiedsrichter zum Spieler hin und redet auf ihn ein. Es fallen mehrere Sätze, der Spieler hört nur zu ohne etwas zu sagen, nickt aber wiederholt als Zeichen dafür, dass er alles verstanden hat. Nun bringt er den Ball wieder ins Spiel und dieses geht weiter. Als der Spieler zum ersten Mal in deine Nähe kommt merkst du wie er sich umschaut und dann, völlig überraschend, tritt er dir ins Schienbein. Die Schmerzen jagen durch deinen Körper. Du liegst am Boden. Als du dazu in der Lage bist, schaust dich um, nach dem Schiedsrichter Ausschau halten, nach der Roten Karte suchend. Nichts. Absolut nichts. Niemand scheint überhaupt irgendwas mitbekommen zu haben. Das Spiel geht weiter. Bei nächsten Einwurf, geht der Linienrichter auf einen anderen Spieler zu und es wiederholt sich das Gespräch von voran. Kurz darauf liegst du wieder mit dem Gesicht nach unten am Boden. Der Schmerz ist so stark, du beisst ins Grass, ohne es überhaupt bewusst zu merken. Du stehst auf, nimmst dir die Grashalme aus dem Mund, schaust dich um. Nichts geschieht. Das Spiel wurde, wie zuvor, nicht einmal unterbrochen. Beim dritten Mal platzt dir der Kragen: Du gehst zum Schiedsrichter und fragst ihn, ob er denn Tomaten auf den Augen habe. Er verwarnt dich wegen Mangel an Respekt. Gesehen, habe er nichts. Du gehst zum Seitenrichter und bittest ihm um eine Erklärung. Dieser sieht dich völlig verdutzt an und fragt zurück, wovon hier überhaupt die Rede sei. So geht es eine ganze Weile weiter. Als der erste Spieler der dich angegriffen hat wieder dran wäre, als du weisst jetzt würdest du den vielleicht 10 Fusstritt verpasst bekommen, hasst du keine Geduld mehr und verpasst ihm einen Fadengraden. Du, natürlich, bekommst sofort die rote Karte. Am nächsten Tag wirst du von allen in der Luft in Stücke zerissen. Die Zeitungen schreiben, Spieler wie dich habe der Fussball weiss Gott nicht nötig: Nicht nur würdest du ununterbrochen irgendwelche erlittenen Fouls simulieren, nein, wenn deine schauspielerischen Fähigkeiten nicht ausreichen, schreckst du nicht davor zurück, den wichtigsten Spieler der Gegenmannschaft mit einer Box-Einlage aus dem Spiel zu nehmen. Eine Schande seist du, für deine Mannschaft, für deinen Coach, für die Fans, für den Sport, für die Jugend die Vorbilder braucht, für das Geld was du verdienst und nicht wert bist.
Was würdest du nun unternehmen, bevor du dich am nächsten Wochenende ins nächste Spiel stürzt? Mit wem würdest du reden wollen? Worüber würdest du reden wollen? Was würdest du nun als Argumente bringen? Würdest du überhaupt versuchen, jemanden zu beschuldigen? Würdest du die ganze Wahrheit erzählen, wie du sie anscheinend als Einziger erlebt hast?
Kannst du diese Fragen beantworten? Wüsstest du, was zu tun wäre? Nun... Ich, ehrlich gesagt, wusste es nicht wirklich.
Man hat mich also genau beobachtet? Und was will man beobachtet haben? Und soll das Beobachtete einfach das wiedergeben, was meine Person ausmacht? Ausserhalb der Klinik und ausser Reichweite dieser völlig durchgeknallten Linienrichter? Pardon, Psychiater, meinte ich... Wissenschaftlich arbeitenden Psychiater! Dazu kommt noch, dass einige Männer der Bundespolizei das Ganze mitbekommen hatten. War es also derart abwegig von mir anzunehmen, dass der Linienrichter nicht einfach so weitermachen konnte, als wäre nichts geschehen? War es daneben, wenn ich davon ausging, er hätte sich für seine Taten verantworten müssen. Wie sich auch die Spieler für ihre Taten hätten verantworten sollen? Doch, zu meiner Überraschung: Verantworten musste sich bis heute kein Schwein. Dafür konnten sich einige über mich lustig machen und sich bestens amüsieren. Sie fragten mich
Wie war das? Zwei Agenten und das Problem ist gelöst?
Wie bitte? Was habt ihr gerade gesagt? Also wisst ihr über mein Problem Bescheid! Ihr wisst, was man mit mir gemacht hat! Die Antwort darauf
Wovon redest du denn überhaupt?
Und, um es wieder einmal angesprochen zu haben: Dies war erst der Anfang! Dass die Ereignisse auf dem Spielfeld (heisst in der Harten Klinik) nicht dort aufhörten, dass ab diesem Zeitpunkt jeder Tag meines Lebens — bis hin zu den Privatbeziehungen und dem Umgang mit Institutionen und Behörden — mit Vorkommnisse dieser Art vollgespickt sein sollten, ist auch Teil der "nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführten Beobachtung", die von der Harten Klinik durchgeführt wird. Dazu mehr demnächst.
Ich gehe inzwischen nachsehen, ob die Seitenlinie auf dem Fussballfeld gerade gezogen wurde. Dabei wird man mich wenigsten ziemlich sicher nicht stören... Und auch nur weil ich damit niemanden schaden kann: Das interessiert schlicht und einfach keine Sau! Mehr sollte ich mir zur Zeit nicht zumuten wollen. Leider leider habe ich mehr als 2 Jahre benötigt, um diesen Gedanken überhaupt einigermassen akzeptieren zu können. Ob dies die Resultate der "
Beobachtung" beeinträchtigt haben kann? Ob dies einen negativen Einfluss auf Auswertung und wissenschaftlichen Schlussfolgerungen und Ableitungen haben könnte? Was soll's...? Schon wieder denke ich darüber nach. Dabei sollte ich ja nur kontrollieren, ob die Linie gerade ist!
Vorbild-Funktion in der Sportwelt. Harte Klinik zeigt allen, wie echter Teamgeist aussieht: Ein Herz und eine Seele!
Bild: Fabien Perez