Ein brisanter Beitrag der
Rundschau vom Schweizer Fernsehen: Ein Mann, 66 Jahre alt, 4 Töchter, die Frau vor kurzem gestorben. Er entscheidet sich nun, seinen verdrängten Wunsch nicht mehr zu unterdrücken, seine Gefühle nicht mehr zu ersticken. Er findet einen Arzt der ihm die gewünschte Operation verordnet. Der Mann sollte aber noch ein halbes Jahr warten. Kann er aber nicht...
Die Operation wird durchgeführt. Der Mann, nun eine Frau, ist sichtlich zufrieden und bereut auch nach Jahren seine Entscheidung nicht. Schon seit langer langer Zeit wusste er, eine Frau im Körper eines Mannes zu sein. Durch gesellschaftlichen Druck lässt er diese Gedanken nicht zu, lebt sein Leben als Vater und Ehemann. Als die Ehefrau verstirbt ist der Schmerz nicht mehr da, den er ihr bestimmt zugemutet hätte. Dieser Schmerz ist nicht mehr da, um ihn zurückhalten. Dafür ein anderer Schmerz, der ihn antreibt. Also macht er sich an die Tat.
Ich möchte hier keine Diskussion über Geschlechtsumwandlungen führen, dazu habe ich auch nicht viel zu sagen. Jeder hat diesbezüglich wahrscheinlich seine eigene Meinung, und diese möchte ich nicht in Frage stellen. Zumindest nicht heute. Ich möchte hier darüber reden, wie gewisse Dinge aus rechtlicher Sicht gehandhabt werden. Denn es ist wichtig zu wissen, ob man es gut findet oder nicht ist egal, denn es ist nun mal einen Tatsache: Geschlechtsumwandlungen sind in der Schweiz Teil der Grundversicherung der Krankenkassen. Dies bedeutet, dass wenn ein Mensch eine Geschlechtsumwandlung benötigt und dies medizinisch belegt wurde, dann werden die Operationskosten von der Krankenkasse übernommen.
Unser Mann, nun unsere Frau, erfüllt eigentlich alle Kriterien für die Operation. Dennoch, wird sich die Krankenkasse weigern, die Kosten zu übernehmen. Nicht einmal der Gang durch alle juristischen Instanzen der Schweiz, und sogar darüber hinaus auf europäischer Ebene, werden nichts daran ändern können. Frau sitzt nun auf Kosten von mehr als SFr. 45'000.-- Was war geschehen?
Es gibt bei uns eine medizinische Beobachtungs-Zeitspanne von 2 Jahren! Der Mann fühlt sich nicht mehr in der Lage, mit 66 Jahren, noch ein halbes Jahr zu warten, bis die Frist abgelaufen wäre. Er bekommt es, auch wegen seinem Alter, mit der Angst zu tun, seinen Traum nie mehr in Erfüllung gehen zu sehen. Obwohl die Operation gut verlief, die Frau nun psychisch stabil ist und der Eingriff allgemein als Erfolgreich bezeichnet werden darf, obwohl sich alles zum Besten entwickelte, wird ihr das Recht auf Kostendeckung nun abgelehnt.
Dies heisst also, in der Schweiz wird gegen jeglichem gesunden Menschenverstand, gegen jeder Vernunft gehandelt und vor Gericht entschieden. Dem Gericht bleibt gar nichts anders übrig, denn es steht schwarz auf weiss, dass es diese 2 Jahre der medizinischen Beobachtung gibt. Und die Krankenkasse (in diesem Fall die
Swica) beharrt darauf, weil diese 2 Jahre nicht eingehalten wurden, sei sie nicht mehr in der Pflicht, die Kosten zu übernehmen.
Die Frau hat es wahrscheinlich schon mehr als schwer gehabt, in ihrem Leben. Als Frau wird sie nun nicht einmal mehr von ihren 4 Töchtern als Elternteil anerkannt, denn diese haben den Kontakt zu ihr abgebrochen, obwohl sie der Mensch war, der sie grossgezogen hat. Und nun, all den Schicksalsschlägen zu trotz, macht die Krankenkasse aus ihr womöglich einen Hilfebedürftige, die von der Sozialhilfe leben muss. Und dies obwohl, wie gesagt, auch Jahre nach der Operation, rein gar nichts aus medizinischer Sicht gegen die Operation selbst sprechen würde!
Ich finde es wirklich unglaublich, dass sowas bei uns geschieht. Gerade letztens habe ich den Film "
Sicko" von
Michael Moore über das amerikanische Gesundheitssystem gesehen und mich derart aufgeregt, dass in den USA es den Spitälern billiger kam einen Anwalt zu zahlen für ein mögliches Verfahren, als einen Patienten zu behandeln. Und freute mich darüber, dass es in der Schweiz nicht so sei. Darüber hinaus, sagte ich mir, dass es bei uns niemals so weit kommen würde. Doch heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Wir machen es einfach anders als die Amerikaner. Ob dies aber besser oder schlechter ist, vermag ich nicht zu sagen. Wie viel Geld musste die Swica für den Gang durch sämtliche juristischen Instanzen in die Hand nehmen? Ich mache jede Wette, es ist ein Vielfaches vom strittigen Betrag gewesen. Betrag, der für die Frau schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringt (haben oder nicht haben). Betrag, der für die Swica einer Bagatelle gleichkommt. Ausserdem geht es hier um einen Fall der kaum in den nächsten Jahren wieder in dieser Form vorkommen wird. Ein Fall also, bei dem der Präzedenzfall keine einschneidenden Folgen für die Swica hätte. Obwohl mich wahrscheinlich jeder Jurist über diese letzte Behauptung eines Besseren belehren könnte, aus Gründen die mir in 100 Jahren nicht eingefallen wären, obwohl die Swica mit Sicherheit unzählige Argumente für ihr Vorgehen bringen könnte: Ich behaupte dies ist ein typischer Fall in dem eine Organisation nach dem "Grundsatz des Prinzips" handelt, unbeachtet was dies für das Schicksal eines einzelnen Menschen bedeuten kann.
Dass es in der Schweizer Psychiatrie noch eine ganz andere (missbräuchliche) Anwendung dieser 2 Jahres-Frist gibt, ist ein anderes Thema. Oder vielleicht doch nicht ganz? Denn es kann ja kein Zufall sein, welchen Titel Michael Moore für seinen Film gewählt hat: Es ist ein offensichtliches Wortspiel zwischen
Sick und
Psycho. Und... Irgendwie fand ich es ja schon speziell, dass Moore mit den 9/11 Helden zuerst ausgerechnet nach
Guantánamo reiste. Einige Parallelen zwischen
Sicko und der
Harten Klinik lassen sich aus meiner Sicht gar nicht schönreden. Ein also nicht ganz anderes Thema. Ein Thema über das ich erzählen werde. Demnächst...