Es ist so wenige Jahre her, dass man die Menschenrechte definierte. Es wird wenig darüber gesprochen, doch mir kommt immer wieder in Sinn, dass es noch vor sehr sehr kurzer Zeit (etwa 100 Jahre) Völker auf dieser Erde gab, die sich Kannibalisch ernährten. Ich finde es aber überaus beeindruckend, dass bis vor einigen Jahrzenten gewisse Völker Kannibalen waren und dass dies zu ihrer sozialen und kulturellen Identität gehörte.
Obwohl es viele Menschen gar nicht in Betracht ziehen, frage ich mich ob es doch eine Art Zeitgeist gibt, die über die Völker hinaus geht. Oft werden die, die von "the Age of Aquarius" reden, belächelt. Ich kann dazu nichts sagen, denn ich kenne mich überhaupt nicht damit aus. Doch, wer heute von Dinge spricht, die nicht messbar und belegbar sind, wird sehr schnell belächelt. Oder für verrückt erklärt. Dennoch frage ich mich, ob es doch nicht Zeiten gibt, die gewisse Entwicklungen einfach mit sich bringen oder, umgekehrt, diese geradezu unausweichlich heraufbeschwören.
Dass die Zeit, und viel mehr die Menschheitsgeschichte, zyklisch zu verlaufen scheint, ist offensichtlich. So verwundert es mich wenig, dass die Islamische Welt für lange Zeit sehr weltoffen und tolerant gewesen ist, als sich das Christliche Abendland im Mittelalter befand bis hin zum letzten Jahrhundert. Als sich die westliche Welt mehr und mehr liberalisierte, die sexuelle Revolution auch den Alltag der Menschen zu prägen begann, als der schon viel zitierte "Werteverfall" voranschreitete bin hin zum Verlust jeglicher Werte, dann begann auch in der Islamischen Welt — als Gegengewicht sozusagen — die Wiederbesinnung zu strengeren moralischen Normen, restriktivere Regeln usw. an Bedeutung zu gewinnen. Wo Frauen in Kairo noch westlich gekleidet zur Universität gingen im Jahre 1950, ist dort heute keine mehr anzutreffen die nicht völlig verhüllt wäre. Doch... über diese zyklischen Entwicklungen hinaus, gibt es da eine Geschichte der Welt?
Oder, von einer ganz anderen Perspektive gesehen: Könnte es sein, dass es sowas wie Seelen gibt? Bis vor einiger Zeit blieb diese Frage für mich völlig unbeantwortet. Es sprach in meinem Leben nichts dafür, aber auch nichts dagegen. Doch in den letzten 10 Jahren sind mir einige Dinge wiederfahren, die ich nicht ganz aus der Sicht der reinen Psychologie erklären kann. Und auch nicht auf Basis der puren materiellen Welt. Es gibt Dinge, die mich an das Transzendente erinnern.
Ich nehme mal als Beispiel die Begegnung mit der Jungen Dame. Kann eine Borderline-Erkrankung wirklich diesen Bann zwischen uns befriedigend erklären? Kann ein Psychologe die, durch die Krankheit verursachten Erfahrungen als ausreichend darstellen, für dieses Vertrauen was ich in nur 3 Wochen entwickeln konnte? Für die Art in der wir uns verstanden, hin und wieder gar ohne Worte? Wenn ja... Tja, dann muss ich sagen, sollte man zumindest grundsätzlich über die Bücher in Sachen psychische Erkrankungen. Wenn sowas dank der Symptomatik zweier Borderline-Patienten im Abstand von 20 Jahren möglich ist, dann müsste man sich wirklich Gedanken darüber machen, was dies für unsere Gesellschaft bedeuten könnte. Doch ich bin mir sicher, dass unsere Beziehung nicht einzig anhand der Borderline-Erkrankung erklärt werden kann.
Und da stellt sich also die Frage, was da sonst noch mitgespielt hat. Ich weiss es nicht... Doch ich frage mich, welchem anderen Menschen hätte ich, ohne es zu bereuen, nach nicht einmal 3 Wochen mein Leben anvertraut? Ziemlich keinem... Und woher also die Zuversicht, gerade diesem Menschen Vertrauen zu können? Woher die Erkenntnis, dass es keiner Worte brauche um den Andern kennen zu lernen? Woher das innere Gefühl, das eigene Leben sei mit dem des andern verbunden? Woher wusste ich, egal wie die Geschichte auch ausgehen würde: Hier haben sich 2 Menschen getroffen, die sich etwas zu geben hatten. Ich wusste es einfach. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen...
Anja Bührer: From The Inside
Gibt es Schicksal? Oder ist es das Mitwirken von Kräften, die wir entweder bekämpfen können oder von denen wir uns antreiben lassen können? Was heisst: Folge deinem Herzen? Was ist gemeint, wenn man von der "Inneren Stimme" spricht? Was haben die Bilder von Mutter Erde an sich, die antike Völker benutzten? Oder das, für die Indianer Amerikas so wichtige, Gleichgewicht mit der Natur?
Ich denke, es ist durchaus möglich, dass viel mehr Dinge zwischen Himmel und Erde geschehen, als wir uns überhaupt vorstellen können. Und ich denke, es könnte durchaus sein, dass der moderne Mensch, auf seinem Weg fort von Kannibalismus und Aberglaube, gewisse Fähigkeiten sozusagen verkümmern liessen. Ich denke, es wäre möglich, dass wir über mehr als 5 Sinne verfügten. Wenn wir nur daran denken, dass Tiere vor jedes technische Messgerät Naturkatastrophen zu fühlen scheinen. Oder, dass ein Hund so trainiert werden kann, dass er bis zu einer Stunde vor einem Epilepsie-Anfall seinen Herr davor warnen kann, wo dieser (trotz jahrelanger Erfahrung mit seiner Krankheit) noch überhaupt nicht den kleinsten Hinweis darauf wahrnemen kann. Inzwischen sind Wissenschaftler auf der Spur nach den Mechanismen dieser Fähigkeit und vermuten irgendwelche Geruchsstoffe mit im Spiel. Dennoch stellt sich weiterhin die Frage woher ein Hund spontan diesen Geruch als Bedrohung für sein Herrchen warnimmt obwohl er es noch nie zuvor gerochen hat, und weshalb er mit einer völlig neuen Verhaltensweise sein Herrchen warnt. Oder denken wir an Tiere in Altersheime, die den demnächst eintretenden Tod zu spüren vermögen. Und wenn man bedenkt, dass wir von den Tieren abstammen...
Wie viel Wissen und Fähigkeiten versuchte man durch die Hexenverbrennung auszulöschen? Wie viel über Mann und Frau, über Mensch und Gott, über spiritueller und materieller Welt wurde durch die Inquisition vernichtet? Man bedenke, dass es vor einigen Hundert Jahren verboten(!) war zu glauben, dass die Erde eine Kugel und dass sie nicht das Zentrum des Universums sei. Und nicht, wie bei den Tibetischen Mönche, die glauben, die Erde sei eine Scheibe. Denn sie glauben dies und sind sich darüber bewusst, dies zu glauben. In Europa war es verboten, sich ein anderes Bild der Dinge zu machen.
Es könnte also sein, dass in Gottes Schöpfung noch einige Dinge mitspielen, die wir zu unserem Vorteil, zum lindern von Leid und Schmerz, wiederentdecken sollten. Vielleicht sollten wir wieder lernen offener gegenüber scheinbar Unerklärliches zu sein. Denn, so könnte es sein, gibt es in Gottes Schöpfung Dinge die wir nicht erklären können und dennoch keineswegs dem Teufel zuzuschreiben sind. In Gottes Schöpfung muss vielleicht wieder begonnen werden, nach dem Göttlichen gesucht zu werden.
Anja Bührer: Souls