April 14, 2010
untouchable
Man machte mich zu einem Untouchable, in der Harten Klinik. In einem demokratischen Staat, wo Religions-Freiheit im Gesetz verankert ist, machte mich ein elendes Häufchen Wahnärzte zum UNTOUCHABLE. Und denen, die mich ab jetzt nicht mehr berühren duften, blieb nichts anderes übrig, als zuzusehen. Ich weiss welch Vorhölle man mich gezwungen hat, durch zu machen. Doch ich kann mir noch nicht richtig vorstellen, was all dies für Menschen geheisst haben muss, die mich lieben. Ich kann und möchte noch nicht dran denken... denn ich würde wahrscheinlich wieder einmal daran zerbrechen. Mein noch kleines Fünkchen an Licht würde das Risiko fahren, wieder zu wenig Sauerstoff zu haben, um brennen zu können. Wieder einmal, könnte mich ein Vakuum fast umbringen.
Ich wurde zum Aussenseiter der Gesellschaft. Aber nicht nur. Ich wurde zum Aussenseiter meines Bekanntenkreis. Aber nicht nur. Ich wurde zum Aussenseiter von mir selbst. Man hatte mich dazu gemacht.
Doch mit der Zeit — diese Zeit die ich gezwungen war, wie die Untouchables in Indien, die Toiletten der Reichen zu putzen, da es eines der wenigen Jobs ist, die man ihnen gelassen hat — während dieser Zeit des Toilette Schruppens, haben sich einige Dinge vor meinem geistigen Auge heraus kristallisiert. So Manches ist mir inzwischen klar geworden.
So kann ich mir inzwischen einen Reim daraus machen, was so alles hinter den Kulissen abgegangen sein muss und mit meinem Therapeuten zu tun hat. Denn, erst lange lange Zeit nach meinem Austritt aus der Harten Klinik habe ich erfahren, dass er im Vorstand der Patientenstelle ist. Und erst dann, ganz langsam, konnte ich das Eine oder das Andere verstehen, was da geboten wurde von Seiten der Klinik. Und ich konnte auch besser verstehen, in welch einer schwierigen und undankbaren Lage sich dieser Mann befand, während der ganzen Zeit.
Ich konnte verstehen, weshalb die Klinik so saublöd getan hatte, als ich sie bat mit dem Therapeuten Kontakt aufzunehmen, ihn um Infos und Hintergründe betreffend der letzten Jahre zu bitten. Ich kann verstehen weshalb (nein... verstehen ist das falsche Wort! Ich kann mir nun ein Cartoon darüber machen) weshalb Lady Marmelade die Frechheit hatte, mir zu sagen, die Unterlagen seien unbrauchbar. Sie seien ja alle nur von Hand geschrieben und das Gekritzelt könne sie nicht dechiffrieren! Ich kann mir vor dem geistigen Auge den Film abspielen lassen, weshalb man ein solches Theater spielte, als ich die Unterlagen wieder zurück verlangte. Ich ging mit dem Assistenz-Arzt der Akut-Station zur Sekretärin, denn man hatte uns gesagt, die Unterlagen seien bei ihr gelandet. Als wir sie danach fragten, antwortete sie "Ach ja! Dieses Ding da! Ja, das ist hier irgendwo, im Schrank." Die Sekretärin wusste also auf Anhieb sofort wovon die Rede war. Doch es war da die Rede von nichts als einem Ding! Schon komisch, dass solch ein Ding dennoch, offensichtlich, sehr Präsent in ihrer Aufmerksamkeit war...
Tja... Dies zeigt, zumindest mir der für sowas offen ist (könnte sein, die Wahnärtze der Harten Klinik verstehen aus den nächsten paar Zeilen nur Bla blabla bla blabla blablablalblablalbla...) ich sagte also wie dies klar zeigen würde, dass sogar ein Untouchable ein geistiges Auge haben kann. Dass dieses "Privileg" dieser allerletzten der Kasten nicht vorenthalten ist. Das zeigt, dass ein Untouchable in Indien und ein Manisch-Depressiver in der Harten Klinik hin und wieder in der Lage sein können, das Tun der Elite zu verstehen. Wie in der Antike, als die Priester mit unzähligen Tricks und Lügen den Anspruch des einzigen möglichen Kontakt zum Göttlichen zu haben an sich reissten, aus diese Weise reissen sich die Wahnärzte den Anspruch des alleinigen Verstehens was sich genau in der Psyche eines Menschen abspielen würde.
Dabei... Würde man sie vor einem Computer-Ausdruck ihrer eigenen Psyche stellen, würden sie, wenn's hoch kommt, einen Rorschach-Test erkennen. Und darin, wahrscheinlich eine Patientin die gerade einem Mitpatienten einen bläst interpretieren. Und ausserdem schätze ich jetzt einmal, dass es bei diesen Ärzten nicht einmal hochkommt.
Aber zurück zu meinem Therapeuten — da mach ich mir überhaupt keine Gedanken, diesbezüglich... Plötzlich kann ich auch etwas damit anfangen, mit dem was vor inzwischen vielen Jahren passiert ist. Ich war zuvor Patient von Frau Barbéra Maier gewesen. Und, wie ich schon erwähnt hatte, lief das ja eher sub-optimal. By the way, hier gibt's auch noch einige Geschichten zu erzählen, irgendwann. Jedenfalls hatte mein Therapeut einen wunderschönen Gong im Raum wo die Gespräche stattfanden. Ein riesiges Teil, an einem Gestell hängend. Hin und wieder standen, wenn ich in den Raum kaum, einige Klangschalen am Boden, die er offensichtlich mit dem Patienten oder der Patientin vor mir hatte klingen lassen. Jedenfalls erzählte mir eines Tages, wie er mit diesem Gong in die Natur raus sei. Und er habe ihn dort auf sich einwirken lassen. Dann erzählte er mir, wie ihm dieser Gong so Manches erzählt habe. Er habe ihm von schönen Sachen und von weniger erfreulichen Dinge erzählt. Und er sagte, sowas könne sehr sehr tiefgründig werden. So tiefgründig, dass es ihn bis hin zum Weinen gebracht habe. Es habe ihm von Leiden, von Schmerz, ja sogar von Missbrauch geflüstert.
Ausser der Tatsache, dass ich diese Erzählung wunderschön gefunden hatte, fragte ich mich auch weshalb er mir dies erzählt habe. Weshalb gerade mir gerade diese Details und Worte. Weshalb diese Wortwahl? Ich hatte nie eine Antwort darauf gefunden und ging davon aus, dies sei reiner Zufall.
Dann kam mir in Sinn, wie er mich einmal um Erlaubnis gebeten hatte, um mich während der Sitzung aufnehmen zu dürfen. Ich habe ohne weiteres zugestimmt. Und so kam es, dass Sitzungen von mir auf Band festgehalten wurden. Ich kann nicht genau sagen, ob auch Bildaufnahmen gemacht wurden. Gedacht, habe ich mir nicht viel dabei und nicht weiter daran. Er hatte mir gesagt, dies sei zum Zweck von Weiterbildung und Gespräche in der Gruppe, unter Fachläute.
Heute stelle ich die Frage: Kann es sein, dass mein Therapeut das Ausgesprochen hat, ausserhalb des Therapie-Rahmens mit mir, was er bei mir nie mit auch nur einem Wort angedeutet hat — und, wenn ja, dann eben mit dem Gong, was ich mir bis heute nicht habe erklären können — kann es sein, dass er ganz offen die schlichte und einfache Wahrheit angesprochen hatte? So wie ich es inzwischen auch ansatzweise getan habe? Denn, wie gesagt, ich habe während Jahre auch nur immer gesagt, das mit Frau Maier sei nicht optimal gelaufen. Aber, nennen wir doch — unserem geistigen Auge in Ehren &mdash, die Dinge mit ihrem wahren Namen: es war eine riesen SCHEISSE, was Frau Maier geboten hatte. Ganz im Stil und in der Tradition wie sie von der Harten Klinik weiter gepflegt wurde und wird. Schlicht und ergreifend SCHEISSE!
Wie bitte? Ich übertreibe ein wenig? Wieso kam es dann dazu, dass ein Mensch wie mein Therapeut in die Lage gebracht wird, einen Satz wie "Dann können Sie ja grad damit beginnen, hier auf den Boden zu scheissen" auszusprechen zu müssen, und dies im Rahmen einer Therapie-Stunde und mit einer Person, die er versucht zu unterstützen? Nein... Wieder aufzubauen, nachdem der Abriss-Kran vorbei gedonnert ist.
Und ich danke Gott, hatte er keinen Eckel davor, mit einem Untouchable zu arbeiten. Es gibt eben Menschen, die ihre Mitmenschen nicht mit den allgemein gebräuchlichen Schemas einordnen und aussortieren, ausrangieren. Und andere, die tun das nicht.
Und noch was ist mir bewusst geworden, in letzter Zeit: Diese Erkenntnis war aber eher schmerzhaft. Das Menschenbild was ich zuvor hatte, war nicht Weltfremd oder völlig Naiv, doch ich muss mir heute eingestehen, dass sie in Bezug auf so Einiges, schon ein klein Wenig zu optimistisch war. Menschen wie mein Therapeut sind rarer als ich dachte. Wo ich davon ausging, dass Gutmütigkeit und Nächstenliebe das Normale seien, musste ich nun erkennen, wie weit davon entfernt das "Normale" ist. Und dies macht Menschen wie mein Therapeut um so wertvoller und kostbarer für diese unsere Welt!