April 09, 2010

Hallo? Die Rattenfrau?

 
Wie ich ihn gebeten hatte, fragte mein Sohn
Kann ich mit der Rattenfrau sprechen?
Danach hörte ich ihn sagen
Mein Vater möchte mit Ihnen reden...
und er gab mir sein Handy. Wir hatten dieses benützt, weil bei meinem hätte die Junge Dame nicht einmal abgenommen. Lieb und diskret wie mein Sohn ist, ging er sofort in sein Zimmer und lies mich alleine mit dem Handy. Dazu ging ich noch raus aus dem Wohnzimmer, zum Gartensitzplatz. So bekam er nicht einmal mit, wie das "Gespräch" nur wenige Sekunden dauerte. Wie ich schon erzählte, hängte die Junge Dame auf, sobald sie meine Stimme hörte.

Carlos Garcia: Telephone II


Ein ander Mal ist es dazu gekommen, dass ich dem Vertrauen meines Sohnes nicht gerecht wurde. Es war, als er die Polizei gerufen hatte, weil ein Streit zwischen seiner Mutter und mir ausgebrochen war und sie mit einem riesigen Messer in der Küche stand und mir sagte, ich solle doch auf sie zukommen. Ein Polizist verschwand mit meinem Sohn in sein Zimmer, für eine Weile. Als die Beiden wieder zurück kamen, sagte der Polizist dass er, bei einem zweiten Anruf bestimm jemand mitnehmen würde. Die Polizei ging, wir blieben. Es wurde nicht mehr viel gesprochen. Ich war sehr sehr traurig, dass mein Sohn dies noch miterleben musste.

Einige Zeit darauf, bei einer weiteren Auseinandersetzung "zu Hause", brach die ganze Wut aus meinem Sohn heraus. Er fragte mich, ob ich mich erinnere was ich als Erstes gefragt hatte, nach dem die Polizei gegangen war. Ich antwortete, ich würde mich nicht erinnern. Er sagte, ich hätte ihn gefragt, was er dem Polizisten erzählt hätte. Er sagte dies, mit einer derartigen Entrüstung und in einem Vorwurfston die ich nie vergessen werde.

Ich brauchte einen Augenblick, um mich zu fassen. Mein Sohn hatte verstanden, ich würde ihm nicht vertrauen und hätte mich erkundigen wollen, ob er die Wahrheit gesagt hätte. Als ich realisierte was geschehen war, als mir klar wurde weshalb er derart distanziert und unterkühlt gewesen war, in den letzten Wochen, wurde mir klar dass es nun zu viel des "Guten" war. Dass ich hier die Angelegenheit klarstellen musste und wollte.

Ich erzählte was er, natürlich, nicht erfahren hatte — hatte ich es ihm doch nicht erzählt: Ich sprach davon, wie seine Tante mich der Morddrohung beschuldigt hatte, wie seine Mutter erzählt hatte sie wüsse nichts von den Beschuldigungen ihrer Schwester. Ich sagte wie die Wahrheit, die er natürlich gesagt hatte, je nach dem wie sie erzählt wird anders ausgelegt werden kann. Ich erzählte ihm, dass was seine Tante getan hatte, in Handschellen in einer Gummizelle hätte enden können. Während ich dies sagte, noch während ich diese Worte ausprach, begann ich zu weinen. Und die Mutter sagte darauf, dass wenn es soweit gekommen wäre, sie das niemals zugelassen hätte. Sie wäre für mich eingetreten.

Dass es nicht soweit gekommen war — oder nicht unmittelbar — reicht anscheinend meiner Ex-Frau auch schon, um niemandem zu erzählen, dass ich niemals eine Morddrohung ausgesprochen hatte. Aber dies ist noch eine andere Geschichte.

Bild: Züriphototrip @ www.ronorp.net

Ab diesem Zeitpunkt, wurde die Beziehung zu meinem Sohn wieder besser. Ich merkte, es gab keine unterschwellige Ablehnung mehr, seinerseits. Und ich war dermassen dankbar dafür. So sassen wir eines Abends in einem Kaffee und ich wollte ihn was wissen lassen. Ich erzählte, wie die Junge Dame das Telefon aufhängte, unmittelbar nachdem er mich mit ihr verbunden hatte. Er machte riesen Augen und fragte "Wieso?" Ich hätte so Vieles antworten können. Ich hätte mich über derart Vieles beschweren können. Ich sagte, dies müsse man die Ärzte in der Harten Klinik fragen. Aber dies war nicht der Grund, weshalb ich mit dem Thema begonnen hatte. Ich hatte von der Jungen Dame zu sprechen begonnen, weil ich ihm nun sagte wie ich mir wünschen würde, er könne sie kennenlernen und verstehen, weshalb ich derart blitzartig nach der positiven Prognosen der Ärzte bezüglich seiner Krebserkrankung, nach meinem Entscheid zur Trennung von seiner Mutter, nach meiner Einweisung in die Harte Klinik, wie ich mich mit einer solchen Geschwindigkeit und Entschlossenheit mich in diese Frau verliebte.

Ich wünschte mir er könne ihr begegnen, denn dann würde er verstehen wie dies geschehen konnte. Wenn er sehen würde, was für ein Mensch sie ist und was für ein riesen Herz sie hat.

Mein Sohn schaute mich jedenfalls nicht an, als würde ich von einem anderen Planeten stammen oder in einer ihm unbegreiflichen Sprache kommunizieren. Dies reichte mir schon.

Bild: Züriphototrip @ www.ronorp.net