April 27, 2010

ich mach was mit Liebe

 
Da war dieser Patient, an einer psychotischen Störung erkrankt. Der Eine, der mir gesagt hat, er habe an einem Sonntagnachmittag die WG der Jungen Dame besucht, einen Spaziergang mit ihrer Mitbewohnerin gemacht und die Junge Dame gesehen: Er meinte, die 2 Frauen wären bestimmt erfreut an einem Besuch von mir. Diesen Besuch habe ich nie erstattet und, wahrscheinlich, noch einiges mehr an Problemen vermieden damit.

Der Patient der mir sagte, ich solle das Ganze doch langsam angehen: Einen zweiten Versuch aus der Akut-Station starten, die Junge Dame zu verführen. Der Typ der mir sagte, all die jungen Frauen die sich in einer psychiatrischen Klinik befinden, würden schlussendlich nichts als auf der Suche nach ihrer Sexualität sein!

Ich meine... Wenn ihm diese Worte von einem Arzt zugesteckt wurden... Wenn dies nicht allerletzte Schublade ist! Die leitenden Ärzte und Therapeuten einer "modernen" psychiatrischen Anstalt gehen mit dieser Ansicht ans Werk? All die jungen Frauen die ihnen anvertraut werden, suchen nichts als ihre Sexualität? All die Borderlinerinnen, die Depressiven, die Traumatisierten? All die 20jährigen, die kaum Besuch von zu Hause bekommen? Die sollen nichts als ihre Sexualität suchen? Weshalb öffnen diese geleerten Gelehrten nicht gleich ein Bordell? Vielleicht würden sie dann eher junge Menschen helfen können, ihrer Ansicht nach?


Da waren wir also eines Abends in der Cafeteria, die Junge Dame und ich. Kurz vor unserem Austritt. Kurz bevor sie in die WG zog und ich auf die Psychotherapie-Station. Dieser Patient ist bei uns am Tisch. Und er sagt mir — wie so oft es auch andere Menschen taten, redet auch er in der ersten Person und sagt dabei Dinge, die wahrscheinlich aber eher für mich gemeint sind — er habe ja seinen Bruder am Telefon bedroht und könne sich gar nicht daran erinnern: Deswegen sei er hier. Nun aber, nun sei er dabei mit der Liebe etwas zu tun. Er habe entdeckt, wie die Liebe ihn weiterbringt und wie es ihm gut tun würde, Liebe an anderen Menschen zu vermitteln. Er sei dabei, etwas mit der Liebe zu tun...

Ähnlich wie mit der Sexualität von jungen Frauen (trotz all ihren Freud-Studien), haben die Wahnärzte wieder einmal rein gar nichts verstanden! Denn nicht ich habe damals etwas mit der Liebe getan... Nein... Sie hätten es so einfach erkennen können, hätten sie es nur gewollt: Nicht ich machte was mit der Liebe, — und dies ist kein unwesentlicher Unterschied — es war vielmehr die Liebe, die etwas mit mir gemacht hatte.