April 13, 2010

predicare e razzolare

 
Ich schrieb, wie leider meistens die wunderbaren Worte eines Gottesdienstes innerhalb des Gebäude bleiben würden. Anstatt mit dem Wind in die Welt getragen zu werden, so dass sie jeder hören kann sobald er dem Wind lauscht. Noch viel weniger als zu Bob Dylans Zeiten sind schöne Antworten "blowing in the wind".

Siehe den Post Universe of Light

Nun, diese Behauptung, Christliche Worte und Vorsätze würden sich auf die Zeit und den Raum des Gottesdienstes beschränken, diese Behauptung mache ich aus eigener Erfahrung.


Ein Beispiel.

Die Fakten I
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Eine Kleinfamilie begibt sich am Sonntagmorgen zum Gottesdienst einer Brasilianischen Christengemeinschaft in Zürich. Mutter, Kind und Schwiegervater treten in den gut gefüllten Raum, sie sind um eine ganze Stunde verspätet weil sie sich in der Zeit geirrt hatten. Drinnen, wird das Leib Christis verteilt. Der Priester und ein paar Messe-Helfer verteilen je ein Stück Brot an die in Reihen stehenden Menschen, ein Stück dass sie jeweils von einem Leib trennen. Die Mutter der Kleinfamilie kennt einen der Messe-Helfer und dessen Frau. Beide sind in der Kirchengemeinde engagiert und beschäftigen sich mit den verschiedenen Aspekten einer solchen Gemeinde: Integrierungs-, Sprach-, Heimweh- und verschiedene andere Probleme sind typisch für die Menschen aus erster und zweiter Generation in der Fremden. Der Stiefvater, ein Schweizer, kommt zum ersten Mal mit.

Der Messe-Helfer bemerkt die Drei, wie sie sich einen Platz suchen und sich hinsetzen. Just dann fällt ihm das Brotlaib aus der Hand und landet am Boden. Er bückt sich, hebt es auf und macht weiter.


Annahme I
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Es besteht ganz einfach keinen Zusammenhang, keine Kausalität und Wirkung, zwischen dem Laib-Abflug und dem Ankommen der Drei.


Annahme II
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Der Messe-Helfer sieht die Neugekommenen und es ist für ihn eine Riesenfreude sie hier, inmitten der Landsleute und Bekannten der Familie zu sehen. Er ist aber unglaublich erstaunt über das Mitkommen des Familienvaters, hatte er doch zu Ohren bekommen wie dieser absolut gar nichts mit dem Christlichen Glauben am Hut hatte, wie seine Lebensweise ihn auf solch traurige Weise vom Weg abgebracht hatte und er sich immer mehr am Verlieren war. Er war dermassen froh, diesen Mann hier zu sehen, denn dies zeigte ihm dass es für ihn noch Hoffnung gab. Und das Christus seine eigene Wege zu seine verirrten Schafe pflegt.


Annahme III
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Der Messe-Helfer sieht die Neugekommenen und es ist für ihn eine Riesenfreude sie hier, inmitten der Landsleute und Bekannten der Familie zu sehen. Er ist aber unglaublich erstaunt über das Mitkommen des Familienvaters, hatte er doch zu Ohren bekommen wie dieser absolut gar nichts mit dem Christlichen Glauben am Hut hatte, wie seine Lebensweise ihn auf solch traurige Weise vom Weg abgebracht hatte und er sich immer mehr am Verlieren war. Er konnte seinen Augen nicht trauen. Der Anti-Christ in Person hatte hier und heute doch wahrhaftig die Unverschämtheit, sich in das Haus des Herrn zu begeben.


Michael Cheval: Truth is always in between


Die Fakten II
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Als die Frau sieht, wie das Brotlaib zu Boden fällt, beginnt sie zu lachen. Dem Mann zugewandt sagt sie, der Messe-Helfer sei dermassen Verblüfft vom seinem Erscheinen, dass er gar das Brotlaib — obwohl es nicht weniger als das sei, was die Gläubigen zu sich nehmen würden — fallen liess. Sie sagt, stets mit höchst amüsierter Miene, dieser arme Mann müsse ja völlig durcheinander gekommen sein. Er müsse für eine Sekunde gedacht haben, er würde sich täuschen.

Die Fakten III
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Die Stimmung und die Kommunikation waren schon dermassen geschädigt, dass der Ehemann gar nicht mehr Kraft und Interesse dafür hatte, bei seiner Frau Gemahlin nachzuhaken und sie nach weitere Erklärungen über ihre Aussage zu bitten. Vielleicht war dies auch einer der Gründe, weshalb er sich entschieden hatte, Frau und Kind heute zu begleiten. Vielleicht dachte er sich, dass wenn irgendwo und irgendwie nun jemand überhaupt noch in der Lage gewesen wäre, wenn es sein sollte dass diese Ehe gerettet würde, dann konnte dies eh nicht mehr durch Menschenhand geschehen. Wenn, dann würde dies in der Hand einer anderen Macht stehen.


Ab nun, war es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis es ganz einfach offensichtlich wurde, wie all die Kirchengänge der Ehefrau, wie so viele andere Handlungen die sie bewerkstelligt hatte, eine reine Formsache waren. Eine Fassade für das Umfeld. Eine Maskerade für die Welt.


Die Grossmutter des Kindes war in Brasilien geblieben, mit einem Teil der Grossfamilie. Sie war streng gläubig und den Gang bis hin zwischen die Kirchenbänke absolvierte sie mindestens einmal pro Tag. Die Tochter, nun mit dem zweiten Sohn in der Schweiz, erzählte dem Ehemann, wie sie vermutete ihre Mutter könnte ein Verhältnis mit dem Priester haben. Der Grossvater hatte sich erwischen lassen, wie er sich mit einer jungen Frau verabredet hatte. Wie er im Auto sass, auf die eingeladene Frau wartend, als es sich umdrehte und die Grossmutter vor ihm stand. Sie habe durch das Fenster hindurch begonnen auf ihn einzuschlagen, während sie fluchte. Ab dieser Nacht, schliefen die Eheleute in getrennte Zimmer. Die Grossmutter hätte ab nun Grossvater einzig noch im Haus toleriert. Sie hätte nicht die Scheidung verlangt doch wechselte sie auch kein Wort mehr mit ihm. Das Essen wurde für ihn auch nicht mehr bereit gestellt. Wenn der Tisch gedeckt wurde, blieb sein Platz leer. Die ausgewanderte Frau erzählte ihrem Ehemann, wie sie die Grossmutter getadelt habe, sie solle nicht so streng mit Grossvater sein, schleiche sie sich schliesslich auch tag täglich zu ihrem Priester, seit Jahren.

Wie so unzählig viele andere Geschichten, ist dies auch eine von denen, die etwas erzählen über Menschen und Schicksale, Träume und Sehnsüchte, Liebe und Hass. Wer in der Tat die Protagonisten sind, war mit der Zeit immer und immer mehr eine offene Frage geworden, für den Schweizer Ehemann und Stiefvater. Wie oft hatte er die schlimmsten Horrorgeschichten über "den Anderen dort" gehört? "Offiziell" damit gemeint, wurde ihm gesagt, sei der auch schweizerische Ehemann seiner Schwägerin. Die Familie lebte in Luzern. Der Mann dort sei der reinste Horror. Ein gestörter Megaloman, sadistisch und eiskalt, Geld-geil. Über ihn wird auch noch die eine oder andere Geschichte erzählt werden, in nächster Zukunft.

Wie zum Beispiel die Eine, als er seine eigene Ehefrau soll vergewaltigt haben. Die zwei Töchter und der Sohn der Familie aus Zürich (also der Cousin der 2 Mädchen) befanden sich im Kinderzimmer als sie ihre Mutter und Tante schreien hörten. Sie rief nach ihnen, sie sollten kommen und auch sehen, was der Mann mit ihr gerade anstellen würde. Sie sollten Zeuge werden, wie sie Opfer von Gewalt und Missbrauch wurde, innerhalb der familiären Wände. Und so kam es anscheinend, dass der Junge miterleben musste, wie seine Tante einem stark gestörten und gefährlichen Mann ausgeliefert war.

So wurde die Geschichte dem Mann erzählt, der als verlorenes Schaf in die Kirche eingetreten war. Er hatte zu diesem Zeitpunkt noch den Willen, das Rettbare zu retten. Trotz all der Zeichen und Hinweise, die er ununterbrochen bekam. Er wusste genau, dass sich hier grosse, dicke, dunkle Wolken am Anbahnen waren. Und er wusste, wie er auf diesen Sturm nicht vorbereitet war. Ausserdem wollte er seinen Sohn nicht diesem Wetter aussetzen, hatte er inmitten aller anderen Schwierigkeiten auf seinem Wege nun gar noch mit einem Krebs zu kämpfen. Kampf, den er auf eine Weise am austragen war, die den Vater tiefst beindruckt hatte. Beeindruckt und ihm grossen Respekt für den jungen Mann empfinden liess. Er wollte nun nicht, dass nach einer Auswanderung in die Fremde, eine lebensbedrohlichen Krankheit, ein gestörtes Familien-Umfeld, nun auch noch ein solcher Sturm sein Leben durcheinander bringen würde.

Definitiv klar, dass es in dieser Ehe nichts mehr zu retten gab — nicht in Sachen Liebe, diese war schon vor Jahren ohne einen Mucks zu machen im Nebel versunken, nein, in Sachen Würde, Respekt, zivilisierter Umgang miteinander — diese Klarheit bekam er bei einem Besuch seiner Mutter aus Lugano. Die Grossmutter aus Brasilien war auch nach Zürich gekommen, auf Besuch bei der Verwandtschaft in der Schweiz, war ihr geliebter Enkelsohn doch gerade dabei, sich einer Chemio-Therapie zu unterziehen. Im Wohnzimmer hatte man miteinander geplaudert, man hatte sich mit Händen und Füssen versucht zu verständigen und die Schweizer Frau wollte nun raus zu dem Gartensitzplatz. Die Glassschiebetüre war geschlossen, obwohl man sommerlich warme Temperaturen hatte, und so lief die Frau ungebremst in das Glasfläche.

Als mein Sohn und ich einmal in einem Spiegel-Labyrinth waren, auf einem Jahrmarkt, ist er auch voll in einen Spiegel gedonnert. Von einem seiner Onkel, der auch dabei war, lernte ich wie er dies scherzhaft nannte: Levar una bem quente na testa (Eine gut Warme auf die Stirne kriegen). Lateinische Sprachen haben oft solch schöne Ausdrucksarten, farbig und lebendig. Das brasilianische Portugiesisch ganz besonders: Es klingt hin und wieder wie Gesang und man könnte meinen, die Capoeira Kämpfer durch die Luft wirbeln zu sehen. Und genau solche Ausdrucksarten, solche Bemerkungen, nehmen einer solchen Situation ihre Tragik, wenn sie lieb gemeint sind. Bei einem liebevollen Umgang, hilft die Sprache ungemein, etwas Ironie einzubringen, ein wenig Humor. Mein Sohn lachte, während er sich mit der Handfläche die Stirne rieb.

Also hatte die Frau eine recht Heisse auf die Stirn geklatscht bekommen. Die Szene sorgte für allgemeine Heiterkeit. So weit so gut. Nein, nichts war gut... Es gab in der Reaktion der Menschen die es miterlebt hatten, nicht die Spur von Mitgefühl. Nicht einmal einen kurzen Augenblick des Zweifels, durch die Möglichkeit einer Verletzung hervorgerufen. In den darauf folgenden Tage wurde jedem Besuch, bei jeder Gelegenheit, dieses Ereignis geschildert: Es wurde zum absoluten Brüller. Die brasilianische Grossmutter machte sich den grössten Spass daraus, es war ihr sichtlich die grösste Freude anzusehen, wenn sie di Geschichte erzählte. Und sie tat dies von Anfang an als käme nun DIE STORY die das Gegenüber verpasst hatte. Es war der grosse Knüller schlechthin. In etwa so hörte sich die Einführung an. Dann sagte sie wer was wie wo und plötzlich klatsche sie in die Hände und schreite "PÄÄÄÄNG". Und dann lachte sie... und lachte... und lachte... und sie lachte...

Siehe die Posts "Lachen", einmal in diesem Blog und einmal im Blog "Will I see you shine?"

Lachen. Are you hearing me?
Lachen. Will I see you shine?


Bild: Michael Indorato


Ja... Der Mann wusste genau: Da war ein Orkan im Anmarsch. Er wusste leider nicht, wie gross er geworden wäre, wann er zu erwarten war und woher er kommen würde. Er wusste im Grunde rein gar nichts. Er spürte einfach nur, dass sich das Wetter am ändern war. Und dass Jesus Christus rein gar nichts damit zu tun hatte: Dies spürte er ganz genau. Was danach geschah, ist etwas das nun erzählt werden möchte. Und es wird erzählt werden, denn es schreit inzwischen förmlich danach. Auch wenn dies vielleicht nicht ganz so Christlich sein könnte.

Aber... Was weiss ich denn schon?