Ich habe die Geschichte einige Male gehört, wonach jeder selbst seine Realität gestaltet. Sogar meine Mutter, beim Umzug in die neue Wohnung und weg von der Ex-Frau, fragte mich welche Erwartungen und welche Befürchtungen ich hätte, betreffend diese neue Wohnung. Sie fragte mich im Grossen und Ganzen welche noch offene Konflikte ich mit in den Umzug nehmen würde. Als ich sagte, ich hoffe nun etwas Luft schnappen zu können und danach die Kraft finden, um wieder mein Leben in den Griff zu bekommen und etwas draus machen, meinte sie es sei jedenfalls einzig ich der das in der Hand habe. So weit, so gut.
Sehr alte Weisheiten lehren uns, die Welt und das Leben sind einzig Illusionen und sie existieren nur in unseren Köpfe. Die Realität eines jeden von uns sei nichts als das Resultat dessen, was man mit der Illusion des Lebens mache und wie man diese Illusion gegen aussen projizieren würde. Auch gut.
Doch nicht mehr einverstanden bin ich ab dem Punkt, ab dem jedes gesprochene Wort, jeder geäusserte Gedanke von irgendwem genommen wird und von diesem jemand in unser Leben "genagelt". Das grösste Problem hierbei ist, dass die Person die glaubt dafür sorgen zu müssen, uns für unsere Äusserungen die Verantwortung zu übernehmen in dem er die Äusserungen zu Taten werden lässt, tut dies zwangsläufig auf die eine Art die der Umgang und die Projektion seiner Illusion ihm ermöglicht. Die von ihm vermutete Beschränktheit unserer Gedanken und die Schwierigkeiten diese in die Tat umzusetzen mögen ja auch teilweise stimmen, doch wer um alles in der Welt kann dafür verantwortlich sein, uns an unsere Äusserungen fest zu nageln? Und, wie kann die Beschränktheit seiner Illusion nicht einen ganz persönlichen Touch haben, der in diametralem Gegensatz steht zu der von ihm beanschpruchte Objektivität?
Bild von Walter Girotte: "Searching For An Answer"
Ein Beispiel.
Aus reiner Fairness, aus Respekt zur Jungen Dame, aus dem Versuch heraus den Ereignissen einen nachvollziehbaren Sinn zu geben, bin ich immer auch auf die Gedanken eingegangen, wonach die Junge Dame sich niemals in mich verliebt haben könnte, oder sich nach einer ersten Verliebtheit ernüchtert zurückgezogen haben könnte. Sobald ich solch ein Gedanke geäussert habe, konnte ich ziemlich sicher davon ausgehen, dass mir jemand ziemlich bald zu verstehen gegeben hätte, die Junge Dame habe dies oder jenes, sei mit diesem oder jenen Typen zusammen — wenn nicht sogar auf Weltreise! Wer um alles in der Welt nimmt sich das Recht mich für die Äusserung einer von unendlich vielen Möglichkeiten im Leben vor "vollendeten Tatsachen" zu stehen?
Ich habe die Junge Dame gebeten, dafür zu sorgen, dass ich nicht in die Lage kommen würde, 2 Beziehungen verarbeiten zu müssen. Die Äusserung ging darauf hinaus, dass ich gerade dabei war, die Beziehung zu meiner Ex-Frau zu verarbeiten. Mit all den eintretenden Komplikationen, mit der bevorstehenden Trennung, mit der Höllen-Streiterei die ich auf mich zukommen sah, war mir vollkommen bewusst, dass hier ziemlich viel emotive Arbeit vor mir stehen würde. In den letzten Tagen vor der Entlassung der Jungen Dame aus der Klinik, bat ich sie also mich nicht in die Lage zu bringen, dazu auch noch die Beziehung zu ihr verarbeiten zu müssen.
Dies sind die Fakten.
Nun scheint sich jemand verpflichtet gefühlt zu haben, mich an diesen Satz aufhängen zu müssen. Und wenn auch: Die Möglichkeiten, diesen Satz in die Tat zu wenden und mich dafür zur Verantwortung zu zwingen, sind fast unendlich viele. Mein Verständnis davon — und ich würde darauf wetten, dass auch die Junge Dame ein ähnliches Verständnis gehabt hat — war, zu keiner Zeit unsere Begegnung in etwas Schmerzhaftes zu umwandeln, zumindest nicht in einem grösseren Masse als es vielleicht unumgänglich gewesen wäre. Damit meine ich, zum Beispiel, die Bekanntschaft sofort wieder zur Freundschaft zu definieren, wenn auch immer einer der Beiden spüren würde, wie die Liebe nicht mehr wachsen kann. Oder wenn sich eingeengt fühlt und sich eine Beziehung nicht vorstellen kann. Oder wie auch immer... Dennoch war immer der gegenseitige Respekt impliziert, ja es war sogar Grundlage unserer Art miteinander umzugehen.
Die Junge Dame stimmte zu, mit einer Selbstverständlichkeit die ich so derart zu lieben gelernt habe, einer Selbstverständlichkeit und Spontaneität die keineswegs aber einer Tiefe der Gefühle oder einem echtes Verständnis des Angesprochenem und Empfundenem im Gegensatz oder im Weg standen.
Also, diesen meinen Satz, ich solle doch bitte nicht 2 Beziehungen verarbeiten müssen, zu nehmen und daraus eine Trennung ohne Erklärung zu machen — die mir viel mehr an Verarbeitung abverlangt als jedes erklärendes Gespräche mit der Jungen Dame, ist gelinde gesagt "aus der Luft gegriffen"! Wie kann man ernsthaft behaupten, ich habe mich selbst in meine Lage manövriert, durch diese meine Äusserung? Ist dies nicht mehr als Anmassend und Arrogant? Ist es nicht ein völlig arbiträrer Eingriff in mein Leben, ohne ein Oben und ohne ein Unten?
Ich habe auch mit der "Therapeutin" Lady Marmelade angesprochen, die Kommunikation zur Jungen Dame sei irgendwie speziell und ich hätte das Gefühl sie würde sich extrem damit zurückhalten, ihre Gefühle auszudrücken? Ich kann die Hand ins Feuer legen, dass ab diesem selben Augenblick, eine "Normalisierung" der Kommunikation auf nicht mehr wiedersehen verunmöglicht wurde. Und zwar — wird man dann sagen — durch mich verursacht, wo ich dies doch so erlebt und wiedergegeben habe!!!
Ich könnte Dutzende von Beispiele bringen. Wie zum Beispiel das "Are You Hearing Me? As I'm Hearing You?" des Song "The Test", der Chemical Brothers.
Das Resultat: Ich hörte die Junge Dame durch das Maul von Lady Marmelade, wenn sie am Mittagstisch den Arbeitskollegen von ihrem Musik hören erzählte und wie sie über den Teppich in ihrem Wohnzimmer geklettert sei, bei diesem Stück. Oder der Mitpatient, der am Kiosk eine Freundin traf von der er schon seit langem ein Telefonat erwartete: Diese Freundin äusserte dann den Gedanken, sie würden wie Ying und Yang zusammenpassen.
Ich frage mich, was die Junge Dame alles von mir gehört haben soll. Wenn ich SMS von meinem Alter-Ego erhielt und auch von jemandem, der sich als die Junge Dame ausgab, was ist dann alles möglich, was die Junge Dame von "mir" — oder wer sich als diesen ausgab — zu Ohren oder zu Augen bekam?
Ja, meine Mutter sagte, ich würde meine Gegenwart selbst gestalten. Einzig ich allein. Doch, wie kann es dann sein, dass meine Ex-Frau mir sagte, welche die "wirkliche Wahrheit" sei, und welche die "unwirkliche Wahrheit", in dieser "meinen" Gegenwart? Wie kann es sein, dass...
Es gibt so viele "dass".
In den nächsten Posts.
Man hört sich.
Und... aufgepasst: nicht unnötig Beziehungen verarbeiten! Lassen Sie sich eher von Lady Marmelade und Doktor Y helfen: Diese brechen die Beziehung für Sie ab, so haben sie überhaupt nichts mehr zu verarbeiten und können unbekümmert ihr Leben weiterleben. Oder, besser gesagt, was Sie daraus machen!!!