August 10, 2010

weinender Schlaf

 
Ich wache auf und spüre diesen Schmerz. Ich merke, ich winsle wie ein geschlagener Hund, immer wieder gebe ich Laute von mir, wie ein Baby. Ich bin irgendwie wach, doch dieser Schmerz ist immer noch da. Er wird sogar schlimmer. Es ist nicht auszuhalte. Ich denke, mein Herz zerreisst jetzt dann. Hallo?! Du bist wach! Es war nur ein Traum! Wieso schmerzt es dann so? Das ist ja nicht auszuhalten!

Bild: Yerka Sleplessness


Die Minuten vergehen. Langsam kann ich mich beruhigen. Da war dieses Bild. Diese Plattform, irgendwo in der Höhe. Ich glaub sie war mit Gras bedeckt. Wie ein klein Insel, aus wenigen Quadratmetern. Und sie schwebte davon. Und da war dieser Schmerz, dieser unglaubliche, tief sitzende Schmerz, der über jedes Bewusstsein hinaus geht, der über jeden Verstand hinaus geht. Ich habe diesen Schmerz schon einmal gefühlt, in meinem Leben. Ich erinnere mich. Und es war kein Traum. Einmal, da hat es mir auch schon fast das Herz in Stücke gerissen. Das war vor dem Kunsthaus Zürich. Das war vor Rodins Skulptur der Höllenpforte.

Ja... Ich erinnere mich daran. Das war schon eine ganze Weile her. Ein Jahr? Fast zwei? Dieses Gefühl vergisst man sein Leben lang nicht mehr, wenn man es einmal erlebt hat. Und nun? Im Traum hat es mich wieder aufgesucht?

Bild: Yerka Sleplessness


Die Stunden vergehen. Der Tag ist ein Tag wie jeder andere. Und dann kommt mir dieser Traum wieder in den Sinn. Und ich bin fast froh... ihn gehabt zu haben. Komisch, aber zum ersten Mal überhaupt habe ich Schmerz gefühlt, das sich auf das Einzige bezog, wofür es sich überhaupt lohnen könnte, Schmerz zu fühlen. Diese Geschichte zieht sich nun seit 2 Jahren dahin, bald 3. Und durch all das, was geschehen ist, bin ich niemals überhaupt dazu gekommen, zu trauern. Ich bin nie dazu gekommen, die Trennung von der Jungen Dame zu betrauern. Ich habe nie Gefühle diesbezüglich gespürt. All meine Gedanken, all meine Gefühle waren mit all dem Schrott besetzt, was mir in der Harten Klinik auferlegen wurde. Das ganze Debakel mit Doktor Y. Die Gummi-Zelle. Die Spritzen in den Arsch. Die Pfleger. Die Entwürdigung. Die Ratlosigkeit. Die Verzweiflung.

Und weil sich mein Verstand mit Händen und Füssen wehrte, gegen all diesen Wahnsinn, hat er die Trennung völlig ausblenden müssen. Und so bin ich zwei Jahre durch die Welt gegangen. Mit einer Trennung die mich zutiefst getroffen hat und die mein Verstand nicht verspüren liess. Mit posttraumatischen Stress-Symptome, die in meinem Bewusstsein und meinem Unterbewussten herum spukten. Die mich nachts wach hielten. Die mich nachts schreiend aus dem Schlaf rissen. Die mich jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde des Tages verfolgten. Die nicht aus meinem Kopf wollten.

Und die Gewissheit, diese Trennung hätte nicht sein müssen. Und ansonsten nichts. Hass für die Ärzte. Hass für jeden, der die Ärzte vielleicht geholfen hat. Und ein kleines Schimmern in meinem Herzen, ein winziges Flackern, das mir sagt, es ist noch nicht aller Tage Abend.


Es ist mehrere Monate her, da bin ich lachend erwacht, in einer Zeit in der es mir nicht wirklich gut ging. Ich habe mich darüber gefreut, denn ich sagte mir dass zumindest mein Unterbewusstsein schon weiter war als ich. Es war schon freier. Nun bin ich weinend aufgewacht, es ist einige Wochen her. Und ich habe mich darüber gefreut. Ich habe mich gefreut zu spüren, dass mein Unterbewusstsein auch diese Gefühle am verarbeiten ist. Und das Gute daran ist, dass es mich nicht erschreckt. Dass es mich nicht beunruhigt. Dass es eine Momentaufnahme ist. Die Aufnahme eines Bild und die damit verbundenen Gefühle. Die Gefühle die mich überrollen, wenn ich die Junge Dame auf einer kleinen Wiese sehe, wie sie davon schwebt. Neben ihr ein Mann. Ich sehe die Junge Dame in die Augen und weiss, dass sie mich liebt. Ich weiss, dass ich sie liebe. Ich fühle, wie dieser Mann ein Bruder ist. Oder ein guter Freund. Ein Begleiter. Und ich fühle, wie die Junge Dame dagegen ankämpft, nicht den selben Schmerz zu fühlen wie dieser, der gerade mein Herz zerfleischt.
Die Zwei reden. Der Mann scheint recht aufgeregt zu sein. Die Junge Dame redet kurz zu ihm, sie beruhigt ihn. Doch später wird es vielleicht sie sein, die jemanden braucht der mit ihr redet. Ihre Hand ist offen, mit dem Rücken gen oben, und sie bewegt sich langsam nach unten, bevor der ganze Arme ruhig am Körper anliegt. Nun dreht sie sich wieder zu mir, ich sehe noch die Andeutung eines Lächelns, bevor sie nur noch eine Silhouette am Himmel ist. Ich bin froh, ist die Junge Dame nicht alleine auf dieser kleinen Wiese, die dahin schwebt. Ich bin dankbar, dass sie nicht irgendwo das durchmachen muss, was ich hier unten durchmachen werde. Und ich hoffe, die Junge Dame wird die Zuversicht in ihrem Herzen bewahren können. Sie soll auch ihre Begleiterin sein, auf dieser Reise. Sie soll ihr möglichst ersparen, diese überfüllte Leere in sich tragen zu müssen.

From www.hongkiat.com: Surreal World


Es ist der Schmerz des Unnötigen. Des Unausweichlichen. Des Absurden. Es ist der Schmerz einer Trennung, die nicht sein sollte. Es ist die Gewissheit, so viel geben zu müssen, um das zu bekommen was uns eh zustehen würde. Es ist die Gewissheit, die Liebe in sich zu tragen, die man so unbedingt zerstören möchte. Aus so unergründlichen und fremden Welten kommen die Taten, die dazu geführt haben. Nicht nachvollziehbar. Kein winziges Bisschen. Und da geht sie dahin. Ein Auge lachend, das andere weinend. Und dahin gehen wir. In die Zerrissenheit die wir so gut kennen. Für nichts und wieder nichts. Mit einem Funken im Herzen.


Nun bin ich wach. Ich fühle mich zwar jeden Morgen wie wenn mich ein Zug überfahren hätte, doch ich bin wach und mein Herz schmerzt nicht mehr so sehr. Der kleine Funken brennt. Und seit dieser Nacht, vor einigen Wochen, habe ich nicht mehr im Schlaf geweint.

Zdenek Janda: The Liquid Time