August 07, 2010

beim Zahnarzt

 
Obwohl sie danach tönen könnte, ist diese Geschichte nicht erfunden. Sie beginnt mit Zahnschmerzen. Nein, sie beginnt viel früher, vor mehreren Jahren bei einem Besuch beim Zahnarzt. Weiter geht die Geschichte dann in der Harten Klinik, wo ich erzähle was während diesem Besuch geschah. Beim spritzen der Anästhesie traf und traf die Zahnärztin den richtigen Nerv nicht. Nach mehreren Versuchen mit dem Bohrer und nach mehreren Aufschreie meinerseits und nach wieder mehrehren Spritzen war das Resultat schlussendlich ein völlig gelähmte Gesichtshälfte. Auf dem Weg nach Hause war das rechte Augen offen und, beim normalen Augenschlag, ging es nicht zu. Das Resultat war ein Typ mit auf einer Seite hängendem Mund der die Menschen die Augenkontakt zu ihm hatten anblinzelte. Irgendwie komisch, in seiner Tragik, diese Geschichte. Die Anästhesie liess nach einigen Stunden nach und das Gesicht bekam seine normale Mimik zurück.

Weiter geht die Geschichte eben mit Zahnschmerzen. Schon als Kind hatte ich immer wieder Probleme mit den Zähnen: Trotz regelmässiger Pflege staunte der Zahnarzt jedes Mal, wenn er in meinen Mund schaute, wie viel Karies ich doch hatte. Irgendwann bekam ich Calcium in medizinaler Dosierung. Das Resultat ist ein ziemlich ramponiertes Gebiss, was ich seit der Jugend nun mit mir herum trage. Jedenfalls verlor ich ein Stück einer Plombe, irgendwann. Als ich endlich den Besuch beim Zahnarzt finanzieren konnte, entschied ich mich also dort hin zu gehen. Die Frau Doktor, die mich behandeln sollte, schien sehr sympathisch zu sein. Ihr Praxis-Kollege sammelte Kunst und die ganze Praxis, der Wartesaal, die Flure, sogar die Toiletten waren mit Kunstobjekten geschmückt, meist Bilder und Kollagen. Auf der Decke oberhalb des Patientenstuhl wurde sogar gezeichnet, so dass man auf ein Kunstobjekt schauen konnte während man auf die Frau Doktor wartete. Es gefiel mir, in dieser Praxis.

Als das Gespräch auf den Zustand meiner Zähne kam und die zahnärztliche Vorgeschichte, erzählte ich von dem Vorfall mit der gelähmten Gesichtshälfte. Die Frau Doktor reagierte ziemlich verblüfft auf meine Schilderung: Sie versicherte mir, ihr sei das noch nie geschehen. Es stellte sich auch heraus, dass sie die Zahnärztin kannte, der das Missgeschick passierte.

Nach einigen Sitzungen und nach Abschluss der wichtigsten Eingriffe, machte sie sich an einen der unteren rechten Zähne. Sie begann, wie immer, mit der Spritze. Als ich wegen dem Schmerz reklamierte, bekam ich nochmals eine Spritze. Und so ging das eine Weile weiter. Irgendwann stand ich vom Stuhl auf, mit einer völlig gelähmten Gesichtshälfte. Man wollte mich verabschieden und mir einen neuen Termin geben. Ich musste von mir aus um das Bestellen eines Taxis bitten. Was ich dann auch zahlen musste. Mein Sohn hat mich bei der Ankunft zu Hause gesehen, zusammen mit einem Freund von ihm. Da ich von dem ersten Mal erzählt hatte, als ich mit gelähmten Gesicht herumspaziert bin, hatten wir alle drei nur noch ein mühdes Lächleln dafür übrig. Im Ganzen waren es also 2 1/2 Lächeln, da ich nur mit einer Hälfte meines Mundes lächeln konnte. Die Rechnung bekam ich ganz normal, für die ganze gemachte Arbeit — nicht nur die Hälfte. Keine Entschuldigung, nichts. Einige Zeit später bekam ich sogar einen Anruf, von der Zahnarztassistentin: Es sei Zeit für eine Kontrolle. Als ich dankend ablehnte, hörte ich auf der anderen Seite "Dabei sind wir gar nicht so böse!"

Du liest nun diese Zeilen und kannst mir glauben oder nicht, doch ich sage dir, schon als die Spritze zum zweiten Mal gegeben wurde, wusste ich was auf mich zukommen könnte. Ich spürte ganz genau, dass Frau Doktor nicht am richtigen Ort die Spritze ansetzte, irgendwie zu hoch, irgendwie zu sehr auf der Seite, irgendwie zu weit hinten. Im Nachhinein, erkenne ich einen eindeutigen Vorsatz in dem, was Frau Doktor tat. Und nun frage ich dich, der am lesen bist: Angenommen du nimmst mir überhaupt ab was ich hier geschrieben habe, wie soll ich nun diesen Vorsatz beweisen?

Bild: Wojtek Siudmak


Übrigens: Seit dann laufe ich mit einem aufgebohrten Zahn in der Gegend herum. Ob das Sinnvoll im Sinne einer zahnärztlichen Behandlung ist, kann ich nicht wissenschaftlich beantworten. Ich behalte den Zahn im Auge, jedenfalls.

Übrigens: Irgendwann schrieb ich, der Gang zum Zahnarzt sei weniger Schlimm als der Gang zum Wahnarzt (also Doktor Y, Lanzy, Doktor No & Co.): Dazu stehe ich heute noch!