Unter meinen vielen Mitteilungen an die Junge Dame, war ziemlich unmittelbar nach Austritt aus der Harten Klinik auch diese:
Gott bewahre, dass ich völlig verbittert und misstrauisch aus dieser ganzen Sache kommen werde. Gott bewahre, dass am Schluss noch Verbitterung übrig bleiben wird!Ich musste zuerst einmal lernen, schlechte Absichten von Seiten der Ärzte der Harten Klinik als eine überhaupt real mögliche Option in Betracht zu ziehen. Mit dem Akzeptieren dieser Möglichkeit war mir aber auch sofort völlig klar, wie diese vielleicht auch tiefe Spuren hinterlassen würde. Tiefe, dunkle Furchen auf dem Feld meiner Seele. Das Feld rund um mein (mein und unser) Freedom Tree.
Ich habe wirklich mein Möglichstes getan, um diese Furchen zu vermeiden. Ich habe das getan, was in meiner Macht stand: Ich habe wieder und wieder die Hand ausgestreckt und sie den Verantwortlichen in der Klinik geboten. Nicht ein Mal, nicht zwei Mal, mindestens ein halbes Dutzend sind meine Angebote gewesen. Zu dieser Zeit wäre ich wirklich noch bereit gewesen, zu verzeihen und zu vergessen.
Es sollte aber nicht sein.
Schon vor geraumer Zeit hatte ich das Thema "Folgeschäden" mit meiner Mutter angesprochen. Schon vor langer Zeit stellte ich mir die Frage, ob ich jemals überhaupt wieder in der Lage sein würde, eine ganz normale "Angestellten/Vorgesetzen" Situation, wie sie bei jedem Job vorkommt, stand zu halten. Ich fragte ob ich je wieder in der Lage sein würde, Autorität zu akzeptieren.
Mir ist bewusst, dass ich schon immer eine nicht einfache Einstellung zu Autorität hatte. Es benötigte schon immer ganz bestimmter Voraussetzungen, um mir das Akzeptieren von Autorität zu ermöglichen. Meine Arbeitslaufbahn bestätigt aber unmissverständlich, wie es mir dennoch immer wieder erfolgreich gelang, mit Autorität umzugehen. Meine Arbeitszeugnisse sprechen da eine klare Sprache. Aber nicht nur das Papier auf dem die Zeugnisse geschrieben wurden attestiert mir die Fähigkeit, mit einen Chef umgehen zu können: Auch die Chefs selbst würden dies bestätigen.
Fakt ist aber auch, dass ich zuerst rausfinden musste, was ich benötigte um mit der Rolle des Angestellten umgehen zu können. Die Suche nach diesen Voraussetzungen ist langwierig gewesen, begann sie doch schon in der 4. Klasse auch dessen hässliche Seiten zu zeigen. Darüber werde ich aber ein ander Mal erzählen. Wie auch immer: Die Suche hat vieler Jahre und vieler Versuche benötigt, bracht schlussendlich aber zum Erfolg.
Nun, nach der mir von der Harten Klinik bescherten "Therapie", frage ich mich ob ich jemals wieder überhaupt in der Lage sein werde, normal zu arbeiten und ganz einfach den Anweisungen eines Chefs zu folgen.
Ich habe einmal geschrieben, dass ich den Ärzten dort vollens vertraute, dass ich mit dem offenem Herz auf der Handfläche in der Klinik herumspazierte. Ich habe mal geschrieben wie dankbar ich damals war, diese Erfahrung einer Offenbarung überhaupt noch in meinem Leben machen zu dürfen. Ich habe geschrieben, wie sehr ich auch meine Dankbarkeit gegenüber den Pflegern und den Ärzten zum Ausdruck brachte.
Jetzt muss man sich einmal vorstellen.
Jemand lauft mit einem Schmetterling auf der Hand herum und ist zu Tränen gerührt, weil dieser Schmetterling das Resultat einer Jahrzehnten langen Arbeit ist. Arbeit die enorm viel abverlangt hat in Sachen Zeit und Energie und mangelnder Verfügbarkeit für die eigenen Lieben. Arbeit die aber vor allem Leidenschaft ist. Nun, nach solch langer Zeit, hat die Zucht das ersehnte Ziel, das auch schon angezweifelte und als Utopie bezeichnete Resultat gebracht: Einen Schmetterling wie es ihn niemals zuvor gegeben hat. Genau den Vorstellungen und Wünsche des Züchters entsprechend.
Er zeigt sein Werk mit der Freude eines Kindes. Die Kollegen staunen, gratulieren, freuen sich, lachen und feiern. Auch der Chef kommt. Er gratuliert, möchte den Schmetterling genauer in seiner ganzen Pracht betrachten, nimmt ihn also in die eigene Hand, lacht, sagt es sei das Schönste was er je gesehen hätte und fügt hinzu, er könne vor einer solchen Leistung nur noch den Hut ziehen und in die Hände klatschen. Und dies macht auch. Mit einem breiten Grinsen sieht er seinen Untergebenen an, gratuliert ihm wiederholt, immer weiter klatschend.
Nun frage ich: Wird dieser Mensch jemals wieder einen Chef haben können, ohne ihm beim ersten kleinen Problem eine Faust ins Gebiss zu verpassen? Oder vielleicht die Hände amputieren? Ich weiss es nicht...
Doch ich weiss, was mir einmal ein Sozialarbeiter zu diesem Thema sagte, eben kurz nach Austritt aus der Harten Klinik
Man hat die verarscht? Ja... Gut... Was soll's, Mann? Ich meine: Das Leben geht weiter! Das Leben muss weiter gehen! Und ausserdem: Glaubst du denn wirklich, uns würde man nie verarschen? Glaubst du denn, wir würden nie verarscht?
Ich glaube es selbst kaum, wenn ich diesen Typen zitiere und seine Worte niederschreibe. Ich kann fast nicht glauben, was er mir da sagte... Um dies zu erklären gibt es in meinen Augen 2 Optionen
- Man hat ihm ein ziemlich falsches Bild davon gemacht, was vorgefallen ist.
Würde aber auch heissen:
Ja! Man hat dich verarscht! Man verarscht dich. Gerade jetzt wieder. In etwa so wie man mich verarscht hat. Und genau so wie ich, wirst du erst einiges später realisieren, dass man dich doch tatsächlich verarscht hat. Schon wieder einmal. Skrupellos und eiskalt hat man dich verarscht!
Kleine Frage.
Wie fühlt man sich, in solch einer
"ach so alltäglichen Lage"? - Der Typ ist DER optimale Kandidat um Oberarzt in der Harten Klinik zu werden.