October 12, 2010

Mission: Mensch sein

 
Der Film "The Mission" von Roland Joffé aus dem Jahr 1986, mit Robert De Niro, Jeremy Irons und dem Soundtrack von Ennio Morricone, war und bleibt einer der für mich besten und stärksten Filme über das Dilemma des Menschen in der modernen Welt, in seiner ursprünglichsten Form, über den Gegensatz zwischen menschlichem Sein und sozialem Wesen. Der Mensch, zwischen Tier und Gott, auf seiner Suche nach sich selbst — wo er schon einmal das Verderben in der eigenen Familie und das eigene Unglück heraufbeschwören kann — muss sich dann noch mit all den Ideen und Konstrukten unserer Gesellschaft auseinandersetzen und damit zurecht kommen. Der Mensch, der "teuflisches" meistens in Seinesgleichen entdecken muss oder in den Institutionen und Definitionen die er selbst geschaffen hat (meistens im Glaube damit Ordnung ins Chaos bringen zu können) und die nun selbständig zu werden scheinen und plötzlich keinen Respekt und Erbarmen mehr für das Schicksal eines Einzelnen haben können.

Szene aus dem Film "The Mission"


Darüber hinaus können wir uns vorstellen wie sehr wir uns, in unserer westlichen Gesellschaft, immer mehr vor tiefgründigen Erfahrungen schützen. Nach 2 Weltkriegen kein unberechtigter Wunsch. Dennoch müssen wir uns nun die Frage stellen, wie es dem modernen Menschen möglich sein soll, prägende Erfahrungen erleben zu können, ohne sich zur Fremdenlegion zu melden. Wie können unsere Kinder, in all dem Anstreben nach dem "Funktionieren", noch ihre Rand- und Grenzerfahrungen machen, die der Mensch irgendwie doch zu brauchen scheint? Was bietet unsere Gesellschaft dazu, ausser Adrenalin-Sportarten und Drogen-Exzesse? Ist Selbstfindung noch möglich? Oder ist sie überhaupt noch erwünscht? Oder führt die Suche danach immer öfters in die Psychiatrie — und zwar dann besonders, wenn die Suche zuerst einmal wiederholt nicht erfolgreich ist und an irgendwelchen innerlichen oder äusserlichen Hindernisse scheitert?

Kann eine Gesellschaft, um das Kapital herum organisiert, für den Menschen ein lebenswertes Leben bieten? Oder muss sich der Mensch dieser Organisation unterordnen, wie schon seit hunderten von Jahren? Diese Frage ist heute, so glaube ich, wichtiger denn je. Sie ist nicht mit den grossen Utopien des 20. Jahrhunderts gestorben, denn die Umsetzung dieser fabd einzig den Weg der Gewalt. Heute sind wir vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wirklich in der Lage uns die grundlegende Frage zu stellen, wie wir unser Leben und unser Zusammenleben organisieren möchten. Und heute haben wir Ressourcen und Energie um die Antwort selbständig und freiwillig wählen zu können. Freiwillig und ohne Zwang, langsam abder ununterbrochen. Denn, langsam sollten wir uns daran machen, in den nächsten Jahren, uns diese Frage bewusster zu stellen und nach Antworten zu suchen. Auch deswegen, um niemals mehr das tun zu müssen, was Institutionen und Konstrukte im schlimmsten Fall den einzelnen antun: Ihn Niederwalzen. Oder den Planeten. Oder irgendwas sonst... Mit welcher Einstellung gehen wir ans Werk, wenn wir nach Öl bohren? Und mit welcher, wenn wir ein Gewächshaus in Spanien bauen? Oder wenn wir unser Geld in Aktien investieren? Was sind wir alles bereit zu opfern, um an unser Ziel zu gelangen? Wen sind wir bereit zu opfern? Was alles blenden wir aus, was aber in Tat und Wahrheit mit dem zu tun hat, was wir tun? Wenn der nächste Madoff fallen wird, wovon können wir uns dann reines Gewissens distanzieren und behaupten, die Schuld läge nicht im Geringesten bei uns?

"Diese" Welt ist das, wie im Film so schön gesagt wird, was daraus gemacht wird. Was jeder einzelne von uns daraus macht.

Ein Film der, bei mir, wahrlich viele Fragen aufwirft durch die einfache Erzählung der Schicksale einiger Menschen an der Grenze zwischen unserer Gesellschaftsform und einer, die wir niemals mehr erleben werden. Sowohl Fragen über den Einzelnen und wie er für seine eigene Existenz einen Sinn zu finden versucht, wie auch Fragen über die Art in der wir zusammenleben und uns organisieren, und wie wir immer öfters uns selbst leugnen müssen, in der Annahme die "Allgemeinheit" würde eher wissen, was das Richtige sei.