June 28, 2010

Leben auf dem Spielplatz

Du bist ein Kind und die Welt eine Einladung zur Entdeckung. Plötzlich, du hattest es nicht einmal bewusst wahrgenommen, von hier auf jetzt, bist du ein Erwachsener. Zwischen diesen zwei Augenblicken ist so dermassen viel geschehen, du hast dich vollkommen verändert — sowohl äusserlich wie auch in deiner Wahrnehmung deiner Selbst und der Welt um dir — du hast unvergesslich schöne und schmerzhaft schwierige Momente erlebt, du hast dich rasant schnell weiterentwickelt.

Doch, obwohl du nichts mehr gewollt hast als vom Kind zum Mann werden, obwohl du unendlich viele Erfahrungen auf deinem Weg gesammelt hast, obwohl du dir ziemlich jede (deinem Wesen entsprechende) Tätigkeit und Aufgabe zutrauen würdest, obwohl man dir offiziell ein Papier aushändigt welches deine Fähigkeit bescheinigt, mit einem Geschoss von mehreren Tonnen mit Geschwindigkeiten die kein Wesen auf Erden erreichen kann, obwohl du alles hast um dich in der Welt durchsetzen zu können...

Du hast irgendwie das Gefühl ziemlich alles gelernt zu haben um dich an jede Situation so anpassen zu können, dass du lernen kannst damit umzugehen und deine Fähigkeiten so einzubringen dass du deine Umwelt mitgestalten. Du kannst deine Umwelt und dein Leben auf die zu dir passenden Art mitgestalten und prägen.

Und doch hast du irgendwie ein Gefühl, dass dich seit einiger Zeit begleitet. Das Gefühl so vieles gelernt zu haben, nun vom Körper eines erwachsenen Mannes verfügen zu können, selbständig Entscheide zu treffen und entsprechend zu handeln. Und... niemals etwas gelernt zu haben was mit dem Erwachsen sein selbst zu tun hätte.

Du hast nicht gelernt wie du zu dem Korsett finden kannst, das dich nicht einengen wird und doch genügend klare strukturiert ist. Du hast nicht gelernt weshalb du als Erwachsener hin und wieder in Konflikte gelangen wirst, von denen du das Gefühl hast sie hätten ja gar nichts mit dir zu tun. Du hast nichts davon gewusst, welch ein Kampf schon nur der pure Alltag für viele Erwachsene ist. Geschweigen denn davon wie schwierig es ist, seine Kindheitswünsche in Erfüllung zu bringen.

Du hast vielleicht gelernt mit Frust und Trennung umzugehen. Doch niemals hättest du gedacht, dass so wie auf dem Spielplatz ein Kind versucht dir das Spielzeug abzunehmen, so kann ein Arbeitskollege dir deinen Job wegschnappen wollen. Und dazu noch auf eine "erwachsene Art", das heisst so dass es nun gesellschaftlich toleriert wird.

Patricio Carrasco: Forever Is Our Today

Du hast nicht gelernt wie, all die Konflikte die in der Kindheit offen ausgetragen wurden, nun in das soziale Leben eingebettet und getarnt sind. Du wusstest nicht, dass in einer Gesellschaft die "zivilisiert" genannt wird, die einfachen und elementaren Beweggründe von Kinder die Menschen dazu bringen, anderen Schaden zuzufügen.

Und es macht dich mehr als traurig, hin und wieder macht es dich richtig fertig zu erleben, wie all diese ehemalige Kinder ihr Leben lang nicht versucht haben ihre Konflikte und Aggressionen anderen gegenüber in Griff zu bekommen, sondern all diese Jahre darin investiert haben, ihre Taten so zu gestalten dass sie (sowohl dem eigenen Gewissen wie auch den Mitmenschen gegenüber) nicht auffallen. Unser Handeln soll nicht als das "wollen" eines Kind gedeutet werden was das Spielzeug des anderen Kinds unbedingt will. Unser "wollen" soll gesellschaftlich ins Spiel passen.

Und wenn ich nun mal der Herrscher der Welt sein möchte und es zuvor auf dem Weg von Hollywood probiert hatte, dann lass ich mich einfach vom amerikanischen Volk zu ihrem Präsidenten wählen. Nun kann ich all diese Hunderttausenden von "Kindern" in der "Grau-Grünen Klasse" herumkommandieren und kann ihnen Befehlen auf die andere Seite der Welt zu fliegen und dort den Menschen diese schwarze Brühe die aus der Erde geholt wird (die ganze Welt ist ganz verrückt nach dieser Brühe) abzunehmen. Sie sollen den Menschen dort dieses schwarze Zeug klauen, ja! Und es mir bringen.


Ich selbst, bin mit über 40 Jahre sowas wie Erwachsen geworden. Wenn ich es je überhaupt geworden bin oder werde. Doch ich habe nie die Macht gehabt oder gewollt, die Macht über die anderen Kindern auf dem Spielplatz. Ich frage mich, wann der Mensch lernen wird, zwischen den Spielplatz-Streitereien und dem Handeln eines erwachsenen Menschen zu unterscheiden. Wann und wie wird er lernen den Unterschied zu erkennen und seiner Erkenntnis entsprechend zu handeln?

Als erwachsenes Wesen mit einem extrem fortgebildetes Bewusstsein, dass ihm erlauben könnte unnötige Aggressionen und Gewalt zu erkennen?

Ich glaube daran, dass dieser Tag kommen könnte. Doch dazu müssen wir langsam wieder damit beginnen, uns zu fragen was wir aus uns machen möchten, wohin uns unsere Reise führen soll. Genauso wie es Jugendliche tun, die bald erwachsen werden.
Nur... Dies ist jetzt nicht die Reise eines Einzelnen, es ist die gemeinsame Reise der Menschheit. Eine Reise, die sich vielleicht an einem wichtigen Punkt befindet, an dem über die zu nehmende Richtung entschieden werden muss.

Dieser Entscheid muss nun getroffen werden, denn der Weg vor uns teilt sich in 2 Richtungen auf. Wir kommen also nicht drum herum, uns für den einen oder den anderen Weg zu entscheiden. Und je länger wir warten, desto weniger Zeit werden wir haben um bewusst, überlegt und unserem Wille entsprechend entscheiden und handeln zu können. Wir können uns davor noch drücken. Aber nicht mehr lange.


Und, wäre es nicht schöne, wenn wir diesen Entscheid gemeinsam und bewusst treffen würden. Wenn wir zusammen, wie Erwachsene, unsere Wahl treffen würden und unser Schicksal in diese Richtung lenken würden?

Oder wollen wir tatsächlich weiterhin wie Motten um eine Glühbirne fliegen? Und uns um einen Platz am Licht streiten? Wollen wir das wirklich? Anstatt dass wir zurück zu einem Leben bei Tageslicht finden würden? Wollen wir, als ganze Menschheit, wirklich weiterhin so leben wie wenn unser Schicksal von jemandem bestimmt würde, der das Licht ein- oder ausschalten kann wann er will?

Dass wir unser Schicksal nicht bis am Schluss in der Hand haben ist wohl klar. Als Individuen kommen wir auf die Welt und sterben. Doch als Menschheit, könnten wir nun langsam erwachsen werden und unser Leben auf eine Art und Weise gestalten, die es uns erlaubt dafür zu stehen und darauf stolz zu sein!

Enio Di Stefano: Uomini