February 23, 2010

wer schiesst auf Mönche?

 
Gerade läuft auf Arte ein Doku über die Demonstrationen in Burma, im Jahr 2007, als die buddhistischen Mönche auf die Strasse gingen und das Regime herausforderten. Seit den ersten Kundgebungen bis zur brutalsten Erstickung jeglicher kritischer Stimme, seit dem Anfang an waren die Marsch-Sprüche der Mönche in etwa
Versöhnung. Dies ist unser Wunsch.
Oder auch

Jedes Wesen auf der Welt möge frei sein. Frei von Furcht. Frei von Not, von Elend. Jeder Mensch auf Erden möge Frieden im Herzen finden.
Es sind völlig friedliche buddhistische Mönche, die einzig friedliche Slogans skandieren, die abgemetzelt werden.

Das ganze Land, jede private Mensch in Rangun steht hinter den Mönchen und teilt deren Wünsche und Forderungen. Die gesamte Bevölkerung Burmas solidarisiert mit den Religiösen und finden erst durch deren erste Proteste den Mut auch die eigene Stimme hören zu lassen. Hundert Tausende schliessen sich den Mönchen an und gehen unter Lebensgefahr auf die Strasse.


Nun stelle ich mir die Frage: Wie um alles in der Welt ist es möglich, dass junge Soldaten auf friedliche Mönche schiessen können? Ein japanischer Kameramann wurde aus allernächster Nähe hingerichtet. Wie ist dies möglich? Wie kann es soweit kommen? Jeder Soldat und Polizist im Land ist sich natürlich darüber völlig bewusst, dass die komplette Bevölkerung, das ganze Land, ihr eigenes Land für das sie anscheinend kämpfen, hinter ihrem "Feind" steht. Wie kann es soweit kommen?

In Leipzig war es zu einer ähnlichen Situation gekommen, als die Masse des Fackelmarsch gegenüber den Streitkräften stand ohne zu wissen, ob diese nun das Feuer gegen die eigenen Leute eröffnen würden. Gott sei Dank, blieb ein solches weiteres und tristes Kapitel Deutschland erspart.

In Burma warteten die Mönche und die Demonstranten darauf, dass sich die Streitkräfte ihnen anschliessen würden. Sie gingen davon aus und, trotz der Angst zu sterben, sie hatten genügend Glauben in die Vernunft ihrer Landsleute. Also wie kam es dazu, dass Mönche deportiert, gefoltert und exekutiert wurden?

Und die Ausgangslage war nicht die von Tiananmen. Es waren nicht Soldaten von irgendwer in Panzer heran geordert worden, die auf eine kleine Gruppe von Fremden losgingen. In Rangun stand das Militär über einen Zeitraum von mehreren Tagen der ganzen Öffentlichkeit und buddhistischen Mönchen gegenüber, auf Hautfühlung und dem "Gegner" immer in die Auge sehend.

Wenn also das Militär nicht kompakt Seite wechselt, wenn jeder Einzelne lieber auf Mönche schiessen wird als Ungehorsam zu leisten, was muss in seinem Kopf vorgehen? Diese Soldaten wussten, dass wenn sie geschlossen die Mönche unterstütz hätten, wäre das der Point of No Return gewesen. Doch sowas geschieht nicht einmal ansatzweise. Wieso?

Wenn die Generäle ihre Truppen junger Männer so im Griff haben, dass sie Nonnen und Mönche verprügeln und verschleppen, muss es schon System dahinter haben. Die Organisation muss definitiv sehr "effektiv" sein. Wenn man nicht davor zurückschreckt, einen getöteten Mönch mitten in der Stadt in einem Flussbett zur Schau zu stellen, wie Dracula früher seine gefallene Feinde auf Pfeile aufspiessen liess, wenn man mit der Bevölkerung nicht vor solchen Massnahmen halt macht, wie muss es dann innerhalt der Armee aussehen?

Unter welcher unglaublicher und absoluter Kontrolle haben die Generäle ihre Armeen? Und, wie ist es zu unserer Zeit, in einem der bis zur Machtnahme des Militärs reichsten Länder Süd-Ost Asiens möglich, dass es dazu kommen kann? Und hier ist für mich die einzig mögliche Antwort, so schrecklich sie auch ist, schlicht und einfach die, dass die internationale Kommunität seit Jahrzehnten keinen Finger gerührt haben muss. Die einzige mögliche Antwort ist, dass das Land völlig isoliert "in aller Ruhe" das Militär-Regime auswuchern lassen musste. Dass die Generäle in aller Ruhe ein Monstrum erschaffen konnten, dass zu Dinge fähig ist, wozu kein einziger privater Mensch, der etwas Verstand und Herz hat, in Stande wäre.

Wenn eine einzige Frau, so ausserordentlich und erleuchtend sie auch sein mag, ein ganzes Regime zittern lässt und in Angst versetzen kann, dann ist mit diesem Land schwer was nicht in Ordnung. Wenn eine einzige Frau die ganze Bevölkerung mobilisieren kann und die Fundamente des Staates zum wackeln bringen kann, dann ist diese Frau einzigartig und bitterst nötig. Dann ist aber auch der Staat in einer mehr als seltsamen Lage.

Und da reicht es nicht, einen Nobel-Preis zu verteilen und denken, man habe sich damit die Hände in aller Öffentlichkeit gewaschen. Dies reicht bei Gott nicht. Und Proteste gegen den Hausarrest der Frau sind wohl das Mindeste, was man vom Rest der Welt erwarten sollte, oder? Aber was ist sonst geschehen, ausser ein paar Wörter an einem paar Presse-Konferenzen?

Also stellt sich gerade die Frage: Wie kommt es, dass hier nichts geschah wo man bei einem anderen Schurken einmarschierte und "Demokratie" wiederherstellen wollte und "musste"? Aber... Ich bin natürlich nicht der Erste, der diese Frage stellt. Und ich werde bestimmt nicht der Letzte sein.


NOTE
Siehe den höchst interessanten Blog des Zürcher Journalisten und Fotografen Jonas M. Lanter, der "seit 15 Jahre bereise Burma bereist und über dieses abgeschottete Land berichtet": Burma Berichterstattung