January 21, 2010

bi - polar (oder so)

 
 
Welche Diagnose bei mir objektiv und fachlich begründet die Zutreffendste ist, kann ich bestimmt nicht beurteilen. Höchstens kann ich, bei einem konstruktivem Ansatz und einer aufbauenden Zusammenarbeit mit den Fachexperten, beschreiben welche für mich die plausibelste Diagnose sein mag, welche es ist — in Anbetracht meiner Erlebnisse und Gefühle — die zu sein scheint, die ich am besten nachvollziehen kann und die es mir ermöglicht, so Einiges zu verstehen oder einordnen zu können.

Wichtig ist es mir hier, zu bemerken, dass ich nie und nimmer à priori eine Diagnose oder ein Krankheitsbild ablehne, dass ich mich bei gewissen Aspekte nicht einbringen möchte oder kann, dass ich mich verschliesse. Sei es durch Erziehung, Charakterzüge, durch falschen Stolz oder was auch immer: Ich behaupte, bei diesem Thema offen zu sein und keine Tabus mit einzubringen, keine hypothetischen Grenzen die ich nicht zu übertreten bereit wäre.


Bild: Algg Prod

Zu diesem Thema passend, drehte sich die Frage in der Harten Klinik, ob ich auf die Drogen-Station sollte oder nicht. Es ist war, dass ich immer gesagt hatte, schon von Beginn an, dass ich nicht bereit wäre, für einen Aufenthalt in der Drogen-Abteilung. Da eine echte und offene Auseinandersetzung, ein Gespräch, nicht möglich sind und da ich aber merkte wie unterschwellig diese meine Äusserungen nicht wirklich "goutiert" wurden, habe ich mehrmals von mir aus versucht, meine Argumentation zu erklären. Ich sagte, etwas 10 Jahre zuvor sei ich diesen Weg gegangen. Ich verbrach mehrere Wochen auf der Drogen-Abteilung in der Harten Klinik und danach etwa 3 Monate in einer Therapie-Einrichtung, die damals zur Psychiatrischen Universitäts-Klinik gehörte — wie auch die Stelle bei der Therapeutin Maier arbeitete.

Beide Aufenthalte hatte ich erfolgreich beenden können (heisst ohne Rückfälle mit Konsum von Drogen). Diese Zeit habe ich als sinnvoll und eben Erfolg bringend erlebt und in Erinnerung behalten, bin ich danach doch wieder in der Lage gewesen einem Job nachzugehen und meine finanzielle Lage zu sanieren. Auslöser für die Therapie ist nämlich die Tatsache gewesen, dass ich damals zum ersten Mal in meinem Leben nicht mehr arbeitsfähig war und für mich ist immer eines völlig klar gewesen, ohne Job hätte ich nicht leben können und nicht leben wollen. Ohne Job wäre ich wie jeder andere Süchtige auch, im Konsum untergegangen. Die Arbeit ist für mich immer DER lebensrettende Anker gewesen, die treibende Kraft die mich vorantreibt im Leben und auftreibt im Sumpf der Drogen. Und so wie mir habe ich viele Süchtige gesehen, die sich dank der Arbeit in Sicherheit vor einem elenden Untergang hielten.

Jedenfalls hatte ich wiederholt erzählt, wie ich damals in vollem Bewusstsein die Therapie angegangen war, mich stabilisieren zu wollen und wieder fit für die Arbeitswelt zu machen. Nie habe ich mir damals vorgemacht (oder auch nur als optimales wenn auch utopisches Ziel gesetzt) die Drogenfreiheit erreichen zu können und zu wollen. Ich hatte mir als Ziel eine saubere Zeit (clean) gesetzt und dieses Ziel erreicht. Durch die Unterstützung sehr guter Leute in den Therapie-Einrichtungen und auf den Ämtern die mich bei der Schuldensanierung begleitet hatten, konnte ich wieder einem Leben nachgehen das mir dieses Minimum an Würde ermöglichte und es als lebenswert zu empfinden.

So wie ich mit dem Ziel einer Stabilisierung meiner Lage dort eingetreten war, hatte ich dies auch bei vielen anderen "Patienten" erlebt. Wichtig ist hier vielleicht zu bemerken, dass es sich um eine "Milieu-Therapie" handelte, die also auch nicht das deklarierte Ziel einer völligen Reintegration und Selbständigkeit hatte. Wer diese Ziele verfolgte wurde dann in eine Langzeit-Therapie übertreten, in einer Rehabilitationseinrichtung.

Lange Rede kurzer Sinn.
Ich wollte nicht denselben Weg gehen und hatte diesmal ganz andere Ziele vor Augen: Nun wollte ich und — erstmals in meinem Leben sah ich die reelle Chance dazu!!! — konnte vielleicht ein Leben ohne Drogen ins Visier nehmen. Erstmals schien mir dies nicht eine Fata Morgana zu sein, die es ernsthaft in Betracht zu ziehen sich gar nicht lohnte, erstmals konnte ich überhaupt über dieses Thema nachdenken ohne das Gefühl zu haben, mir (typisch für die Sucht-Krankheit) etwas vorzumachen.

Immer wieder betonte ich, wie ich mich keineswegs "zu gut" für eine solche Therapie fühlte, wie ich überhaupt nichts abwertendes darin sah oder mir ein negatives Urteil über die Patienten dort erlauben würde. Immer wieder sagte ich wie weder "Hochnäsigkeit" noch Übermut die Gründe meiner Ablehnung seien, sondern die Tatsache dass ich andere Ziele verfolgen würde.

Eine Pflegerin, eine von denen die mir immer ein recht gutes Gefühl gegeben hatten, das Gefühl auf mich einzugehen und mich ernst zu nehmen, diese eine einzige Pflegerin hat dieses Thema mit mir angesprochen und mir gesagt wie sie meine Argumentation nachvollziehen könne und wie für sie ein Punkt ausschlaggebend sei, um meinen Entscheid unterstützen zu können, und zwar die Tatsache dass ich den Weg der Drogen-Station schon einmal gegangen sei und dieser (auf lange Sicht hin betrachtet) nicht zum Erfolg geführt hatte. Also sei es für sie mehr als logisch, dass ich nun einen anderen Weg zu gehen versuchen wollte.

Zurück zu der für mich zutreffenden Diagnose.
Ich kann auch nicht behaupten, eventuell andere Symptome und Krankheitsbilder gehabt zu haben, als ich bei Frau Maier in Therapie war. Ich kann nicht behaupten, niemals im Leben vielleicht eher zum Bild eines bi-polaren Menschen gepasst zu haben. Oder vielleicht Anzeichen eines Manisch-Depressiven. Ich kann dies nicht behaupten und möchte es auch nicht.

Und auch als ich mich in der Harten Klinik befand, kann ich nicht fachlich begründet behaupten, nichts von einer bi-polaren Störung gezeigt zu haben — keinesfalls. Und, deshalb die Ausführung bezüglich früheren Therapien und Ablehnung eines Aufenthaltes in der Drogen-Station, ich möchte wirklich betonen, dass ich keinesfalls eine solche Diagnose nicht akzeptieren würde, wenn ich damit konfrontiert und wenn mir diese erklärt würde. Wenn ich sie nachvollziehen könnte und sie mir einleuchten würde, wäre ich der Erste der dazu stehen würde. Weshalb auch nicht? Bin ich mir zu gut dafür? Hallo!!! Ich bin ein Junkie, weshalb also auf keinen Fall ein Junkie mit bi-polarer Störung?


Bild von Carlos Alonso

Nein... Die Sache verlief ganz ganz anders. Und zwar habe ich bis Ende 2008 niemals, wirklich NIEMALS, eine Diagnose erhalten. Kein Verdacht wurde je geäussert, kein einziges psychisches Krankheitsbild wurde in meiner Gegenwart von einem Arzt oder Therapeuten je ausgesprochen. Niemals habe ich mich mit Krankheitsbildern beschäftigt und mich darüber informiert. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, die Krankheit "Borderline" könnte irgendwas auch nur im Geringsten mit mir zu tun haben — waren für mich Borderliner sowie für die meisten Menschen doch die die sich selbst verletzten. Mehr wusste ich nicht über welches Krankheitsbild auch immer. Nicht mehr als die meisten Menschen wissen.

Nun ist "Borderline" für mich die Erklärung vieler Ereignisse und Empfindungen gewesen, in den letzten 35 Jahren meines Lebens. Es ist endlich der Schlüssel gewesen, der zu diesem verflixten Schloss passen sollte, dass ich das Leben lang mit mir herumtrage und nie zu öffnen im Stande gewesen bin. Es ist das Wörterbuch für eine fremde Sprache gewesen, die mein Verstand und mein Herz seit einer halben Ewigkeit sprachen und das ich nie entschlüsseln konnte.

Es ist, vielleicht im Gegensatz zu den Befürchtungen meiner Therapeuten, nicht der Stein im Teich gewesen der erst Recht für Wellen und Chaos sorgt, sondern eher ein neuer Zufluss, ein neuer Abfluss, die dem Teich neues und reicheres Leben ermöglichen. Es ist endlich der Sinn hinter so viel Unsinnigem gewesen.

Siehe auch den Post "Borderline" im Blog "will I see you shine?"


In der Harten Klinik hat man mich nicht angesprochen und gesagt,
sehen Sie LET IT SHINE, wir denken dies und jenes und eventuell so oder so, es könnte sein dass Sie so oder vielleicht aber auch so. Nach unserem Psychiatrie-Lexikon passen Sie eindeutig hier und hier rein, so und so, also ist der Fall für uns ziemlich klar
Oder so...

Nichts! Rein gar nichts! Und, damit dies ganz klar ist: Wovor ich mich gewehrt habe ist keineswegs eine Diagnose von bi-polarer Persöhnlichkeitsstörung. Und auch nicht ein Verdacht darauf. Nein! Was ich nicht akzeptiert hatte, waren die Wörter die Doktor Y fast beiläufig dahin schmeissen sollte, als er mich aus seiner adretten "Psychotherapie-Station" geschmissen hat. Als ich sagte Ich bin nicht bereit mit der zerquetschen Fliege auf der Windschutzscheibe zu reden, wenn ich doch den Fahrer hinter dem Lenkrad kenne! gab er zum Besten
Dies zeigt mir wieder einmal, dass Sie wahnhaft sind! Deshalb schlage ich Ihnen eine Auszeit auf der Akut-Station vor, wo sie sich einige Tage ausruhen können und, ohne Therapie-Termine und Zeitdruck, wieder etwas zur Ruhe kommen können.

Plötzlich war ich nun "Wahnhaft". Und, vor allem, dieser "Wahn" wurde nicht etwa festgestellt und mit mir angesprochen, thematisiert... Er wurde mir auf brutalste Weise ganz einfach vorgeworfen!

In einer psychiatrischen Anstalt empört sich der Oberarzt völlig an der vermeintlichen Feststellung von Wahn bei einem Patienten und in seiner ganzen "Verzweiflung" und "Konsternation" darüber ist er "gezwungen" zu handeln und muss den Patienten auf die Akut-Station verfrachten.
Tja, der zweite Teil von diesem Satz (ab "gezwungen") mag ja auch zutreffen hin und wieder , je nach Fall. Wie sieht es aber mit dem ersten Teil aus? Ich meine... Was ist das nur für eine Flasche von einem Oberarzt, der sich aus völlig heiterem Himmel vom Wahn eines Patienten überraschen lässt und mit einer choreographisch inszenierten Dringlichkeitssitzung den Patienten abweisen muss?

Und... Weshalb ist dieser Arzt nicht mehr offiziell ansprechbar für den Patienten? Weshalb verweigert er jegliche Auskunft und Auseinandersetzung? Nicht einmal die Auseinandersetzung, nein... Er verweigert sogar schon nur das Erläutern seiner Erkenntnisse und den daraus entstandenen Schlussfolgerungen. Er weigert sich dem Patienten zu erklären, was überhaupt über sein Krankheitsbild erörtert wurde. Oder so...


Und, betreffend "WAHN": Auch für diesen bin ich mir nicht zu schade, wenn man mir erklärt wo und wann ich was auf eine wahnhafte Weise wahrgenommen haben sollte, und mir sagt wieso dies Wahn ist und was hingegen wahnfrei wäre. Hierfür wäre ich mir sicher nicht zu schade. Wieso auch?

Also... Doktor Y, Doktor NO, Lady Marmelade, Direktor Gebrochene Lanze, wollt ihr mir dies erklären? Oder habt ihr es mir schon in der Villa am Hönggerberg erklärt? Ich warte darauf und lasse mich gerne überraschen. In der Zwischenzeit mache ich halt als Borderliner weiter und schreibe weiterhin "hart an der Grenze, knapp am Abgrund" über euch und eure Machenschaften. Anscheinend habt ihr ja Zeit... Und ihr habt mich gezwungen, mir Zeit zu nehmen...



Nun, anstatt dass ich mich einzig und alleine kaputt mache wie ihr euch das so in eurem wahnfreien Wissen vorgestellt habt und vielleicht schon dutzende von Male durchgezogen habt, anstatt nur mich in den Abgrund zu stürzen, nehme ich euch dabei mit. So wahnhaft bin ich dann wieder!!!