Aus irgendwo zwischen Heartland and Ghostland.
Aus dem Ort, in dem ich das letzte Jahr verbracht habe.
Da war dieser Nebel...! Das ganze verdammte Jahr lang bin ich von dichtem Nebel umringt gewesen, der mir jegliche klare Sicht auf die Welt verunmöglichte. Eigentlich habe ich Nebel gemocht, früher. In der Harten Klinik bin ich einmal bei Morgennebel auf das Baseball-Spielfeld, und der Nebel war dermassen dicht, dass man nicht das Ende des Feldes sah. Mit welchem Genuss habe ich in voller Lautstärke Musik vom mp3-Player gehört und dazu getanzt. Next To Nothing von Fatboy Slim. Aus diesem Rasen habe ich eh immer wieder zu meiner Kopfhörer-Musik getanzt: Nachts wurde es fast zum Ritual, unter dem Sternenhimmel...
Wie auch immer, dieses Jahr war dieser verflixte Nebel ununterbrochen da, dicht, träge, bedrückend, niederdrückend... Wie oft habe ich geschrien, wie oft habe nach einem Echo wartend in den Nebel geschrien, mit der ganzen Kraft meiner Lungen und meiner Stimmbänder! Wie oft habe ich in völliger Verzweiflung nach wen gerufen, der sich auch in diesem Nebel verirrt hatte...! Aus dem Nebel raus ist nie eine Antwort gekommen, das ganze Jahr lang! Dieser Nebel aus Blei gab keine Antwort, und gab seine Gefangenen nicht frei!
Die einzigen Laute die ich zu hören bekommen habe, kamen aus den Tiefen meines Herzens, kamen aus dem Scheinen meiner Seele. Obwohl ich gefangen war, in diesem Teig, mein Körper dieser alles erdrückenden Kraft völlig ausgeliefert, muss meine Seele dennoch es geschafft haben, sich zu lösen und sich einigermassen frei zu bewegen, auf der Suche nach ihrer Wahrheit, nach ihrer Welt und ihren Leuten. Üblicherweise, bekomme ich ja jede Regung und Entdeckung meiner Seele mit, da wir eigentlich immer recht gut harmoniert haben... Sie ist immer sehr geduldig zu mir gewesen und hat sich verständnisvoll und einsichtig gezeigt, wenn ich wieder einmal Mist baute. Alles drum und dran, habe ich immer sehr viel profitieren können und von der positiven getankten Energie meiner Seele auch zehren können. Ich konnte mich auch an all dem Schönen und Edlen erfreuen, dass meine Seele so zu sammeln wusste.
Doch während dem letzten Jahr, da habe ich nichts mitbekommen, von den Entdeckungsausflüge meiner Seele. Irgendwie hatte ich den Draht zu ihr verloren. Doch ich bin mir sicher, dass sie es trotz meiner Gefangenschaft im Nebel geschafft hatte, sich zu lösen und ihren Weg zu suchen. Ich bin mir dessen sicher, weil ich – wo niemals eine Antwort aus dem Nebel kommen sollte – ich etwas von meinem Herzen hörte. Ich hörte, wie tief verschlungen und vergraben, verschreckt und verstört, sich Liebe irgendwo versteckte und auf der Lauer war. Und immer wieder habe ich meine Liebe gehört, wie sie mich gerufen hat, wie sie mir aus dem Nebel helfen wollte und den Weg zeigen. Doch die Klänge, Melodien und Harmonien die ich zu hören bekam, reichten nicht aus um mich aus dem Nebel zu lotsen.
Auf diese Weise wurde meine Verzweiflung immer grösser. Zu spüren und zu hören, dass da etwas Heiteres war, dass nach mir rufte, und gleichermassen zu realisieren, dass ich diese meine Sonne nicht werde entgegentreten können, nicht finden können, machte mich völlig fertig. Anstatt mir Kraft und Zuversicht zu geben, schmerzten inzwischen diese Klänge in meinem Herzen. Sie kamen als Echo einer Fabel daher, einer wunderschönen Realität die mir verwehrt bleiben sollte. Meine Kräfte schwanden immer mehr.
Also verweilte ich in diesem inzwischen traurigen Nebel, in der Hoffnung es würde sich früher oder später von selbst auflösen. Doch das Schlimmste sollte erst noch auf mich zukommen!!! Als ich damit begann, mit anderen Menschen über diesen Nebel sprechen zu wollen – wie zum Beispiel mit meiner Mutter – realisierte ich wie verloren und verlassen ich wirklich war! Meine Mutter schaute mich an – ich vergesse nicht dieses Erstaunen zwischen fragend und furchtsam in ihrem Gesicht – und sagte: „Von welchem Nebel redest du da, mein Sohn? Da ist weit und breit kein Nebel! Seit Monaten hat es keinen Nebel mehr gegeben!“ Ich versuchte nur noch ein oder zweimal diesen Nebel zu thematisieren, obwohl er tagein und tagaus meine Sicht auf die Welt verdeckte, schien ihn niemand sonst wahrzunehmen. Ich hatte da meinen eigenen, ganz persönlichen Nebel!!!
So habe ich doch zum Beispiel eine ganze Weile lang vor einem Mast gesessen, während der Blick sich im Nebel hinten dran verlor. War er vielleicht von der Harten Klinik gespendet? Hatte man ihn mir mitgegeben, auf meiner weiteren Reise durchs Leben? Hatte man es mir schenken wollen, eigentlich völlig gut gemeint und wohlwollend, wo ich doch solche Freude daran gehabt hatte, auf dem Baseball-Spielfeld? Und ich wusste das Geschenk nicht einmal zu schätzen!!?
Als ich aufschaute, um die Glühbirne am Mast zu sehen, merke ich völlig verwundert, es ist ein „Baby-Leuchtmast“. Plötzlich höre ich „Schiess! Schiess den Ball her!“ Was? Wer? Ball? Der Leuchtmast schaut mich an (denke ich zumindest) und wartet mitten auf dem Rasen, dass ich ihm den Ball zuspiele! Tja...Ich denke: Jedem seine eigenen Spielgenossen! Ob der beginnt zu leuchten, wenn er ein Tor macht? Und schon deckt sich der Himmel, als würde der Nebel nicht reichen, ist da ein Zaun zwischen mir und dem Himmel. Zwischen mir und meiner Unfähigkeit klar zu sehen, klar zu spüren. Ein Zaun...! Woher? Wer stellt einen Zaun in den Himmel? Oder ist es nur, damit sich das „Baby-Leuchtmast“ nicht verirren kann?
Oder ist es eben doch eine psychotische Episode? Ich halte Ausschau nach einer Flugzeug-Turbine, die irgendwo zu Boden schmettert... Nichts. Rein gar nichts. Nicht einmal DARKO ist heute zu hören, zu sehen, zu ahnen... Ich muss weg hier! Vielleicht bin ich ja krank... Vielleicht sogar ansteckend! Weg, weg. Zurück zu den Häusern. Inmitten der Menschen. Vielleicht darf ich einfach nicht so lange allein sein. Vielleicht verstärkt sich dadurch die Psychose!
Was ist mit dem Haus los? Hat es einen Buckel? Kann ein Haus in Seebach ein Buckel haben? Nein... es löst sich auf! Es zerbricht! Es sind 2 Häuser.
Wo sind die Menschen? Bin ich denn wirklich völlig allein, in diesem Nebel? Bin ich allein in einem Nebel den nur ich sehe? Aber wo sind dann die Menschen? Wo? Ein Durchgang. Ich gehe hier durch! Weg. Zurück auf die Strasse. Zurück ins Leben! Da... Nur für Fussgänger. Ich bin ein Fussgänger... Darf hier der „Baby-Leuchtmast“ auch durch? Ist das auch ein Fussgänger? Egal... Ist eh nur in deiner! Fantasie... Weg. Weg hier.
Weg hier! Was passiert jetzt? Ein Licht? Ah...Ist ja recht schön... Aber woher kommt es? Mann... Habe sicher vergessen, meine Medikamente zu nehmen! Sie hatten es mir ja gesagt: „Verdacht auf psychotische Episode“! Aber... Habe ich nicht einzig und allein Medikamente gegen Depression bekommen? Wer hilft mir dann, beim Kurieren dieses Wahns? Dieses Nebels? Das Licht ist schön, hier beim Durchgang. Ob es was Himmlisches an Sich hat? Ich laufe ins Licht! Ja! Ich lauf rein! Schlimmer wird's ja wohl nicht kommen, oder?
Und plötzlich höre ich
Junger Mann!Nun sitze ich hier, wie mir gesagt wurde! Ich denke daran, dass man mich vor psychotischen Episoden gewarnt hatte! Ich denke daran, dass meine Mutter sagte, da gäbe es keinen Nebel! Ich denke daran, dass sich entweder der Nebel verziehen wird oder meine psychotischen Schübe aufhören werden. Nun sitze ich hier. Sitze hier, und denke an eine Flugzeug-Turbine, die irgendwo da oben im Himmel noch ihre Runden zieht... Seit dem, sitze ich hier, auf der Ersatzbank vom Spielfeld in Seebach. Und warte, bis ich dran bin...
Was rennst du so verstört in der Nachbarschaft herum?
Was ist mit dir los?
Hör auf mich...
Geh, setzt dich hin und warte, bis deine Zeit gekommen ist!
Mit freundlichen Grüssen
LET IT SHINE DARKO