October 18, 2009

Auslegungen

oder
Unterschiede: Klein aber Oho!

Ich schäme mich nicht! Und werde mich niemals dafür schämen, mich verliebt zu haben. Ich werde mich nicht schämen für den Misserfolg des Aufenthalts in der Harten Klinik. Zumindest nicht solange man mir nicht sagt, wie die von mir gemachten Fehler aussehen... Denn: Ich bin durchaus in der Lage, mich zu schämen. Ich habe diese Fähigkeit. Und zwar immer wieder sogar im Überschuss.

Zum Beispiel, schäme ich mich gewaltig zur Zeit. Ich schäme mich, jedes Mal wenn ich an meine Mutter denke. Wenn ich daran denke, wie ich ihr damals erzählte von den Ausmassen meiner Drogen-Probleme. Als sie von mir genügend hörte um sich selbst ein Bild machen zu können, von dem was ich in den letzten 20 Jahren immer wieder durchmachte. Von der Tatsache, dass "Sucht-Krank" nicht ferne Vergangenheit war. Ich schäme mich, weil ich ihr diese für eine Mutter doch sehr belastenden Infos einzig gab, weil ich es als Gewissheit sah an einem Punkt in meinem Leben zu stehen an dem es eine reale Chance gab, als "Sieger" aus diesem Teil meines Lebenslaufs zu kommen. Ich gab ihr diesen derart schweren Koffer, in der Überzeugung - aus tiefstem Herzen - ihr das Gewicht unmittelbar wieder nehmen zu können, sie davon entlasten und sie schlussendlich nur noch an meiner riesen Freude teilhaben lassen zu dürfen. Ich wollte dieses Geschenk des Lebens mit ihr Teilen.

Ich schäme mich, weil es ganz anders kam...

Ich schäme mich, weil ich wieder zu dem geworden bin, den ich niemals einer Jungen Dame hätte zumuten können und wollen. Weil das was ich - in dieser so kurzen und doch so unglaublich intensiven Zeit in der sie mich begleitet hatte - abschütteln konnte, auch die Junge Dame auf ihre Weise und ihrem Lebenslauf entsprechend gerade abgeschüttelt hatte. Und einzig auf diese Geschenke unserer Leben vertrauend, konnte ich mir vorstellen wie das Vertiefen unserer Bekanntschaft uns durch den Türspalt gebracht hätte, der sich auf den Pfad geöffnet hatte, der zu einem Leben in Fülle hätte führen können. Ich schäme mich, heute noch (wie versteinert) einige Meter vor dieser Türe zu verharren, in allen Richtungen schauend und völlig durcheinander, hatten doch plötzlich Dutzende Türen begonnen sich zu öffnen und sich, knallend, wieder zu zu schlagen. Ich liess mich plötzlich von Zweifeln verunsichern, ob die Türe dort auch wirklich die gewesen war, die wir zusammen sich öffnen sahen... Oder hatte ich durch das entstandene Chaos jetzt eine andere Türe im Visier? Verwechselte ich nun eine der anderen Türen mit der einen, die ich passieren wollte?

Und doch war ich früher Pfadfinder und konnte mich eigentlich recht gut orientieren... Doch jetzt... Jetzt war ich überhaupt nicht mehr sicher, die Landschaft richtig lesen und interpretieren zu können.


Doch ich schäme mich zum Beispiel nicht, bestimmte Angebote nicht angenommen zu haben, die auch über einen Umweg zu dieser Türe hätten führen sollen. Ich schäme mich nicht, mich im letzten Augenblick gegen einen Aufenthalt in einer Rehabilitations-Institution entschieden zu haben. Denn, wie so oft im Leben, sind ganz kleine Details und Nuancierungen in der Lage, eine Sache völlig anders betrachten zu lassen. Wie so oft im Leben, konnte man damals mit einem ganz kleinen Detail in der Auslegung der Betrachtweisen, 2 Meinungen völlig anders darstellen.



Steht doch im Bericht vom Schönen Schloss 
Man habe mir zu verstehen gegeben, dass eine Begegnung mit der Jungen Dame während der Therapie-Zeit eher als unrealistisch zu betrachten sei.

habe ich damals aber diese Aussage gehört
Ich betrachte es als wahrhaft inopportun und nicht angemessen, während der Zeit bei uns Kontakt zur Jungen Dame zu haben. In Klartext: Solange Sie bei uns sind, würden wir diesen Kontakt nicht dulden können! Vorausgesetzt, dieser wäre überhaupt von Seiten der Jungen Dame erwünscht und gesucht, was ich nicht wissen kann
Kleiner Unterschied in der Auslegung. Riesen Unterschied im Verständnis. Das Eine tönt für mich nach Gespräch und Austausch, das Andere nach Verbot. Ich habe niemals geäussert, dass während meinem Aufenthalt dort bestimmt ein Wiedertreffen mit der Jungen Dame zustande gekommen wäre. Ich habe niemals gedacht, dass es mit Sicherheit dann dazu gekommen wäre. Und ich wollte mich wirklich - wenn Gott dies tun würde, könnte er mein Zeuge sein - auf die nötige Zeit in dieser Institution einlassen, ganz egal was mit der Jungen Dame noch gekommen wäre. Doch, als man mir jeglichen Kontakt im Vornhinein schon verbat, konnte ich die Rahmenbedingungen nicht mehr akzeptieren und mit meiner Auffassung einer Zusammenarbeit auf dem Weg zur Rehabilitation in Einklang bringen. Also habe ich mein Interesse an dieser Therapie gekündigt. Schweren Herzens, denn ich hatte wirklich ein gutes Gefühl gehabt und betrachtete diese Möglichkeit als Vielversprechend.

Eine weitere verschiedene Auslegung für die ich mich nicht schäme, betrifft die eine Sitzung in der Harten Klinik, bei der meine Noch-Ehefrau anwesend war. In diesem Falle bin ich zum Beispiel der festen Überzeugung, jemand anders sollte sich mehr als schämen, für die krasse Diskrepanz zwischen den verschiedenen Auslegungen. Man hatte meine Frau in die Klinik gebeten, nachdem die Schwägerin mich der Mord-Drohungen bezichtigt hatte. Ich hatte dieses Treffen gewünscht, um Klarheit zu schaffen und um jegliches Hindernis zu einer guten Zusammenarbeit mit den Therapeuten zu beseitigen.
In Klammern:
Immer noch wünschte ich mir zu diesem Zeitpunkt Erfolgreiches zu erleben, mit dem Therapeuten-Team. Trotz der Eskalation mit Doktor Y, vertraute ich in einer Klarstellung und Beseitigung der Missverständnisse, um weiterhin an meiner Re-Integration in die Arbeitswelt arbeiten zu können. Weiterhin glaubte ich, die für mich verantwortlichen Therapeuten würden sich nicht von der Lage mit der Jungen Dame davon abbringen lassen, mich auf meinem Wege weg von Frau und zurück zu Arbeit zu unterstützen.
Für mich lag der Schwerpunkt dieser Aussprache eindeutig bei der Aufklärung jegliches Missverständnis und der Beseitigung jedes noch so kleinen Zweifel was diese vermeintlichen Mord-Drohungen anging. Ich wollte einfach nur absolute Klarheit dies bezüglich. Nicht so das Therapeuten-Team...

Ich erzählte also was damals geschah, als ich nach einer Nacht im Hotel dann einige Tage bei der Familie verbrachte. Und meine Frau erzählte was sie beobachtet hatte und was anscheinend so dermassen erschreckend gewesen sei, an meinem Verhalten. Sie erzählte wie ich, ziemlich mit Drogen abgefüllt und immer wieder im Stehen "einnickend" in der Wohnung herumlaufte. Wie ich dreckiges, noch nicht gewaschenes Geschirr aus der Spülmaschine nahm und es in den Schrank versorgen wollte. Und, dass ich die Schultasche meines Sohnes genommen hätte und mich auf den Weg zur Schule machen wollte. Diese 2 Episoden sind es gewesen, die meine Frau in Angst und Schrecken versetzt haben müssen, weil "Schlimmeres" wusste sie nicht zu protokollieren. Ich fragte sie ob sie irgend eine Art von Aggressivität bei mir verspürt hätte, ich fragte ob es eine gewaltgeladene Atmosphäre gewesen sei: Sie verneinte dies. Sie sagte aber auch (zu Recht), dass der Sohn auch anwesend war und mich in diesem Zustand miterlebt hatte. Sie sagte, sie habe sich Sorgen um ihn gemacht. Ich daraufhin
Also ich möchte keinesfalls diese Episoden verharmlosen oder herunterspielen: Es sind eindeutig und zweifelsohne Horror-Tage gewesen! In diesem Zustand vor meinem Sohn zu erscheinen ist definitiv nicht in Ordnung und ich fühlte mich damals wie heute sehr schlecht deswegen. Dennoch möchte ich bemerken, dass mein Verhalten genauso gut der eines Betrunkenen gewesen sein könnte, ein Betrunkener der dringend ins Bett sollte um sich richtig auszuschlafen. Ein Betrunkener der nicht mehr den Überblick hat, dennoch völlig harmlos für sein Umfeld ist.
Mein Sohn hat, und dafür lege ich die Hand ins Feuer, keine halbe Sekunde Angst vor mir gehabt! Ich hatte die Bestätigung, dass es für ihn keine Angst-Episode gewesen ist, am nächsten Morgen, als ich ihn nach dem Schlafen sah. Und diese Bestätigung ist für mich eine riesen grosse Erleichterung gewesen: Als ich aus dem Zimmer gelaufen kam und mich mein Sohn, am Tisch sitzend sah, lächelte er mich an, in den Augen eine Mischung von Spass und vielleicht Mitleid, Scham.
Wie gesagt, ich hätte können betrunken sein, und betrunkene Familienmitglieder hat er schon zu Haufen in Brasilien miterlebt - und dann aber auch recht betrunkene Onkels, zum Beispiel.
Weshalb erzähle ich dies alles? Weil ich das, was ich in den Unterlagen las, fast nicht glauben konnte, nachdem ich mich so ausgedrückt hatte und meine Frau nichts zu erwidern hatte... Dort las ich nämlich
LET IT SHINE verharmlost und minimiert seinen Zustand von Intoxikation durch Drogen.
Eine Frage der Auslegung eben... Oder doch nicht? Ist das nicht schon Verdrehen von Tatsachen?


Und dann kommt noch der Hammer der Geschichte.
Hatte mir Therapeutin Lady Marmelade nicht zu dem bevorstehenden Konflikt gesagt, ich solle die Junge Dame da raus halten? Hatten sich die Therapeuten nicht alle kategorisch dem Konflikt entzogen und verweigerten mir jegliche Aussprache?
Das Treffen mit der Frau wurde von einer mir bis dorthin unbekannten Ärztin geleitet! Und diese erkundigte sich dann bei meiner Frau, ob sie einen Psychologen habe an dem sie sich wenden könne: Es sei eben wichtig, dass dieser Konflikt nicht einzig und allein zwischen meiner Frau und mir ausgetragen werde!!!
Als klar wurde, dass die Ärztin nicht so sehr an das Aufklären der vermeintlichen Mord-Drohungen interessiert war, sondern irgendwie an die Dynamik der Beziehung und des Konfliktes zwischen uns, war das Treffen auch schon wieder beendet...


Und Frau Doktor Lady Marmelade hat es geschafft, in dem Bericht der mir zugestellt wurde, noch einen oben drauf zu legen (man glaubt es kaum...). Sie schreibt, ich weiss nicht mehr was oder wie ich irgendwie in Krisen-Situationen auf drastische Weise reagieren würde. Und anschliessend
LET IT SHINE hat dennoch bewiesen, eine schwere Krise ohne Drogen meistern zu können.
Ich kann hierzu nur folgendes Sagen (meiner Art auf Krisen zu reagieren entsprechend): Verdammte SCHEISSE nochmal, was soll dieser Mist jetzt heissen? Habe ich jemals sowas beweisen wollen? Habe ich jemals sowas überhaupt geäussert? Ich habe 1'000 Mal gesagt, welchen Respekt ich davor hätte, wieder in den Alltag zu wechseln.
Der Ober-Hammer-Extra-Pfui ist noch dazu, dass ich sehr wohl Drogen konsumiert hatte, während den paar Tagen ausserhalb der Klinik! Danach ja, als ich wieder eintrat, geling es mir trotz schwierigster Umstände (unmittelbar vor dem Iso-Aufenthalt) dennoch an die Arbeit zu gehen und sauber zu bleiben.

Aber nochmals... VERDAMMTE SCHEISSE, ICH GLAUBE DIESEN SCHROTT EINFACH NICHT! Ich gehe dorthin um Clean zu werden und um eine geschützte Umgebung zu haben, wo mich der Familien-Clan meiner Frau und einige Leute aus dem Drogen-Milieu nicht angreifen können (denn dies ist was regelmässig geschah, bevor ich mich für die Klinik entschloss... ich werde noch darauf kommen, auf dieses Thema: Wovor man mich hätte bewahren sollen und müssen!), und was machen diese verrückten Wahn-Ärzte! Sie sehen zu, dass ich in eine Situation und Lage komme die ich keinesfalls Aushalten kann und wo ein Absturz, eine Konsum-Episode völlig unausweichlich wird (als hätte man mich dazu zwingen wollen...) und dann, wenn der SCHEISSHAUFEN plötzlich derart gross ist, dass niemand mehr sehen kann was dahinter ist, dann schreiben sie in den Unterlagen, nachdem sie mich rausschmeissen

ICH HABE BEWIESEN, EINE KRISE OHNE DROGEN MEISTERN ZU KÖNNEN

Und wie wurden meine Aussagen ausgelegt? In den ersten Woche durfte ich eine der wichtigsten und grundlegendsten Erfahrungen meines Lebens machen. Ich erzählte, vor Freude fast platzend, dass eine grundlegende Änderung der Einstellung geschehen war. Dass eine der schwierigsten Blockaden, tiefsitzende Hemmung und Angst, die mir praktisch mein Leben lang im Wege gestanden waren, sich mir offenbart hatte und somit mir die Möglichkeit gab, sie zu überwinden. usw. usw.

Vollkommen möglich, dass ich in meiner Euphorie etwas dick aufgelegt hatte, dass ich mich zu Äusserungen der Superlative habe hinreissen lassen. Nichts desto trotz, war in der Tat etwas sehr wichtiges Geschehen, eine tief im Herz sitzende Türe hatte sich, nach Unzeiten, einen Spalt geöffnet. Und ich wollte mehr als alles in der Welt durch diese Türe, ich wollte mich und die Welt hinter dieser Türe entdecken. Dies bezüglich empfand ich nicht die geringste Angst oder mich bremsende Zweifel.

Es hatte sich, völlig unverhofft und unerwartet, die Möglichkeit ergeben, nicht nur mich aus meiner derzeitigen Misere und Leere zu retten, nein, es war viel mehr, etwas viel grösseres. Ich hätte nicht nur diese Lage überleben können, um dann so gut wie möglich zurück ins Leben zu kehren und dieses weiterhin von Tag zu Tag zu überleben. Nein...
Ich hätte können zurück ins Leben mit der Aussicht, dieses in Fülle erleben zu dürfen, es zu lieben und mich darin zu lieben.
Wie wurde dies alles ausgelegt? Flog ich viel zu hoch, gerade, für den Geschmack der Therapeuten? War das in der Harten Klinik pure Anarchie, oder sowas ähnliches? War diese eine, wenn in der richtigen Art und Weise "dargelegt", die Ärzte Massnahmen zu ergreifen berechtigende Haltung?

Früher oder später werde ich es wohl erfahren...


Inzwischen, habe ich so derart wenig von diesem kleinen Wunder mit ins Leben nehmen können, nach all dem Chaos und das erlittene Trauma. Grösstenteils ist der alte LET IT SHINE schlussendlich aus der Harten Klinik ausgetreten. Mit all seinen Fehlern, seine Schwächen, seine Lasten. Und mit einem riesen Wespennest im Kopf und einer paralysierenden Angst in den Knochen...

Einzig etwas war dennoch anders. Es gab doch was, dass sich geändert hatte und dass nie mehr hätte können rückgängig gemacht werden. Und dieser Unterschied ist es zum Beispiel gewesen, der mir die Kraft gab um mich (für das was ich als mein gutes Recht und als Bestandteil dessen, was mich als Mensch ausmacht) einzusetzen. Diese in der Klinik sich umgestellte Weiche in meinem Herzen hat sich wehren und retten können.

Da ich "ins kalte Wasser" geworfen wurde und weil dies so blitzartig geschehen war, hatte ich vom Umgang mit dieser neuen Situation keine Ahnung und noch keine Erfahrung. Also kamen alte Muster mit neuen Gefühle durcheinander, was mich auch definitiv überfordert hatte. Doch langsam langsam langsam werde ich lernen, immer mehr von diesem riesen Potential der sich mich da eröffnet hat Gebrauch zu machen. Langsam langsam werde ich auch die Finessen von Fähigkeiten beherrschen, die ich viel zu früh in meinem Leben auf der Strecke lies...


Und ich werde mich immer weniger schämen müssen.
Wie zum Beispiel jetzt, wenn sich meine Mutter wegen einer Konsum-Episode empört und ich völlig deplatziert reagiere, mit Intoleranz und Aggression. Auch dies wird immer weniger sein müssen...

Egal, wie man es dann zu auslegen versuchen wird!