October 06, 2009

verschiedene Massstäbe (?)

Woran kann es liegen? Wo fing es an? Was war der Zweck, damals? Und was ist der Zweck heute, das Ziel?

Vor einer Weile, sagte ein Bekannter zu mir "Finde ich gut, für das zu kämpfen, an das man glaubt... Aber, sei vorsichtig... mach dich nicht lächerlich!" Es war vor nicht allzu langer Zeit, ein paar Monate. "Danke für den wertvollen Ratschlag" dachte ich. Und fragte mich auch, ob er überhaupt noch zu folgen sei? Eher nicht... Diese Weiche war schon vor etlicher Zeit gesetzt worden. Ich folgte meinem Herz und, ob es für andere lächerlich schien oder nicht, passierte lange bevor ich in die Iso-Zelle kam, lange bevor ich merkte in was für einen Schlamassel ich geraten war.

Und, ob ich dich lächerlich finde oder nicht, hängt so dermassen davon ab, was ich über dich gehört habe und wie es mir rübergebracht wurde.


Also... "Mach dich nicht lächerlich" war nicht zu ändern: Entweder will man mich für Lächerlich halten, oder man geht auf eine andere Weise mit sowas um, man begegnet Anderen mit Respekt...

Und was hätte mich zur Lächerlichkeit gebracht?
Meine Liebe?
Meine Unbeholfenheit?
Meine Ehrlichkeit und Dummheit, offen über mein Verständnis der Ereignisse zu sprechen, mit den Therapeuten?
Meine Naivität zu denken, wenn ich denen sage wie ich was zu verstehen versucht habe, diese mich unterstützen würden, den korrekten Betrachtungswinkel der Dinge zu finden?
Oder eher, wie mir die Therapeutin nahe legte, all das, was ich mir zu Schulde haben kommen lassen, und es nicht wahrhaben möchte?
Oder erst, mit der Zeit, die fehlende Einsicht überhaupt mich in Frage zu stellen?

Paranoider Absatz, ja...

Doch, wenn keine Lächerlichkeit, gelange ich wieder beim Beginn dieses Eintrages.
Ich meine, an was liegt es dann? Wie kann es sein, dass ich vermeintlich vor die Hunde gehe, zum 2. Mal, und es nicht möglich ist mich zu unterstützen, als Mitglied dieser unseren Gesellschaft? Ich habe gearbeitet, 2 Jahrzehnte lang, habe meine Steuern bezahlt, habe versucht meinen Anteil zu leisten an der bestmöglichen Integrierung eines Kindes aus einer fremden Kultur (leider waren meine eigene Ressourcen nicht mehr die Besten und die Umstände haben uns eine harte Zeit beschert). Ich habe irgendwie... funktioniert.

Irgendwann ist es zu viel geworden, viel zu viel, und ich war völlig überlastet, bis ich zusammenbrach und nicht mehr in der Lage war, meinen Beitrag an diese Gesellschaft zu leisten. Ab dann, habe ich heute das Gefühl, ist es eine Sache von derart vielen Faktoren, dass man es auch als "Glück" zusammenfassen könnte... Denke ich zumindest, irgendwie, vielleicht...
Denn, es bleibt für mich ein Rätsel, wie gewisse Menschen in einer solchen Lage die bestmögliche Unterstützung bekommen, andere durch eine ganze Reihe von Umständen, durch sämtliche Maschen durchfallen und nicht mehr aufgefangen werden können.

Manche, die werden dort ein wenig getragen wo sie gerade kurz nicht mehr alleine können, dort gefördert und angespornt wo sie Potenzial und Reserven mitbringen. Manch andere hingegen, bekommen das Mindest-Angebot was Lokal verfügbar ist (wenn sie explizit danach fragen) und erhalten somit eine Chance, sich wieder zu funktionierenden Gesellschaftsmitgliedern zu machen. Das war's! Gelingt es ihnen? Super. Gelingt es ihnen nicht? Das war's!

Wie kann dies sein? Ich meine... Wir haben keine Rassen-Probleme, in der Schweiz, keine Verweigerung des Zugriffs zum Angebot des Gesundheitswesen wenn man nicht vermögend ist, keine Unterschiede auf Grund von Glaube... Wir haben in der Schweiz grundsätzlich keine institutionalisierte Diskriminierung.

Und das ist gut so!

Aber eben... In meinem Fall, woran liegt es, verflixt nochmal? So sehr habe ich mich lächerlich gemacht, dass an der Einstellung mir gegenüber nichts mehr zu ändern ist? Nicht einmal wenn ich vor die Hunde gehen sollte?

Also, was in der Klinik und danach geschehen ist, habe ich ja versucht zu erzählen und zu verarbeiten. Irgendwann landete ich beim Sozialamt, als ich mich von meinem Hausarzt nicht mehr krankschrieben liess (und somit keine Lohnausfall-Entschädigung mehr bekam, von der beruflichen Versicherung) weil wir abgemacht hatten, dass ich mich bei der Arbeitslosen-Versicherung anmelden und mich auf der Suche nach einem Job machen würde. Denn, wir beide hatten das Gefühl ich könnte und sollte zu diesem Zeitpunkt wieder versuchen in den Arbeitsprozess zu kommen um den Zug nicht definitiv zu verpassen.

Doch, durch die mich wurmenden Gedanken fand ich nicht einmal die Kraft um mich bei der Versicherung vorzustellen. Innerlich vollkommen paralysiert, sabotierte ich mich auf eine Art, die ich bis dann noch nicht kannte. Ich schaffte es nicht einmal mir eine Entschuldigung bereit zu stellen, zur Beruhigung meines Gewissens. Und, trotz schlechtem Gewissen, wurde ich nicht einmal Wütend auf mich selbst. Wie auch immer, war bei der einen Versicherung draussen und bei der anderen nicht drinnen. Und eben... beim Sozialamt. Mit Frau und Kind.

Es ist damals schon genügend schlimm gewesen, für alle, wenn auch im Glauben, es wäre eine Übergangslösung, schlussendlich. Dazu wurde sie dann auch tatsächlich und ich konnte, Gott sei Dank, wieder von der Lohnausfall-Entschädigung profitieren. Mit dieser Versicherung habe ich eh einen riesen Rettungsboot mit auf die Reise bekommen, von meinem Arbeitgeber. Und dies völlig unverhofft, meinerseits. Riesen Glück hatte ich mit der Wahl meines Arbeitgebers, der mich immer Unterstützt hat wo möglich. Und der eben sehr gute Sozialleistungen als Teil der Arbeitsvereinbarung hatte, Leistungen die ich nie gross bemerkt hatte, bis zum Tage an dem ich sie leider brauchen sollte. Jedenfalls war der unplanmässige Umweg über's Sozialamt keine positive Erfahrung gewesen.

Und nun befinde ich mich wieder in einer Lage, in der ein Abstecher beim Amt und, schlimmstenfalls sogar die Endstation vorzufinden, wieder im Rahmen der realistischen Optionen steht. Wie kann dies passieren, dass man 20 Jahre arbeitet, einen Aussetzer hat, selber das tut was einem möglich ist um daraus zu kommen, aus dieser immer enger werdenden Sackgasse, und dennoch innerhalb von 13 oder 14 Monate 2 Mal beim Sozialamt landen? Wie kann dies in unserer Gesellschaft überhaupt vorkommen, dass ein 40jähriger Mann auf diese Weise "abgeschrieben" wird, dass man ihn zur Entsorgung freigibt?

Lächerlich?
Was jetzt?
Ich oder die Geschichte?
Wie es diesmal dazu kam?
Wohnungssuche, während das Familienleben inzwischen zur Qual geworden ist, wo das ganze Leben gerade zum Kampf ohne gewisse Aussicht auf Erfolg geworden ist. Wohnungssuche, Scheidungstermin vor Gericht, Brandstiftung im Keller der neuen Wohnung, eine Wohnung die wirklich nicht zum "Daheim" wird weil alle völlig verrussten Gegenstände aus dem Keller verstreut in der Wohnung stehen für über 2 Monate (bis alle Schäden im Keller beseitigt wurden), ein weiterhin sehr spärliches und instabiles Sozialnetz, weiterhin nicht nachvollziehbare Ausschliessung aus dem Sozialnetz mit den wichtig gewordenen und lieb gewonnenen Menschen, ein sich sehr langsam einstellendes Gefühl von Selbständigkeit und Selbstvertrauen.

Doch dies alles hat nicht direkt etwas mit dem Sozial-Amt zu tun. Tatsache ist, dass ich nach 2 Jahren der Unterstützung durch Lohn-Ausfall, quasi von einem Tag auf den Anderen erfahre, keinen Anspruch mehr zu haben: Die versicherte Zeitspanne ist inzwischen ausgeschöpft!
Da es im versicherten Zeitraum Unterbrüche gab, habe ich nicht mehr den Überblick betreffend Zeithorizonte. Und nach 2 Jahren in denen man als zu 100% Arbeits-Unfähig galt, ist schon ein rechter Shock zu erfahren, dass man rein gar kein Einkommen mehr haben wird.

Mal angenommen, ich wäre gerade für 14 Tage bei meiner Mutter zu Besuch in Lugano gewesen, wäre der Brief der Versicherung bei mir im Briefkasten gelegen bis NACH dem Datum des letzten versicherten Tages. Ausserdem, ist für mich immer klar gewesen, dass ich in den Arbeitsprozess zurückkomme, so bald wie möglich. Das "...wie möglich" verschiebte sich halt andauernd, während den letzten 18 Monaten. Es kam nie in greifbare Nähe, als sei es verflucht! Dennoch ist es immer dort gewesen, am Horizont!

Also, habe ich mein Lebens-Standard auf dem gehabten Niveau behalten und nichts am Budget oder dem Umfang der fixen monatlichen Kosten geändert. Heisst: Ich habe einem arbeitenden Mann, in Zürich schaffend, entsprechende fixe Kosten.

Was sind nun die für mich offen bleibenden Optionen?
  1.  Auf die solidarische Unterstützung durch das Sozial-Amt zurück zu greifen.

    Diese Hilfe ist für Menschen gedacht, bei denen die Aussicht auf Integration im Arbeits-Markt als sehr gering betrachtet werden, bis hin zu nicht vorhanden. Man erhält das vom Gesetz definierte "für den Lebensunterhalt" notwendige. Die Chance, dass sich jemand aus dieser Lage - durch die gegebenen Rahmenbedingungen und den daraus entstehenden - sind schwinden klein. Somit ist dies oft eine Lösung die keine grosse Entwicklungen mehr zulässt, besonders mit dem Fortschreiten des Alters.
     
  2. Auf die solidarische Unterstützung durch das Arbeitslosen-Amt zurück zu greifen.

    Diese ist gedacht, für wen einen Job hatte oder gerade (wieder) frisch auf den Arbeitsmarkt kommt. Menschen, grundsätzlich, die "vermittelbar" sind. Es ist per Definition eine in der Zeit klar definierte und beschränkte Unterstützung. Die Rahmenbedingungen um die Chance sich weiter zu entwickeln werden  verlangt. Grundlage um diese Unterstützung wahr zu nehmen ist also, arbeitsfähig zu sein.
      
Zurück also zu meinen Optionen und was in meinem Fall geschehen würde.

Bei Nummer 1 werde ich auf jeden Fall mit einer ganzen Reihe von neuen und unerwarteten Problemen konfrontiert. Da sind zum Beispiel
  • erneuter Wohnungswechsel bei erst möglichem Kündigungstermin (in meinem Fall jetzt 4 - VIER - Mal im Jahr, weil diese Wohnung zu teuer ist und von der Sozialhilfe nicht getragen 
  • Anhäufen von Rechnungen, die zu meinen Fix-Kosten gehören doch nicht von der Sozialhilfe getragen werden, wie zum Beispiel Zusatzversicherungen bei der Krankenkasse, Rechnungen für die Multimedia-Dienstleistungen (Internet, Mobile, usw.)
  • Rechnungen für angeschaffte Möbel zur Einrichtung der neuen Wohnung, wo natürlich die meisten Möbel in der früheren Wohnung bei Frau und Kind geblieben sind

Dies alles würde unweigerlich zu Beitreibungen und Verschuldung führen. Beitreibungen die ausserdem das Mieten einer neuen Wohnung praktisch unmöglich machen - neue und billigere Wohnung die aber vom Sozial-Amt ohne wenn und aber verlangt wird!

Und so weiter und so fort... Es sind keine schöne Aussichten, wenn man will ehrlich sein. Egal ob lächerlich oder nicht.
Bei Nummer 2 ist, wie gesagt, Voraussetzung arbeitsfähig und vermittelbar zu sein. Irgendwie schwierig nachvollziehen zu können, dass ein Mensch 2 Jahre lang zu 100% NICHT arbeitsfähig gewesen ist und dann, von einem Tag auf den Anderen, doch.


Und wieder einmal habe ich fast den Boden unter den Füssen verloren!!!
Wieder einmal habe ich eine Faust mitten ins Gesicht bekommen: So habe ich mich gefühlt nach dem ich den Brief der Versicherung erhalten hatte.

Denn eines ist Tatsache: Gerade letztens habe ich zum ersten Mal gedacht, der Tag an dem ich beginne etwas zu unternehmen, in Richtung Arbeitswelt, wird in den nächsten paar Wochen gekommen sein!!!
Und dennoch, als ich den Brief vor Augen hatte, war wieder alles weg! Jegliche Motivation, jeglicher Tatendrang, jegliche Selbstsicherheit. Innert Stunden war ich wieder paralysiert, wie ich es nach der Klinik war. Innert Stunden hatten sich jeglicher Fortschritt der letzten Monate und all die gemachte Arbeit, in Luft aufgelöst.

Schon war es wieder da: Das Gefühl zur Arbeitslosen-Kasse zu gehen und überfordert zu sein. Und daher, der paradoxe Drang es lieber sein lassen als dabei zu scheitern. Denn, im Gegenteil zu früher, kann ich mich nicht mehr darauf verlassen, es auf jeden Fall irgendwie zu schaffen. Ich habe nicht mehr die innere Gewissheit, an und mit der Aufgabe zu wachsen. Und, im Gegensatz zu früher, ist Scheitern im Moment für mich nicht einfach Teil des Weges den man geht, so wie Erfolg und Glück.

Scheitern ist für mich, seit der Harten Klinik, nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Es ist das Versteinern und das Schreien aus der steinernen Hülle raus, Schreien das niemand hören kann.


Ein Telefongespräch mit meiner Mutter hat Hilfe gebracht und die Blockade einigermassen Lösen können. Nun steht für mich fest, dass ich mich bei der Arbeitslosen-Versicherung melden werde. Ich werde dies tun, trotz des Fehlens der inneren Überzeugung,  trotz des Fehlens der inneren Stimme, die mir sagt "Natürlich machst du das und natürlich kommt es gut, irgendwie". Doch, was sind die Alternativen? Und...  Ja, ich beanspruche zu 100% vermittelbar zu sein. Ob es dann wirklich der Fall ist, wird sich zeigen. Diese Frage mit Sicherheit zu beantworten kann ich nicht auch noch auf meine Kappe nehmen!

Und sowieso, im April hat mein Hausarzt bei der IV Wiedereingliederungsmassnahmen für mich beantragt. Der Vorbescheid der Ablehnung vom Gesuch ist auch letzte Woche in meinem Briefkasten gelandet, ohne jegliche Kommunikation oder Meldung oder Lebenszeichen von Seiten der IV zwischen April und Oktober.
Ich habe auf keinen Fall an Ansprüche auf eine IV-Rente gedacht, bestimmt solange ich überhaupt keine Chance für eine Rückkehr in die Arbeitswelt sehen würde, bestimmt solange nicht auch die kleinste Hoffnung in mir gestorben wäre.

Doch ich weiss nicht, ob sich Rente und Wiedereingliederungs-Massnahmen trennen lassen, zum Zeitpunkt eines Gesuchs. Was eigentlich nicht mein Problem ist. Mein Problem ist, dass ich nach der Harten Klinik wirklich wirklich Unterstützung brauchen würde. Sei dies nun lächerlich oder nicht...

Nun, so sieht es bei mir aus, im Moment.
Ich hoffe, dieser jetzige Boden unter den Füssen bleibt auch ein wenig dort!
Ich hoffe, die nächste Hiobs-Botschaft ist nicht schon morgen Mittag in meinem Briefkasten.

Ich werde nun also Arbeitslos, nach 2 Jahren Krankheit.
Und ich werde das Thema IV hier wieder aufnehmen, denn in meinen Augen ist dies eine der Maschen, durch die ich hätte aufgefangen werden können, schon letztes Jahr vielleicht, aber mit Sicherheit dieses Jahr.

Eine dieser Maschen durch die ich nicht zu fallen hoffe, obwohl ich hier sitze und mich dauernd frage: Woran kann es legen? Wieso bei gewissen Menschen so und bei anderen so? Und wieso bei mir derart undurchsichtig, scheinheilig, mehrdeutig?

Und irgendwie taucht immer wieder der Gedanke auf - blitzschnell zum dann wieder verschwinden in der Schublade "LÄCHERLICH", es könnte etwas mit der Tatsache zu tun habe, dass ich auch Drogen konsumierte.