January 17, 2012

Migräne und Deutung

 
In meiner Jugend gefielen mir ganz besonders 2 Maler
  • Salvador Dalì
  • Victor Vasarely

In der Harten Klinik würde man diese List als Indiz interpretieren, für eine mehr als offensichtliche
  1. bi-polare Persönlichkeits-Störung
  2. wenn nicht sogar
  3. gespaltene Persönlichkeit

Der "missing Link" zwischen den Beiden stammt aber ausgerechnet aus der Schweiz, in der Person des
  • M.C. Escher

Dank diesem Schweizer Mitgenosse kann ich mich beruhigt der Kunst des Viktor Vasarely hingeben — in der ich in früheren Jahren schon das eine oder andere Mal eingetaucht bin um nach einer fantastischen Reise wieder an die Oberfläche zu kommen — ohne Angst haben zu müssen, deswegen als Abstraktions-Junkie oder sonst einer neuen Krankheit aus dem Katalog der Leistungen meiner Krankenkasse genommen zu werden.


Bild von Viktor Vasarely


An dieser Stelle möchte ich eine Anekdote erzählen. Dank einer grossen Ausstellung von Picasso im Kunsthaus Zürich im Jahre 1932 und dank der Tatsache, dass C.G.Jung ein Schweizer war, kennen wir dessen Reaktion auf eine völlig neue Ästhetik: Jung vermisste jegliche Schönheit in Picassos Bilder.
Eine Schönheit, der er sich offensichtlich verpflichtet fühlte, sei es als vermeintlich "letzter Anker" von Zivilisation.

Auf der anderen Seite gibt es eine ganz andere Theorie: Pablo Picasso soll nämlich an extrem starker Migräne gelitten haben, derart stark dass die Sicht hin und wieder davon beeinträchtigt wurde. Es wäre also durchaus möglich, dass Picasso eine ganz neue Art der Wahrnehmung auf die Leinwand bringen konnte, weil er durch seine Migräne-Anfälle immer wieder starke Licht-Schatten Spiele gesehen hat, vielleicht verstärkte Konturen oder verzerrte Perspektiven. Wer weiss das schon genau? Migräne kann aber in der Tat, in den schlimmsten Fällen, bis hin zu Halluzinationen verursachen. Und in vielen Fällen kann die Erinnerung an Bildern, die man während einer Attacke gesehen hat, stark von der "Realität" abweichen.

Faszinierend an dieser Theorie ist die Tatsache, dass jeglicher Versuch ein Bild mit der herkömmlichen Analyse zu beurteilen, im Vorhinein Scheitern verurteilt wäre. Ein solches Bild lässt keinen psycho-analytischen Rückschluss zu und muss für das genommen werden, was es ist: Ein Bild.

Während C.G.Jungs Bilder erst durch Deutungen, Träume, Symbole und Archetypen entstehen konnten und "Das Rote Buch", dass (meiner ganz persönlichen Meinung nach) erst durch den Konsum psycho-aktiver Substanzen zustande kommen konnte, kann man sich in etwa vorstellen wie fremd und befremdend ihm die Bilder eines Pablo Picasso vorkommen musste, welche im Vergleich die Brutalität des Unmittelbaren darzustellen scheinen.

Bild von C.G.Jung


Und, obwohl ich meistens mit Jung einig gehe und vergeblich nach "Schönheit" in Picassos Bilder suche (zumindest in der zürcher Ausstellung), muss ich letzteren zugestehen, dass vielleicht gerade dies seine grosse Kunst darstellt, zu einer Zeit in der "Hässlichkeit" noch mehr als verpönt, ja quasi verboten war. Dazu kommt noch, dass Picassos Hässlichkeit rein gar nichts mit einer schwierigen Kindheit oder einer verstörten Beziehung zu Mutter oder Vater zu tun haben muss. Was es noch faszinierender macht, weil unergründlich.

Die grosse Lehre aus der Theorie der Migräne Picassos und den Briefen Jungs: Genau aus diesem Grund sollte jeder Psycho-Analytiker immer genau darauf achten, möglichst keine Deutung in nicht zu Deutendem zu setzen. Ganz besonders im Rahmen der Kunst sollte man mit Deutungen zurückhaltend sein, denn die Quelle der Inspiration kann dem Betrachter auf immer völlig verborgen bleiben.

Bild von Viktor Vasarely