November 07, 2011

a touch of...

 

A Touch of Pain
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Zürich Platzspitz, in den 90er, dieser berühmt-berüchtigte Platz, wenige 100 Metern von der Bahnhofstrasse entfernt, der irgendwie schon mit einer Höllen-Pforte verglichen werden kann. Erstaunlich dabei ist, dass dieser Zustand von rechtsfreien Raum, wo Gewalt und Elend herrschen, von der Politik noch einen Umzug verordnet bekommt, hin zum Letten, wo das Ganze noch ein viel grösseres Ausmass nehmen wird. Bevor dies geschieht bin ich regelmässig nach der Arbeit am Platzspitz anzutreffen. Ich besorge mir dort die tägliche Dosis Heroin und gehe dann so schnell wie möglich wieder weg. Es sind Hunderte von Menschen anwesend, bei Tag und bei Nacht. Die Dealers sind oft Ausländer, meistens Top-Fit und mit einer sehr tiefen Gewaltschwelle. Bei den Konsumenten ist ziemlich alles anzutreffen, vom komplett verwahrlosten Pärchen bis hin zum Yuppie in Anzug und Krawatte. Ich treffe dort Bekannte aus dem Tessin, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Oder die Angestellten des Kurier-Dienst, den wir fürs Geschäft benutzen. Ich laufe also eines Abends in den Platzspitz, vom Eingang westlich des Landesmuseums kommend gehe ich in Richtung Rondelle, auf dem Weg dorthin fragen mich verschiedene schwarze Gestalten in der kompletten Dunkelheit ob ich etwas kaufen möchte. Wie immer schenke ich denen kein Interesse und bewege mich richtung Licht, wo ich ein bekanntes Gesicht zu sehen hoffe. Ich habe es inzwischen Satt, von Dutzenden von Menschen angesprochen zu werden, als würden sie warme Brötchen verkaufen werben sie für ihre Wahre, und antworte vielleicht etwas schroff. Plötzlich fühle ich eine Hand auf meiner Schulter, die mich von hinten packt. Bevor ich mich überhaupt umdrehen konnte werde ich mit voller Wucht von einer Faust getroffen, mitten ins Gesicht. Der Typ hat mir einen Fadengraden auf die Nase getrommelt, als diese schön das grossflächige Profil als Zielscheibe bot. Ich merke gar nicht wie es passiert, doch offensichtlich versagen meine Beine, denn ich befinde mich schon zu Boden als ich merke, wie mir ein unglaublicher Schmerz ins Gehirn schiesst. Ich habe mit Gewissheit geschrien, nach dem ich auf diese Weise berührt wurde. Diese Berührung brach mich zum schreien, ja... Den Typen könnte ich nicht einmal erkennen, wenn er mir morgen die Hand schütteln würde. Irgendwie kam ich nach Hause. Ich weiss nicht mehr, ob ich an diesem Abend noch einen Knall organisieren konnte oder nicht. Wahrscheinlich schon. Als der Schmerz nicht wirklich bessert gehe ich nach einigen Tagen ins Spital, wo der Oberarzt behaupten wird, schon seit einer ganzen Weile nicht mehr eine derart zertrümmerte Nase gesehen zu haben.

Dies also der Platzspitz, wo ein bekannter von mir einen Pferdesattel den er kurz zuvor geklaut hatte verkaufen konnte, genau wie man jegliche Droge oder Konsumgut kaufen konnte. Dieser Platzspitz der, nach dem Umzug ins Letten, wie eine Sondermüll-Deponie saniert werden musste, wo man mehrere Dutzend Zentimeter Erde abtragen musste, weil verseucht. Dies der Platzspitz, der nach dem Wille der Stadt ins Letten umquartiert wurde, mit samt seiner toxischen Menschen-Ladung. In ein Letten, das unter den Augen der Politiker noch viel gewalttätiger, noch viel elender, noch viel verzweifelter als der Platzspitz werden sollte.

Nun frage ich: Wenn mir am Platzspitz die Nase zertrümmert wurde, ohne Grund, wenn schon dort die Sanität alle Hände voll zu tun hatte und im Stunden-Takt anrücken musste um jemanden zu reanimieren, haben die Politiker, die der Entwicklung im Letten während Jahren zugesehen haben, die zugelassen haben, dass dort ein Inferno seine Opfer wie Motten im Licht in die Falle lockte, haben diese Politiker gewusst von den Overdose-Opfern, den Gewalt-Toten, den Leichen in den Bäumen, die man erst einige Tage nach dem Tod entdeckte, all den Verletzten und den von Ratten angefressenen Wunden? Was war überhaupt in den 90er los? Waren denn alle in einem Rausch? Waren alle entweder auf Sugar, auf Cokes, auf MDMA oder Speed? Waren sie alle auf Prozac, die nicht auf Cokes waren? Und die Zürcher Stadt-Regierung? Wie konnte man all dies zulassen, in der reichsten Stadt der Welt? Wer hat Mit-Verantwortung, an den 16jährigen Mädchen, die dort lebten und sich prostituierten? Ich war zu dieser Zeit zu sehr mit forensischen Untersuchungen an der eigenen Person und Parties beschäftigt um mitzubekommen, was die Politik trieb. Aber heute würde es mich schon wundern, wie sehr diese Leute von den damaligen Verhältnissen berührt wurden, während sich die Welt auf das grosse Bankett des Edonismus vorbereitete. Schreit es nicht zum Himmel, dass sich hier offensichtlich niemand die Hände schmutzig machen wollte? Schreit es nicht zum Himmel, dass hier die Politik keine Berührung wagte? Berührt wurden andere. Und wie.



A Touch of Magic
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Es gibt aber auch ganz andere Arten von Berührung, die einem vielleicht dazu bringen, komische Laute von sich zu geben, wenn man in der klaren Nacht knapp neben dem Weg auf der Wiese hüpft, in Begleitung einer nahen Seele. Es gibt Berührungen, die all die Magie des Moments in sich tragen, die so viel mehr als das sich Berührende in dieser einer kurzen Berührung offenbaren können: Die Berührung als Ausdruck von Liebe. Aber auch die zufällige Berührung kann voller Magie sein, in dem sie erst nach dem alles schon vorbei ist die eigene Kraft offenbart. Bewusste oder zufällige Berührungen als Botschaften von Gefühlen. Es gibt dann auch die tägliche Berührung: Zum Beispiel die der kleinen Ratte, die pünktlich zurück in die zwei Hände rennen wird die sie gerade, von einem liebevollen Lächeln begleitet, einen Meter entfernt auf der Couch platziert haben. Die Ratte wird die Strecke zurück in die vertrauten Händen immer und immer wieder rennen, bis sie sie berühren wird, immer mit der selben Überzeugung. Denn diese Hände haben noch nie verraten. Es gibt meine Gewissheit, wenn die Junge Dame mehrmals betont hat ihre kleine Ratten niemals zu Schlangen-Futter werden lassen, nie und nimmer durch ihre Hand zu Schlangen-Futter zu werden. Die innere Sicherheit, niemals durch die Junge Dame mit dem Innern eines Schlangen-Rachens in Berührung kommen zu müssen. Die Berührungen zwischen der Jungen Dame und der kleinen Ratte haben zu dieser Sicherheit beigetragen. Es gibt die Art, wie mich die Junge Dame berührt hat, auf der Haut wie auch im Herzen. Diese Magie, die Verliebte kennen, die der Welt Ton und Farbe schenkt. Berührungen, die nicht nur beflügeln. Sie heilen, auf eine ganz eigene und magische Art. Und doch waren es immer flüchtlige Berührungen. Ein Hauch von Magie und schon war es vorbei. Eine kurze Umarmung. Ein Kuss. Mehr Hauch des Windes als Leidenschaft. Wie oft habe ich mich nach der Erinnerung auf meiner Haut einer uns beide tröstenden Berührung gesehnt? Zum Glück hatte ich immer die Erinnerung der Berührung dieses Blicks...


Young Lady: touch me and I'm going to scream, version 1.29



A Touch of Detention
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Es klingelt an meiner Türe, morgens nach Acht Uhr, ziemlich genau vor 2 Wochen. 3 Menschen stehen da, in Zivil aber mit einem amtlichen Auftrag. Ich habe erzählt, wie ich wegen Schwarz-Fahrens in die Kontrolle kam. Ich habe erzählt wie ich ohne Vorwarnung von der Helsana ausgesteuert wurde, und somit von einem Monats-Einkommen von SFr. 8'000.- zum Sozial-Fall wurde. Ich habe erzählt wie ich, aus purer Wut darüber, aus Prinzip und aus stillem Protest mir eigentlich vorstellen konnte, ins Gefängnis zu gehen anstatt die Busse zu bezahlen. Ja, denn einige Tage in einem Schweizer Gefängnis sind wirklich nicht das Schlimmste was mir je passiert wäre. Und, wenn ich damit auch nur einen stummen Zeichen des Protests setzen würde, wäre es mir das Wert gewesen. Tatsache ist, dass ich mir nicht mehr gross darum Gedanken gemacht habe. Die Monate sind vergangen und ich beschäftigte mich nicht damit. Als nun die 3 jungen Polizisten des Kantons Zürich in meiner Türe standen, geschah etwas für mich völlig unerwartetes. Fakt ist, dass wenn sie mich nur berührt hätten, ich ziemlich sicher zu schreien begonnen hätte. Ja, sie hätten mich nur kurz berühren müssen, und ich wäre wahrscheinlich durchgedreht. Gott sei Dank haben sie das nicht. Sie waren professionell und der Vergesetzte fand immer den richtigen Ton, auch wenn er mir klar zu verstehen gab, ich sei nicht mehr der Boss in diesem Hause. Und dennoch, als ich plötzlich in meiner eigenen Wohnung keinen Schritt mehr alleine machen konnte, als ich von jetzt auf plötzlich nicht mehr Herr meiner eigenen Person war, machte sich mein Körper selbständig und folgte nicht mehr meinen kläglichen Versuchen die Kontrolle zu behalten. Ich begann, zu hyper-ventilieren. Einfach so. Ich konnte nichts dagegen tun. Und es sollte für die ganze Zeit meiner "Verhaftung" andauern. Ich war nicht mehr in meinen vier Wänden, ich befand mich in der Iso-Zelle der Harten Klinik, in der ich so unzimperlich berührt wurde. Bald würde die Nähe dieser Fremden schmerzhaft werden. Sehr schmerzahft. Wie oft habe ich mir gewünscht, die Erinnerung an diese Berührungen verlieren zu können? Keine Chance, den Coolen zu spielen und, mit einem dummen Grinsen aus Protest 2 Tage hinter Gittern zu verbringen. Ich schaffte es kaum zum Bancomat, um das Geld für die Busse abzuheben. Dann nichts wie raus aus dem Auto und zurück in die Wohnung. Alleine. Vor allem alleine sein. Nun ging erst das Schluchzen und Heulen erst los. Auf dem Balkon, Arme gekreuzt auf dem Geländer, die Stirn auf den Armen und das Gesicht in Richtung Boden, wo auch all die Tränen hinfielen. So stand ich eine ganze Weile und heulte mir den angestauten Stress aus den Augen. Ich konnte nicht glauben, was da gerade geschehen war. Ich hatte völlig die Kontrolle über mich verloren. Und dabei... Ich wurde nicht einmal berührt. Was wäre damals unschönes geschehen, wenn mich einer dieser Polizisten auch nur kurz berührt hätte?